Dethlinger Teich: Kostenschätzung nun bei 62 Millionen Euro

Bereits mehr als 2500 Granaten wurden bei einer Probeöffnung des Dethlinger Teichs gefunden. Die Kreisverwaltung geht davon aus, dass dort insgesamt 30000 Kampfstoffgranaten versenkt worden sind.

Die Sanierung des Dethlinger Teiches bei Munster wird immer konkreter. Das Konzept ist in den letzten Abstimmungen, im Herbst 2022 sollen die Arbeiten unter einem über das gesamte Gelände gespannten Zeltdach starten. Statt wie bislang geplant vier, wird die Räumung des mit Munition und Sprengstoff gefüllten ehemaligen Gewässers wohl nun fünf Jahre dauern.

Allerdings wird das Projekt aufgrund der Lieferschwierigkeiten und der Preisentwicklung vermutlich erheblich teurer. Ein Sanierungsbudget in Höhe von 48,8 Millionen Euro steht bislang für die Räumung zur Verfügung. Die Finanzierung ist durch einen Vertrag mit dem Land gesichert. Die Kreisverwaltung um Projektleiter Friedrich-Wilhelm Otte geht derzeit aber davon aus, dass fast 62 Millionen Euro nötig werden, um die bundesweit einmalige Altlast zu sanieren.

Erst in der vergangenen Woche hat es deshalb Gespräche mit dem Land gegeben, aus denen die Kreisvertreter zuversichtlich herausgekommen seien, wie Otte jetzt dem zuständigen Fachausschuss Bau, Natur, Umwelt und Landwirtschaft erläuterte. „Wir gehen fest davon aus, dass die Geldgeber von Bund und Land die ausstehende Summe von rund 13 Millionen Euro übernehmen.“

Um zunächst aber den Überblick über die Kostenentwicklung zu behalten, sei vereinbart worden, die Ausschreibung in zwei Räumphasen zu gliedern. In den ersten zwei Jahre sollen etwas mehr als 31 Millionen Euro für die Sanierung ausgegeben werden, in den drei weiteren Jahren weitere fast 31 Millionen Euro. Parteiübergreifend habe das Projekt volle Zustimmung, so Otte zur Mittelfreigabe zunächst bis 2022.

Auf fünf Jahre muss das Projekt gestreckt werden, auch um die Urlaubsansprüche der Mitarbeiter mit Spezialausbildung zu gewährleisten. Daher soll immer im Sommer eine zwölfwöchige Pause eingelegt werden.

Zudem kann die Geka, die Gesellschaft zur Vernichtung chemischer Kampfstoffe und Rüstungs-Altlasten in Munster, jährlich nur 6000 Kampfmittel aus dem Dethlinger Teich vernichten. Auch das führt zu einer zeitlichen Streckung des Projektes.

Otte geht nach der Probeöffnung 2019/2020 davon aus, dass in dem ehemaligen Kieselgurteich rund 30000 Kampfstoffgranaten lagern.

Mehr als 2500 Granaten waren bei der Probeöffnung aus dem mit Bauschutt und Erde verfüllten Gelände herausgeholt worden. In der vergangenen Woche erst wurde die letzte dieser Granaten vollständig bei der Geka vernichtet.

1952 wurden die letzten Kampfmittel in den Dethlinger Teich geworfen. Danach wurde er mit Bauschutt und Erde zugeschüttet. Bis auf neun bis zwölf Meter Tiefe soll der vor 100 Jahren entstandene Kieselgurteich nun „ausgekratzt“ werden.

Wieder ein See oder ein Wald?

Wenn im Sommer 2027 das Gelände des Dethlinger Teichs tatsächlich geräumt ist und es wieder an den Eigentümer zurückgegeben wird, ist noch offen, in welchem Zustand das passieren kann. Ob sich dort in dem ehemaligen Kieselgurgewässer wieder ein See entwickelt oder wie vor dem Beginn der Räumung ein Wald, muss sich zeigen.

Das hänge davon ab, was der Eigentümer wolle, so Kreis-Projektleiter Friedrich-Wilhelm Otte, und davon, ob der aufbereitete Boden wieder in die Natur zurückgebracht werden kann.

Dieser wie auch der Bauschutt werden zunächst ausgebaggert und kommen wie die gefundene Kampfstoffmunition zur Geka nach Munster. Die Munition soll dort vernichtet, Bauschutt und Boden von gefährlichen chemischen Kontaminationen gereinigt werden.

Zunächst aber geht es darum, die Arbeiten zur endgültigen Räumung der Kriegsaltlasten überhaupt zu starten. Die technischen Voraussetzungen stellte Otte detailliert im Kreisfachausschuss Bau, Natur, Umwelt und Landwirtschaft vor.

Für die Arbeiten soll eine freitragende Halle mit einer Traufhöhe von 10 Metern über die Fläche des ehemaligen Teichs gebaut werden. 95 mal 105 Meter sind die Außenmaße, zudem ragt eine Spundwand 20 Meter an den Außenseiten in die Tiefe.

Hinzu kommen kleinere Zelte unter anderem als Personenschleuse und zur Beurteilung und Verpackung der Munition. Diese muss geröntgt werden, um festzustellen, ob sich in ihrem Inneren chemische Kampfmittel befinden, zudem muss sie fotografiert werden. Jeder Fund wird an die OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) nach Den Haag gemeldet, bevor dieser bei der Geka vernichtet wird.

Eine neue Straße wird gebaut

Entstehen wird eine asphaltierte Straße, auf der auch ein Schwertransport mit einem Gewicht von 90 Tonnen fahren kann. Die Arbeit der Kampfmittelräumer soll so gut wie möglich durch Technik unterstützt werden.

Dazu gehört eine Art Staubsauger, der auch zehn Zentimeter starke Steine aufsaugen könne, aber auch ein 20-Tonnen-Bagger, der elektrisch betrieben wird und auf Ketten fährt. So habe er eine Bodenlast wie ein Mensch, so Otte.

Insgesamt soll immer nur eine kleine Fläche offen gelegt werden, um abzusichern, dass es keine Ausgasung geben werde und kein Gerät auf Munition laste. Pro Jahr sollen sich die Kampfmittelräumer um 1,50 Meter in die Tiefe graben.

Mit einem Förderband soll Boden und Bauschutt an die Oberfläche transportiert werden, „Was sauber ist, bleibt vor Ort.“ Dafür gebe es durchgehende Überwachung mit Messgeräten. Zudem würden Arbeiten und Arbeiter mit rund 40 Kameras, per Funk und durch weitere Mitarbeiter überwacht, um eine hohe Sicherheit zu garantieren.

In Planung ist auch eine Schleuse für einen Bagger, damit der Fahrer nicht den gesamten Arbeitstag in einer Schutzausrüstung tätig sein muss. Die Kampfmittelräumer, die direkt in dem freigelegten Stück arbeiteten, dürften nur rund 90 Minuten in den Schutzausrüstungen stecken. Für den Notfall sind durchgehend ein Notarzt des Heidekreis-Klinikums und Rettungssanitäter vor Ort.

Vollsperrungen wieder nötig

Der aktuelle Bauzeitplan für die Räumung des Dethlinger Teiches mit der inzwischen festgelegten Postanschrift Salzwedel Straße 999 an der Bundesstraße 71 besteht zurzeit aus rund 500 einzelnen Arbeitsschritten.

Der Plan werde laufend ergänzt und aktualisiert, so Projektleiter Friedrich-Wilhelm Otte. Zum Plan gehören auch regelmäßige Besprechungen in Steuerungs-, Lenkungs- und Projektgruppen, mit der Geka und dem Sanierungsbeirat.

Geplant ist wie in der Zeit der Proberäumung die B 71 tagsüber während der gefährlichen Arbeit voll zu sperren. Davor und danach und am Wochenende soll die Straße geöffnet bleiben. Geregelt werde das durch eine Ampellösung, so Otte.