Wildblumen sollen den norddeutschen Insekten munden

Der Reddinger Landwirt Christoph Becker bringt in diesem Jahr wieder ein Feld am Wietzendorfer Ortsrand zum Blühen. Und er hofft auf viele Paten, damit sich das Projekt für die Insekten und ein wenig auch für ihn rechnet. Foto: at

Der Reddinger Landwirt Christoph Becker bringt in diesem Jahr wieder ein Feld am Wietzendorfer Ortsrand zum Blühen. Und er hofft auf viele Paten, damit sich das Projekt für die Insekten und ein wenig auch für ihn rechnet. Foto: at

Christoph Becker hat an seinen kleinen John Deere die Drillmaschine angehängt und den Traktor von Reddingen vorbei am Südseecamp an den Ortsrand von Wietzendorf gelenkt „Hier sieht’s aus wie Kraut und Rüben“, blickt Becker übers Feld und findet’s gut so.

In langen Reihen hat er die Erde umgeworfen, in anderen Reihen stehen noch hüfthoch die trockenen Stengel der Sonnenblumen vom letzten Sommer. Eigentlich, so schätzt er, wäre es ganz gut, wenn die Natur sich hier entwickeln könnte, wie sie wollte. Das wäre möglicherweise die beste Chance für Flora und Fauna.

Doch einen Schubs können beide gebrauchen. Und fürs menschliche Auge sind natürlich die Farben schön. So sät der Landwirt im zweiten Jahr noch ausgesuchtere Mischungen Wildblumen und Gräser in die schon wieder staubtrockene Krume. Die Vielfalt sei das Entscheidende, sagt der Reddinger, Jede Wildbiene, jeder Käfer, einfach jedes Insekt soll auf den 1,6 Hektar das passende Futter finden. Rund 1000 Euro hat er in Blütenzauber, Blumenwiese, Schmetterlings- und Wildbienensaum investiert. Ein Großteil des neuen Saatguts stammt aus der Gegend und ist somit speziell auf die norddeutsche Erfordernisse der Tierwelt abgestimmt.

Becker könnte mit seiner breitrandigen eckigen Brille auch irgendwo im Büro vor dem Computer sitzen. Aufdrucke auf Mütze und Pulli verorten ihn beruflich aber dort, wo er auch zu Hause ist, wo Frau und Kinder wohnen. Auf dem Hof Becker in Reddingen. Dort züchtet er Schweine auf Stroh, hält Weiderinder, auf den Feldern baut er Mais und Zuckerrüben für die eigene Biogasanlage an, und der Landwirt setzt mit seinen Blühwiesen ein Zeichen für die Natur. In der hohlen Hand zeigt er ein Teil der regionalen Blühmischung mit federgleichen und -leichten Samen. Dann schüttet er die Saat in die Drillmaschine.

Er will mehrmals aufs Hohe Feld zum Säen kommen, damit die Wildblumen zu unterschiedlichen Zeiten blühen und Nahrung bieten, ein paar Flächen sollen brach liegen bleiben, als Rückzugsort vielleicht sogar fürs Rebhuhn. Mittendurch soll auch in diesem Jahr ein schmaler Weg führen, damit die Blühfläche erkundet werden kann.

Im vergangenen Jahr gab es 116 Blühpaten

116 Blühpaten hat Becker im vergangenen Jahr von seinem Projekt auf 1,6 Hektar überzeugt. 2020 war es noch ein Versuchsballon, ob es sich rechnet, statt Mais Wildblumen zu säen. Und ja, er sei zufrieden. Geld habe er nicht verdient, aber eine schwarze Null sei es dank der vielen Paten letztlich gewesen. „Wir haben einen Nerv getroffen“, freut er sich und weiß, dass schon jetzt mindestens die Hälfte der Unterstützer wieder dabei sein wird. Sie kommen aus Wietzendorf und Soltau, aber sogar Lübecker und Frankfurter finden das Projekt am Dorfrand gut.

Für alle gab es im vergangenen Jahr bis zum Herbst zwei-, dreimal Post, um über die Entwicklungen auf dem Feld zu erzählen. „Wir wollten ja nicht nur das Geld einsammeln.“ Zum Blühfest kamen den Tag über fast 50 Besucher vorbei. Spuren und Vögel zeigten, dass „richtig Bewegung“ auf dem Blühfeld war. Das wirklich gute Ergebnis der Aktion aber, so findet Becker, seien die Gespräche, die Chance, als Landwirt erklären zu können, warum auch der Mais seine Berechtigung haben muss, in diesem Jahr übrigens auch mit Wildblumenbereichen, um Abwechslung in die Monokultur zu bringen und vielleicht Nützlinge wie Marienkäfer zu locken, die normalerweise kiloweise Schädlinge wegfressen könnten.

Auf der anderen Seite des Dorfes hat Becker eine weitere Fläche ausgesät, als Insel- oder Transitfläche für die Insekten. Insgesamt hat er damit übrigens vier Blühflächen, drei davon werden schon seit Jahren von der EU gefördert, insgesamt sind es vier Hektar in Wietzendorf. Von neutraler Seite aus, will er in diesem Jahr seine Finanzen rund um die Blühpatenschaften prüfen lassen, um auch nachweisen zu können, wie er die Gelder einsetzt.

Wer Pate werden will, sollte bis zum 1. Juni einzahlen

Wer sich für Blühpatenschaft interessiert findet sogar über Ebay-Kleinanzeigen entsprechende Angebote. Auch über verschiedene Internetseiten sind jede Menge Flächen in Deutschland als Blühflächen ausgewiesen, an denen man sich mit einem kleinen Geldbetrag beteiligen kann. Das Unternehmen Artenglück, drei junge Landwirte aus dem Raum Hannover, bietet seit diesem Jahr ebenfalls Blühflächen im Heidekreis, Nienburg und Hannover an. Der Wietzendorfer Christoph Becker sät auf seiner Blühpatenfläche unter anderem Alexandriner- und Perserklee, Sonnenblumen, Buchweizen, Phacelia, verschiedenen Gräser, Ölrettich, Malven und Ringelblumen aus. Blühpaten können sich Flächen von 50 Quadratmeter für 20 Euro, von 100 Quadratmeter für 40 Euro und von 200 Quadratmeter für 70 Euro sichern. Dafür gibt es nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch den Namen auf einem Patenschild und eine Einladung zum geplanten Blühfest. Der gewünschte Betrag sollte bis zum 1. Juni auf das Konto von Christoph Becker unter dem Verwendungszweck: Bluehpatenschaft sowie dem Namen und der Anschrift über IBAN: DE32 1203 0000 1001 2983 53 oder per Paypal an christoph.becker@cbenergy.de überwiesen werden. Weitere Informationen gibt es unter z (0174)1818128.