Bundeswehr hat 20 Jahre von der Substanz gelebt

Generalleutnant a. D. Carsten Jacobson beantwortet im Hotel Deutsches Haus in Munster Fragen der Böhme-Zeitung zu den künftigen verteidigungspolitischen Aufgaben einer neuen Bundesregierung. Foto: len

Die Themen Bundeswehr und Militärpolitik sind Bereiche, die in dem zwölfseitigen Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP als Grundlage einer Ampelkoalition nur mit einem siebenzeiligen Absatz vorkommen. Darin wird der unverzichtbare Beitrag der Soldaten zur internationalen Sicherheit anerkannt. Außerdem versprechen die drei möglichen Koalitionäre, die Ausrüstung der Bundeswehr zu verbessern und das Prinzip der Inneren Führung zu stärken. Die restlichen Sätze befassen sich mit der Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes und daraus zu ziehenden Folgerungen für zukünftige deutsche Auslandseinsätze.

Vermutlich wird das Thema Bundeswehr vor dem Hintergrund finanzieller Probleme – Schuldenbremse, Investitionen in den Klimaschutz, Infrastrukturinvestitionen – und unterschiedlicher Ansichten zu Auslandseinsätzen ein problematisches Kapitel in einem möglichen Koalitionsvertrag.

Generalleutnant a. D. Carsten Jacobson fordert, den Sparkurs zu beenden

Die Böhme-Zeitung hat Generalleutnant a. D. Carsten Jacobson zu den künftigen verteidigungspolitischen Aufgaben einer neuen Bundesregierung befragt. Der ehemalige stellvertretende Inspekteur des Heeres, der fast zweieinhalb Jahre von 2005 bis 2007 auch Kommandeur der Panzerlehrbrigade 9 in Munster war und jetzt auch in der Örtzestadt lebt, hat in dem Interview insbesondere angemahnt, dass die neue Bundesregierung den mehr als 20-jährigen Sparkurs beenden müsse. Die Bundeswehr habe von der Substanz gelebt. Wegen der geänderten Ausgangslage müsse hier ein Wandel eintreten. Er hoft auch, dass eine mögliche Ampelkoalition das Eckwertpapier, das die bisherige Regierung umsetzen wollte und das die Rolle der Brigade als selbstständig operierender Gefechtsverband aufwertet, übernimmt.

Jacobson steht auch hinter dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato, da es auf einer Analyse des Bündnisses beruhe und eine „angemessene Weiterenwicklung und Modernhaltung von Streitkräften“ ermögliche. Der General spricht sich für bewaffnete Drohnen aus und kann sich durchaus vorstellen, dass bei der Beschaffung von Ausrüstung und Gerät nicht nur ausschließlich fürs Militär entwickelte Produkte, sondern auch für die zivile Verwendung produzierte Artikel genutzt werden. Dies gelte insbesondere für den Bereich IT, da bei langen Beschaffungszeiten sonst bei Einführung des Geräts dieses längst veraltet wäre. Jacobson äußerte sich zudem zu Rechtsradikalismus in der Bundeswehr und zur Rolle der Türkei als Nato-Partner.