Munsters Unmut ist in Berlin angekommen

Eine Messstelle am Dethlinger Teich.

Es war das Thema zu Jahresbeginn: Ist unser Trinkwasser bedroht? Ist der Dethlinger Teich eine tickende Zeitbombe? Tun die Verantwortlichen genug, um die giftigen Reste aus jahrzehntelanger C-Waffen-Produktion in Munster während der Weltkriege zu beseitigen? Ausgelöst hatte die Debatte eine Recherche der BöhmeZeitung, die Folgen hatte. Was Munsters Abgeordneter Lars Klingbeil auf Bundesebene bislang erreicht hat, berichtet er im ausführlichen Interview mit BZ-Mitarbeiterin Julia Weigelt. Die Böhme-Zeitung hat den SPD-Politiker in seinem Berliner Büro besucht.

Was haben Sie seit der groß angelegten Recherche der Böhme-Zeitung, die Anfang 2015 erschien, in Sachen Altlastensanierung in Berlin angestoßen oder erreicht?

Klingbeil: Es hat generell eine höhere Aufmerksamkeit gegeben, das Thema ist im politischen Raum präsent. Was ich als Abgeordneter angestoßen habe, ist ein Sondertopf von 60 Millionen Euro für Altlastensanierung, der in den Bundeshaushalt 2016 eingestellt wurde. Das Geld kann in den nächsten Jahren sowohl für die Untersuchung von Gefahrenquellen, als auch für die Sanierung genutzt werden. Das ist finanziell zwar zunächst ein kleiner Schritt, es ist aber insofern wichtig, weil der Bund nun auch beteiligt ist. Mein Ziel ist, dass Munster mit seiner Sondersituation davon profitiert. Finanzminister Schäuble muss dafür jetzt schnellstmöglich eine Richtlinie auf den Weg bringen. Außerdem bin ich mit der Technischen Universität Clausthal in Kontakt, die ein Forschungsprojekt für Rüstungsaltlasten in Nordund Ostsee betreibt, was für den Bau von Offshore-Windkraftanlagen wichtig ist. Da geht es jetzt darum, ob die Wissenschaftler ihre Technik auch am Dethlinger Teich anwenden können, vielleicht als Vorstufe für die Großprojekte im Meer. Die Stadt und der Landkreis unterstützen die Idee, jetzt bin ich im Gesprächmit dem Landesumweltministerium. Wenn alle im Boot sind, wollen wir Fördergelder beim Bundeswirtschaftsministerium beantragen, das ja für Energie zuständig ist. Das könnte helfen, dass Messverfahren in Dethlingen zu beschleunigen. Für den Truppenübungsplatz Munster-Nord, wo seit Jahren verseuchter Boden gereinigt wird, wird gerade ein neuer Sanierungsplan erstellt. Da bemühe ich mich, die Arbeiten effizienter und schneller zu gestalten. Deswegen habe ich das Verteidigungsministerium gebeten zu prüfen, ob Vorarbeiten verstärkt von zivilen Firmen übernommen werden können. Wenn vor allem Soldaten damit beschäftigt sind, kommt es immer wieder zu Verzögerungen, weil die natürlich auch auf Lehrgängen und in Einsätzen sind und die Arbeit dann ruht.

Welchen Einfluss hatte die Berichterstattung der BöhmeZeitung daran, dass nun Bewegung in die Altlastensanierung in Munster kommt?

Ich hatte Ihnen ja bei unserem letzten Gespräch vor einem Jahr gesagt, dass das Thema Dethlinger Teich in meiner parlamentarischen Arbeit bis dato keine Rolle gespielt hat. Der Beschluss, 60 Millionen Euro im Haushalt für Altlastensanierung einzustellen, hat unmittelbar mit der Berichterstattung der Böhme-Zeitung zu tun. Ich hätte mich mit dem Thema auch beschäftigt, wenn mich Bürger darauf angesprochen hätten. Ich bin sicher kein Getriebener einer Zeitung (lacht). Es war eine Kombination aus allem: Dem Anstoß der Böhme-Zeitung samt der Podiumsdiskussion, vielen Gesprächen mit Bürgern danach, und dann kamen auch regelmäßige Nachfragen vom Landrat und der Bürgermeisterin.Das Ganze ist auch immer eine Frage der Erwartung: Politik dauert halt. Wenn man sagt: Das Messverfahren starten wir 2016, 2017 gibt es dann die Auswertung, dann kann der Teich ab 2021 saniert werden – das ist ein Zeithorizont, der für viele Bürger unbefriedigend ist. Dafür habe ich auch Verständnis. Ich hoffe, dass wir mit dem neuen Messverfahren der TU Clausthal das Verfahren beschleunigen können. Die haben eine Sonde entwickelt, die bei Munition von außen erkennen kann, was drin ist. Bislang haben wir ja über Verfahren gesprochen, mit denen das Grundwasser oder die Flüssigkeit im Teich untersucht werden kann. Jetzt könnten wir auch herauskriegen, was in der noch verschlossenen Munition im Teich drin ist. Und wenn sich herausstellt: Das ist hochgefährlich, was da drin liegt, dann kann ich mir auch eine Sanierung vor 2021 vorstellen, wenn sich etwa der Bund massiv beteiligt.

Ein Kritikpunkt vor einem Jahr war eine mangelhafte Kommunikation zwischen den vielen beteiligten Behörden. Was hat sich da getan?

Sowohl die Bürgermeisterin als auch der Landrat haben regelmäßig bei mir angeklopft und gefragt, was es neues gibt. Es ist definitiv kein Thema mehr, bei dem die Beteiligten sagen: Das haben wir einmal besprochen und jetzt lassen wir es wieder liegen. Und als ich das Projekt der TU Clausthal mit Stadt und Landkreis besprechen wollte, da haben alle sofort Termine möglich gemacht. Es sind auch immer mal SMS gekommen, in denen gefragt wurde: Was passiert gerade? Und ich habe meine Anfragen und Antworten auf Bundesebene unkompliziert per Mail weitergeleitet, damit alle den aktuellen Stand haben. Bei dem Thema haben alle verstanden, dass wir eine besondere Verantwortung haben und dass wir uns da kümmern müssen. Ich bitte allerdings um Verständnis, dass manche Verhandlungen, sowohl mit meinen Kollegen aus der Koalition, als auch mit Ministerien, erst mal zu Ende geführt werden müssen und ich über laufende Gespräche nichts sagen möchte, um das Ergebnis nicht zu gefährden. Dafür ist mir die Sanierung in Munster einfach zu wichtig. Was Kreis und Stadt angehen, habe ich schon den Eindruck, dass die sofort an die Öffentlichkeit gehen, wenn es Neues gibt – wie zum Beispiel mit den erhöhten Messergebnissen in Munster-Nord. Da hat sich die Mentalität schon gewandelt.

Eine Forderung von Ihnen war, die Stadt Munster in die Planung stärker einzubeziehen. Bürgermeisterin Fleckenstein sagt dazu nun allerdings, dass sie zwar über Veränderungen informiert werden will, aber keine Kompetenz dazu hat, das Vorgehen fachlich zu beurteilen oder Änderungsvorschläge zu machen. Braucht die Munsteraner Verwaltung mehr Altlastenkompetenz?

Die Forderung kann jetzt sicher nicht sein, dafür eine halbe Stelle in der Stadt einzurichten. Das Problem war doch bisher, dass wir aus der Kommunikation ausgeschlossen waren. Dass der Landkreis die Beprobung des Dethlinger Teiches eingestellt hat, ohne die Stadt Munster zu informieren. Deswegen ist es jetzt wichtig, dass alle achtsam sind bei dem Thema und sich darum kümmern. Und da brauche ich keine neue Stelle dafür, aber die Kommunikation muss laufen.

Das Thema Altlastensanierung scheint auch im Verteidigungsministerium angekommen zu sein: Im Juni war Staatssekretär Markus Grübel am Dethlinger Teich. Wie bewerten Sie das?

Prinzipiell ist es natürlich gut, dass die Aufmerksamkeit gewachsen ist. Am Ende kommt es aber nicht auf schöne Fotos, sondern auf Taten an. Und das Ministerium wird nach eigener Auskunft nur handeln, wenn vom Dethlinger Teich eine akute Gefahr ausgeht.

Wie ist das Thema bei den Bürgern, Ihren Freunden und Bekannten in Munster diskutiert worden?

Es war schon so, vor allem in den Monaten nach der Podiumsdiskussion, dass mich auf der Straße immer wieder Leute gefragt haben, was es neues zur Sanierung gibt. Es haben sich auch einige aus der früheren Bürgerinitiative mit mir getroffen und alte Unterlagen zur Verfügung gestellt, die sie archiviert hatten. Das Interesse war aber sicher nicht so groß wie bei den Themen Flüchtlinge oder Fracking.

Böhme-Zeitung