„Bleiben Sie optimistisch“

Für eine bunte Gesellschaft, für Freiheit und die Demokratie demonstrieren die Soltauerinnen und Soltauer in Soltau. Die Schüler Jelte Brackmann, Henry Kreipe, Leo Wolff und Finn Stilger rundeten mit ihrer Musik die Veranstaltung ab. Fotos: at

Die Demonstration für Demokratie und Vielfalt im Soltauer Hagen begann am Sonnabend mit einem gemeinsamen Lacher. Denn vor der „schönen Kulisse“ stellte Volker Wrigge als Moderator der Veranstaltung zunächst klar: Geld gibts nicht.

Auch wenn ein AfD-Mann in der Ratssitzung in Schneverdingen in der vergangenen Woche behauptet hatte (BZ vom 9. März „Alle stehen zusammen, einer nicht“), dass die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, die in Deutschland mittlerweile Millionen auf die Straße bringen, gekauft seien, zeigte Wrigge die gemeinsame Heiterkeit in großer Runde: „Wir haben uns verstanden, wir machen das alles für die Demokratie“ – und zwar ohne bezahlt zu werden.

Laut Veranstalter, ein breites Demokratiebündnis aus Politik und Kirchen, hatten sich rund 800 Menschen im Hagen zusammengefunden, um für Vielfalt und die Demokratie ein deutliches Zeichen zu setzen: „Wir sind die Mehrheit“, war daher auch auf zahlreichen Plakaten zu lesen. Für die musikalische Umrahmung sorgte junge Musiker der Combo des Gymnasiums Soltau zwischen den Redebeiträgen.

Wrigge erinnerte eingangs an Errungenschaften in Deutschland, die man in der heutigen Zeit mit ihren vielfältigen Krisen gerne vergesse: Niemals habe man so lange in Frieden gelebt, niemals gab es ein solches Maß an bürgerlichen Freiheiten und Rechten, niemals sei das Land so wohlhabend und sozialstaatlich wie heute gewesen. Daher erstaune und irritiere es ihn, wie schlecht der demokratische Staat von manchen geredet werde. Auch in Soltau höre man antidemokratische, antisemitische und rassistische Stimmen. Wrigge kritisierte eine Rhetorik von Kälte und Unmenschlichkeit. Diesen Leuten sollte man die Demokratie und „unser Deutschland“ nicht noch einmal überlassen. Faschismus beginne immer mit der Entmenschlichung von Andersdenkenden und Minderheiten. „Wir wollen heute in positives Zeichen setzen. Wir sind eine pluralistische Gesellschaft.“

Wie wichtig für die Menschen Gemeinschaft ist, in der man Sorgen und Nöte, aber auch Zuversicht und Glück teilen könne, betonte angesichts der vielen Zuhörer im Hagen Erster Stadtrat Karsten Lemke als weiterer Redner. Aber auch die Vielfalt beschrieb er eindrücklich, die „allemal besser als engstirnige Eingleisigkeit“ sei.

Lemke zeichnete die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes und die Bedeutung der Grund- und Menschenrecht für die Demokratie nach und zeigte auf, wie wenig selbstverständlich das in anderen Ländern sei: „Deshalb ist es wichtig und wertvoll für diese Demokratie und ihre Werte einzustehen und dafür auch auf die Straße zu gehen, sie zu leben und weiterzutragen, um sie zu stärken.“

Pastor Thorsten Schoppe gab zu, nicht zu wissen, ob die Demokratie das beste Gesellschaftsmodell sei, aber für ihn sei es ein sehr gutes, weil es der Vielfalt der Menschen Rechnung trage, weil sie vor dem Gesetz alle gleich seien, weil alle ihre Stimmen erheben dürfen, man Vielfalt von Parteien, von Medien, von Lebenskonzepten, Religionen, Traditionen, Geschichten und Prägungen habe. Das alles garantiere das Grundgesetz seit 75 Jahren.

Bedroht werde Vielfalt und Freiheit von der AfD, nannte Schoppe eine Hausnummer und prangerte deren Aussagen an. Dass die aktuellen Herausforderungen von Streikforderungen über Klimawandel, den Umbau der Bundeswehr und viele weitere Transformationen seien riesig. Dem zollte der stellvertretende Superintendent Respekt: „Das wird keine Regierung dieser Welt hinbekommen“ und bedeute auch materielle Verschlechterungen und Unzufriedenheit, aus der der Populismus genüsslich den Honig sauge. Schoppe appellierte daher an die Menschen, ihre Liebe für die Demokratie und ihre Werte zu bewahren und zu verteidigen. „Ich bin dankbar für den Frieden in diesem Land, die Vielfalt und die Freiheit“ und wünschte sich das für die nächsten mindestens 75 Jahre.

Auch Dr. Claudia Hölzenbein hob in ihrer Rede die Bedeutung von Demokratie bevor und die Notwendigkeit, sich gegen Extremismus zu engagieren. Sie zeichnete nach, warum Menschen radikalen Gruppen glaubten, die ihnen einfache Lösungen für ihre Probleme anböten. Daher müssten die demokratischen Parteien sich den Sorgen und Nöten der Menschen annehmen. Die Bürger, so Hölzenbein, müssten spüren, dass sie wahrgenommen würden, man sich politisch für sie einsetze. Sie rief aber auch auf, selbst in der Familie das Miteinander den Kindern vorzuleben, sich um Nachbarn zu kümmern, Freundschaften zu pflegen, sich ehrenamtlich zu engagieren – und das und „wie wertvoll die Demokratie ist“ den Menschen zu zeigen, die neu nach Deutschland kommen. „Lassen Sie sich nicht von den Menschen herunterziehen, die alles in düsteren Farben malen und eine Weltuntergangsstimmung heraufbeschwören, das bringt uns nicht weiter. Gestalten Sie unsere Zukunft aktiv mit. Sagen Sie, was Ihnen nicht passt. Aber kritisieren Sie konstruktiv. Bleiben Sie optimistisch. “

Vor dem Wiedererstarken brauner Ideologien warnten schließlich eine Schülerin und Schüler vom Gymnasium Soltau. Leider war die junge Generation insgesamt im Hagen nur wenig vertreten. Am Rande war zu hören, dass sich der Termin an den Schulen nicht herumgesprochen habe. Die Zwölftklässler, einige mit Migrationshintergrund, machten auf der Bühne jedenfalls ihre Fassungslosigkeit, Enttäuschung und Wut gegenüber den Entwicklungen am rechten Rand deutlich. Wegschauen sei keine Option, zeichneten sie die Folgen am Schicksal der jüdischen Familie Lennhoff in der Nazizeit nach. Vielmehr Entschlossenheit, „unsere Aktivität, unsere Freiheit, unsere Demokratie, für Grundlaube, für Pluralismus und für die Menschenrechte einzusetzen. Wir stehen auf und wir stehen zusammen, denn wir sind die Demokratie, wir sind Deutschland“.

Insgesamt verlief die Demonstration am Sonnabend im Hagen friedlich. Nur eine Irritation gab es aufgrund eines großflächigen Plakates, das den Unmut der Veranstalter aus dem politischen Bereich auf sich zog. Die Polizei verfügte auf deren Einspruch, dass das Plakat abgehängt werden musste.