Morde von Westervesede und Brockel schockieren die Region

In Westervesede schlug der Täter zuerst zu, tötete einen 30-Jährigen und dessen 55-jährige Mutter. Foto: bk

Bundeswehrsoldat erschießt vier Menschen, darunter ein dreijähriges Kind, Täter stellt sich in Rotenburger Von-Düring-Kaserne

Rot-weiße Sperrbänder und Polizeibeamte sicherten am gestrigen Vormittag zwei Grundstücke in der Scheeßeler Ortschaft Westervesede und in Brockel ab. In den beiden Einfamilienhäusern im Kreis Rotenburg hatte sich in der Nacht ein tödliches Drama abgespielt. Ein Bundeswehrsoldat erschoss zwischen 3 und 4 Uhr nachts zunächst in Westervesede den neuen Freund (30) seiner früheren Partnerin und dessen 55-jährige Mutter, fuhr dann die rund zehn Kilometer weiter nach Brockel, wo er eine Bekannte (33) seiner Ex-Lebensgefährtin und deren Kind (3) erschoss.

Nach den beiden im Zusammenhang stehenden Taten fuhr der 32-jährige Soldat zur Rotenburger Von-Düring-Kaserne des Jägerbataillons 91, meldete sich bei der Wache und stellte sich. Er  wurde von der Polizei in Gewahrsam genommen, auf die Wache in Rotenburg verbracht und später einem Haftrichter in Verden vorgeführt. Was zu diesem Zeitpunkt bereits klar war: Der Bundeswehrsoldat ist nicht in der Von-Düring-Kaserne stationiert.

Großaufgebot der Polizei sichert Region ab

Die Soldaten der Kaserne seien auf das Kommen des Mannes vorbereitet gewesen, heißt es vonseiten der Polizei. Offensichtlich seien sie alarmiert worden, nachdem die Polizei in der Nacht nach den tödlichen Schüssen weitere Taten befürchtet hatte. „Wir hatten Angst, dass eine Amoktat folgt“, sagte Polizeisprecher Heiner van der Werp. Mit einem Großaufgebot sichert die Polizei aus dem gesamten Landkreis einige Objekte, darunter den Bahnhof Rotenburg. „Zu diesem Zeitpunkt war nicht klar, was der mutmaßliche Täter im Schilde führt“, so van der Werp.

Im Auto des Täters werden die Tatwaffe, mehrere Magazine, reichlich Munition, eine Blendgranate aus Bundeswehr-Beständen sowie ein fertiger Molotow-Cocktail gefunden. Ob die Tatwaffe selbst ebenfalls aus Bundeswehrbeständen stammt oder eine Sportwaffe ist und wie der Täter an die mutmaßlichen Bestände der Bundeswehr gelangen konnte, ist noch offen. Das Auto, das er gegen 7 Uhr morgens vor der Von-Düring-Kaserne abstellt, bevor er sich bei der Wache meldet, ist laut Kennzeichen in Osterode am Harz zugelassen.

"Tumult und dumpfe Geräusche wie Schüsse"

In dem Haus in Westervesede lebt eine drei Generationen umfassende Familie mit vier Personen. Durch welche glücklichen Umstände zwei der vier Bewohner der Tat des Soldaten entgingen und ob sie überhaupt daheim waren, ist zunächst unklar. Das 30-jährige Opfer und seine Lebensgefährtin hätten sich erst vor einem halben Jahr getrennt, berichtet ein Nachbar. Sie wohne nun einen Ort weiter, das Verhältnis sei aber nach der Trennung gut gewesen. Völlig unklar ist zudem, weshalb der Täter der 33-jährigen Bekannten seiner Ex-Freundin und deren Kind das Leben nahm.

Mehrere Medien hatten zunächst vermeldet, dass es sich bei der getöteten Mutter aus Brockel um die ehemalige Partnerin des Täters handelt, offenbar eine Falschmeldung. Eine offizielle Stellungnahme gibt es dazu nicht, van der Werp sagt: „Die Identitäten des Täters und aller Getöteten sind bekannt, auch, welche Verbindung sie zueinander hatten.“

Ein Westerveseder Nachbar schildert gegenüber der Böhme-Zeitung, dass seine Mutter in der Nacht „von Tumult, dumpfe Geräusche wie Schüsse“ aufgewacht sei. Ihr Schlafzimmer liege direkt neben dem Haus, in dem die ersten Schüsse fielen. Das Haus mit bemoostem Dach, in dessen Garten ein Trampolin, mehrere Bälle und eine Hauskatze auf Kinderspiel und eine gewisse Familienidylle hinweisen, wurde am gestrigen Tag von der Spurensicherung in Beschlag genommen. Selbst die Katze der Familie, die ins Haus hinein wollte, wurde von den Beamten ferngehalten.

Scheeßels Bürgermeisterin Ulrike Jungemann ist erschüttert. Sie hatte kurz nach 6 Uhr von den Taten erfahren und steht nach eigenem Bekunden seitdem unter Schock: „Unfassbar, dass ein Mensch gezielt die Waffe auf andere richten kann, noch dazu auf ein dreijähriges Kind.“ Sie habe bis jetzt den Eindruck gehabt, „dass wir hier ein Stück weit in einer heilen Welt leben, wo man sich kennt und aufeinander aufpasst – das stimmt ab heute nicht mehr.“ Bei dem getöteten Mann soll es sich um ein Mitglied des Ortsrats Westervesede handeln, der noch am Vorabend eine Veranstaltung zur Gründung der neuen Kinderfeuerwehr besucht haben soll. uh/bk