Per Fernabschaltung den Häusern die Wärme abgedreht

Wenn der Wind kräftig weht und die Produktion der Windräder hoch ist, besteht die Gefahr einer Überlastung der Umspannwerke durch einzuspeisende Strommengen. Dann regeln die den örtlichen Stadtwerken vorgelagerten Netzbetreiber EWE, Avacon oder Tennet per Fernabschaltung andere Stromerzeugungsanlagen ab, um die Stabilität der Netze zu gewährleisten. Das betrifft oft die Biogasbranche, mit rund 80 Anlagen ein wichtiger Betriebszweig für die Heidekreis-Landwirtschaft.

Ausfall wird erstattet

Unmittelbarer wirtschaftlicher Schaden entsteht den Anlagebetreibern nicht. Sie erhalten eine Vergütung für die errechnete Strommenge, die sie nicht ins Netz einspeisen können und stattdessen das beim Vergärungsprozess entstandene Methangas abfackeln müssen. Allerdings gebe es negative Auswirkungen auf die Betriebsabläufe. Einmal herunter geregelt, brauche es Zeit, bis die Anlagen wieder auf Betriebstemperatur kommen, erklärt Landwirt Andreas Rosebrock, der mit seinem Berufskollegen Bernd Hartjen eine relativ kleine 255-kW-Anlage im Schneverdinger Stadtgebiet betreibt.

Der Verschleiß an Dichtungen, Rohrleitungen und Fermentern sei erheblich größer. Besonders problematisch wirke sich die Fernabschaltung bei Biogasanlagen aus, die nicht nur Strom produzieren, sondern die dabei entstehende Wärme in Versorgungsnetze leiten, mit denen Haushalte oder Ställe beheizt werden. Um sie am Laufen zu halten, müsse Wärme dann fossil beispielsweise mit Erdgas oder Heizöl erzeugt werden, was klimatisch völlig unsinnig sei. Wenn dann wie am vorvergangenen Wochenende mit viel Schnee und teilweise heftigem Wind Biogasanlagen bis zu 48 Stunden vom Netz genommen werden, bleiben in den angeschlossenen Haushalten nicht nur Küchen, sondern auch Wohn- und Schlafzimmer kalt, sollte kein leistungsfähiger Ersatz zur Verfügung stehen.

Betreiber fordern Abschaltranking

Um derartige Zuspitzungen zu vermeiden, fordern Anlagenbetreiber ein sogenanntes Abschaltranking, das eine Unterscheidung von Biogasanlagen berücksichtigt, ob sie nur Strom erzeugen oder auch für die Wärmeversorgung genutzt werden. Die meisten Anlagen verfügten über technische Vorrichtungen, die aus der Distanz das Zurückfahren auf einen reduzierten Betrieb in mehreren Abstufungen statt einer Komplettabschaltung ermöglichen.

Neidisch schaut die hiesige Branche nach Schleswig-Holstein. Dort habe der Fachverband Biogas mit Unterstützung des Windverbands mit dem Ministerium für Energiewende bereits vor einigen Jahren einen Kompromiss gefunden: Biogasanlagen mit Wärmenetzen würden im nördlichsten Bundesland nur noch nachrangig abgeschaltet.