Vom Geschmack des Bodens

Eine Bodenprobe hat Finanzamtsfachfrau Alwine Floren-Koslowski aus dem Boden gezogen, nun geht es an die Bewertung, besser die Schätzung des Bodenzustands. Unterstützt wird sie von Marian Seredniyzkyj. Finanzamtschef Jörg Zimmermann schaut sich d…

Eine Bodenprobe hat Finanzamtsfachfrau Alwine Floren-Koslowski aus dem Boden gezogen, nun geht es an die Bewertung, besser die Schätzung des Bodenzustands. Unterstützt wird sie von Marian Seredniyzkyj. Finanzamtschef Jörg Zimmermann schaut sich das Ganze aus sicherer Entfernung an. Foto: at

Im Schnitt alle 40 Jahre kann ein Landwirt damit rechnen, dass sein Grund- und Boden im Heidekreis bewertet, das heißt geschätzt wird. Alle 40 Jahre, weil es eine aufwendige Angelegenheit ist, der Heidekreis nicht von ungefähr als Flächenlandkreis gilt.

Zurzeit sind die Bodenschätzer in der Gemarkung Schülern unterwegs, wie zuletzt 1977. Vier Wochen werden sie dort Wiesen und Felder in 50-Meter-Schritten genauestens untersuchen. Das bedeutet mindestens vier Bodenproben je Hektar, bei stark wechselnden Böden können es auch mehr sein.

Zwischen 7 und 100 Bodenpunkte

Das Gesetz zur Bodenschätzung ist gut 85 Jahre alt. Seit 1935 sind für die Bewertung die Schätzungsausschüsse der Finanzämter zuständig. Die vergebene Punktzahl zwischen 7 und 100 ist ausschlaggebend für die Berechnung von Grund- oder Einkommensteuer.

Aber auch außerhalb der Finanzverwaltung ist die Bodenschätzung Grundlage beispielsweise bei der Flurbereinigungsbehörde für die Tausch- und Kaufwerte, beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, für Ingenieurbüros, für Kauf- und Pachtpreise und für die Landwirte, die so auf ihren Flächen präzise Landwirtschaft betreiben können.

Seit 20 Jahren ist dafür für das Finanzamt Soltau Alvine Floren-Koslowski als amtliche landwirtschaftliche Sachverständige zuständig, sie betreut zudem noch einen Teil des Landkreises Harburg. Die Agrar-Diplomingenieurin und ihr Team, zu dem ehrenamtliche Landwirte gehören sowie ein Vermessungstechniker des Katasteramtes, untersuchen in der Regel den Boden mit Hilfe eines Bohrstabes bis zu einer Tiefe von einem Meter, manchmal graben sie auch ein etwas größeres Loch.

Neun Bodenarten gilt es für das Team zu analysieren, letztlich aus dem Zustand und der Zusammensetzung der Bodenarten die Bewertungspunkte festzulegen. „Es ist eine Schätzung“, betont Floren-Koslowski. Nur sieben Bodenpunkte gebe es für reinen Sandboden ohne Humusschicht.

So schlecht ist der Heideboden dann aber doch nicht, die niedrigste Bewertung sei noch nie vergeben worden, erklärt sie. Aber auch die höchste Punktzahl für perfekten Lößlehm wie in der Magdeburger- oder der Hildesheimer Börde ist im Heidekreis nicht zu finden. Nah dran kommen allerdings Flächen an der Aller und der Leine. Mit 95 Punkten liegen die höchstbewerteten südlich von Schwarmstedt und in Bothmer.

Die aktuelle Untersuchung bei Schülern einem Ortsteil von Schneverdingen ergab an einer Stelle einen Wert von 21 Bodenpunkten. Da war sich der Ausschuss schnell einig bei einer Humusschicht von 20 Zentimetern, darunter Lehm und letztlich viel Sand versetzt mit großen Steinen.

Mund auf, Erde rein und kosten

Bei bestem Löss kann Floren-Koslowski nicht anders, dann gibt’s den Bodenschmeckertest. Der Meinholzer Ludwig Stegen, der die Bodenschätzerin als landwirtschaftlicher Sachverständiger ehrenamtlich unterstützt, winkt da ab. Das geht dann doch zu weit. Doch für die Agrar-Diplomingenieurin ist es ein Muss, sich die Erde auch auf der Zunge zergehen zu lassen, die Feinheit des weltweit am meisten geschätzten Ackerbodens zu schmecken.

Alle Sinne, so auch den Geschmackssinn, zu nutzen, gehört zum Beruf der Bodenschätzer. Anders als bei Finanzbeamten zu vermuten, sind sie in dem Fall keine Schreibtischtäter. Mit Latzhose, Gummistiefeln, Händen wie Reibeisen und einer gehörigen Portion Durchsetzungsvermögen gibt Floren-Koslowski mehrere Wochen im Jahr als amtliche Sachverständige auf Wiesen und Feldern im Heidekreis den Ton an. Zusammen mit ihrem Team legt sie die Grundlage für die Besteuerung in der Landwirtschaft.

Seit Jahrzehnten liegt die Bodenschätzung in der Zuständigkeit des Finanzamts. Die Arbeitsutensilien haben sich nur wenig verändert. Mit dem Feldzirkel werden die Flächen meterweise vermessen, mit den schweren Hämmern treiben die Bodenschätzer die Bohrstangen in die Tiefe. Nur der Outdoor-Computer, den Floren-Koslowski mit einem Band über der Schulter trägt, bringt die Moderne aufs Feld. Demnächst, so hofft sie, wird die Technik auch mit GPS ausgestattet werden.

Alle Jubeljahre müssen die Besitzer der Flächen mit einer Bodenschätzung rechnen, die Bodenpunkte zeigen, wie wertvoll ihr Ackerland ist. Es geht um die natürliche Ertragsfähigkeit, nicht darum, was der Boden tatsächlich abwirft. Aber natürlich kann und sollte durch den Anbau die Qualität des Bodens verbessert, die Bodenkrume, die Humusschicht aufgebaut werden.

Den einen freut’s, den anderen nicht

Nicht immer freut die finanzfachlich anerkannte Verbesserung den Landwirt, schließlich steigen die Steuern. Andere freut’s, können sie ihre Grundstücke teurer verkaufen, wenn daraus Bauland werden sollte. Es komme immer auf den Blickwinkel an, erklärt die Fachfrau und erzählt von einem Pächter, der den Boden selbst erheblich verbessert habe und letztlich 20 Prozent mehr Pacht zahlen musste.

Auf ihrer Hand liegt Boden mit rötlichen Schlieren in der Farbe der Provence. Der Regen hat eisenhaltige Erde in den Sand darunter geschwemmt. Floren-Koslowski prüft mit der Hand wie der Sand durch die Finger rieselt, ob sich Ton zu einer Wurst formen oder der Lösslehm sich wie Mehl zerreiben lässt. Und auch Ohren und Nase spielen bei ihrer Arbeit eine Rolle, wenn der Sand knirsche, die Krume rieche. Neun Bodenarten von Sand bis Moor werden ertastet, errochen, gehört, geschmeckt und anhand des Ackerschätzrahmens, einer Bewertungsmatrix, mit Bodenpunkten zwischen 7 und 100 bedacht.

Meist sei sich das Team in der Bewertung einig. „Mit 20 Jahren Erfahrung ist das möglich“, sagt der Meinholzer Stegen, der aufpasst, „dass das Finanzamt nicht macht, was es will“, erklärt Finanzamtschef Jörg Zimmermann.

Musterstücke klären Streitfälle

Nur selten gebe es Streit. Und wenn, dann greifen die Bodenschätzer auf Musterstücke zurück. 15 sind im Heidekreis analysiert und festgelegt. Anhand dieser Musterstrukturen könne eindeutig geurteilt werden. Der 100-Punkte-Boden mit Lösslehm in der Magdeburger Börde sei sogar ein Bundesmusterstück. Das schönste Hochmoor des Heidekreises hat die Finanzbeamtin übrigens in Suroide gefunden.

Im Norden des Heidekreises gab es für die beste Fläche gerade mal 46 Bodenpunkte, Sand gemischt mit Lehm herrscht dort vor. Und auch sogenanntes Unland gibt es, landwirtschaftliche Flächen auf denen nichts wächst wie verlandete Teiche oder Sanddünen.

Zurzeit sind die Bodenschätzer auf Flächen unterwegs, die noch brach liegen. In drei, vier Wochen sei dann erst einmal bis zum Herbst Schluss. Floren-Koslowski legt natürlich nicht die Füße hoch. Sie muss dann doch noch Schreibtischarbeit für das Finanzamt erledigen und die gewonnen Daten in nutzbare Zahlen und Fakten umwandeln. Abrufbar sind die Bewertungen mit Bodenpunkten übrigens für jeden Acker über das Niedersächsische Landesamt für Geologie.

69000 Hektar Fläche im Heidekreis

Im Heidekreis wird eine Fläche von rund 69000 Hektar landwirtschaftlich genutzt. Die Gemarkung Schülern, in der zurzeit die Bodenschätzer unterwegs sind, hat bei 1032 Hektar Gesamtfläche 825 Hektar landwirtschaftlich genutzte Felder und Wiesen. Zweidrittel davon werden geprüft und neu eingestuft. Nach Abschluss der Schätzungsarbeiten erhalten die Eigentümer und Nutzungsberechtigten bei der Offenlegung die Gelegenheit, die Schätzungsunterlagen einzusehen und Fragen zu klären. Gegen die Ergebnisse der Nachschätzung kann Einspruch eingelegt werden.