Widersprüchliche Aussagen des Angeklagten

Lünzen/Lüneburg. Es war einer der spektakulärsten und mit rund 200 eingesetzten Kräften auch einer der personalin- tensivsten von insgesamt 621 Brandeinsätzen des vergangenen Jahres im Heidekreis. Ein Großfeuer hat am Nachmittag des 26. April 2021 auf einer Hofstelle in Lünzenbrockhof bei Schneverdingen eine Scheune und mehrere Nebengebäude zerstört sowie ein Wohnhaus unbewohnbar gemacht. Zwei Monate später, am 23. Juni, gab es auf dem abgelegenen Anwesen in Lünzenbrockhof einen weiteren Brand, der glimpflich endete: Zeugen konnten ein Übergreifen der Flammen von einem in Brand gesetzten Silageballen von einem Anhänger auf umliegende Gebäude verhindern.

In beiden Fällen gehen die Ermittler von Brandstiftung aus. Als Verdächtiger geriet Michael I. ins Visier, der selbst auf dem weitläufigen Anwesen lebt. Am gestrigen Mittwoch begann vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg unter der Leitung von Dr. Lidia Mumm der Prozess gegen den heute 57-Jährigen. Die von Staatsanwältin Wiebke Bethke verlesene Klageschrift legt ihm zwei Brandstiftungen zur Last.

Angeblich Zigarette weggeschnippt

Zur Sprache kam am ersten Prozesstag nur die zweite, „kleinere“ Tat. Dass I. Verursacher des Brandes am späten Nach- mittag war, scheint aufgrund seiner eigenen Schilderung unstrittig. Die Frage ist, ob er es vorsätzlich getan habe, wie die Staatsanwaltschaft meint. Er habe dringend Wasser lassen müssen und dabei eine Zigarette geraucht, sagte der Angeklagte dazu. „Es überkam mich.“ Er habe das wegen einer Prostataerkrankung nicht steuern können. Nachdem er sein Geschäft an einem mit Heuballen beladenen Anhänger erledigt habe, habe er die noch brennende Zigarette weggeschnippt – so jedenfalls seine erste Erklärung, der weitere, zum Teil sich widersprechende folgten. Rätselhaft auch, warum I., der nach eigenen Angaben 20 Jahre in der Feuerwehr war, angesichts der Rauchentwicklung selbst nichts unternahm, um Schlimmeres zu verhindern, sondern sich einfach zu seiner Wohnung entfernte, um Hausarbeit zu verrichten. Mit immer neuen Versionen brachte er insbesondere den ebenfalls am Richtertisch sitzenden Dr. Volker König in Rage. „Glauben Sie das eigentlich selbst?“, wollte der hörbar aufgebrachte Prozess-Berichterstatter vom Angeklagten wissen.

Nach einem mehrminütigem Geplänkel zwischen dem Angeklagten und Richter König griff die Verteidigung des Angeklagten ein. Anwältin Uta Petschull beantragte eine zehnminütige Unterbrechung. Die Vorsitzende Richterin nahm das zum Anlass, dem Angeklagten eine Brücke zu bauen: Sollten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ganz oder teilweise zutreffend sein und er würde das zugeben, könnte ihm das bei der Bemessung des Strafmaßes einen „Bonus“ einbringen, machte sie ihm ein Geständnis schmackhaft.

Mehrfach pendelte die Verteidigerin Petschull zwischen dem Richterzimmer und dem mit seiner Frau vor dem Verhandlungssaal wartenden Angeklagten. Statt einer zunächst angekündigten zehnminütigen Unterbrechung wurde es eine über einstündige Beratung hinter verschlossenen Türen, bis die Vorsitzende Richterin das Ergebnis zu Protokoll geben konnte. Auf Anregung der Verteidigung soll ein psychiatrisches Gutachten Aufschluss zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sowie zur Frage geben, ob eine Maßregelung zu seiner Besserung und Sicherung in Betracht komme.

Gutachten soll bis Montag vorliegen

Diese Expertise wird Dr. Frank Wegener anfertigen. Der zufällig zu einem anderem Termin im Gerichtsgebäude anwesende Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie habe sich auf Anfrage des Gerichts dazu bereiterklärt. Noch am gestrigen Mittwoch führte Wegener ein Vorgespräch mit dem Angeklagten, das er nach Studium der ihm zur Verfügung gestellten Prozessakten am heutigen Donnerstag vertiefen wird. Das Gutachten soll zu der für kommenden Montag anberaumten Fortsetzung vorliegen. Zudem erklärte sich der Angeklagte einverstanden, alle ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden.

Für den Prozess vor dem Lüneburger Landgericht sind bislang drei Fortsetzungstermine festgesetzt worden: 13., 15. und 20. Juni, jeweils 9 Uhr in Saal 121 des Gerichtsgebäudes, Am Markt 7.

Bei dem Großbrand in Lüzenbrockhof am 26. April 2021 wurde neben anderen Gebäuden auch dieses Wohnhaus ein Opfer der Flammen.