Orkannacht war „der Wahnsinn“

Die Bundesstraße 71 ist Einsatzschwerpunkt. Der Abschnitt zwischen Soltau und Neuenkirchen wird für mehrere Stunden komplett gesperrt.

„Das war der Wahnsinn. So etwas habe ich noch nie erlebt“, lautet das Fazit von Thomas Klamet, dem Sprecher des Kreisfeuerwehrverbands, nach einem vom Orkan Zeynep durcheinander gewirbelten Wochenende. Ähnlich bis wortgleich wie bei Klamet und den vielen Hundert eingesetzten Feuerwehrleuten dürfte auch die Bilanz der Helferinnen und Helfer anderer Einrichtungen, Mitarbeitenden von Bauhöfen und Straßenmeistereien sowie der Polizei lauten. „Irre“ sei es gewesen, was sich in den Stunden zwischen Freitagabend und Sonnabendvormittag auf und an den Straßen des Landkreises abspielte, so Olaf Rothardt von der Polizeiinsprektion Heidekreis.

Das ganze Spektrum wird abgearbeitet

Bei den Alarmierungen war alles dabei: Dachziegel, die in Soltau auf den Gehweg der Lüneburger Straße fielen, auch ein Dachblech der Alten Reithalle machte sich selbstständig. In Walsrode löste sich ein Blechdach von einem Wohngebäude. Dramatisch verlief zeitweise der Notfalltransport eines Patienten aus dem Soltauer Krankenhaus nach Rotenburg auf der waldreichen Bundesstraße 71. Ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr muss vorausfahren und mehrmals stoppen, um den Weg für den Krankenwagen freizuräumen. Am Ende ging es für alle Beteiligten, vor allem für den Patienten, gut aus. Vor allem aber: Bäume, Bäume, Bäume... . Und so dürfte neben dem Tosen des Orkans den Einsatzkräften vor allem das Geräusch von laufenden Kettensägen im Gehör haften geblieben sein. „Es war am Freitag und Sonnabend im gesamten Heidekreis allgegenwärtig“, sagt Klamet.
Hatte er am Sonnabendvormittag in einer ersten „Wasserstandmeldung“ von knapp 600 Einsatzstellen –„Stand 5 Uhr“ – gesprochen, so musste er diese Zahl im weiteren Verlauf deutlich nach oben korrigieren. Orkan Zeynep hat nach derzeitigem Kenntnisstand offiziell für über 750 Einsätze der Rettungskräfte im Landkreis gesorgt. In Wirklichkeit dürften es noch weitaus mehr sein, geht Klamet von einer „Dunkelziffer“ aus.

Die meisten dieser Einsätzewurden allein von Feuerwehrleuten gefahren, etliche aber auch mit der Polizei. 18 Verkehrsunfälle registrierten die Beamten im Verlauf der Orkannacht. Bei einem im Bereich Munster war ein mit zwei Personen besetztes Auto auf einem bereits gesperrten Streckenabschnitt unterwegs gewesen und gegen einen auf der Straße liegenden Baum geprallt. Welcher der beiden alkoholisierten Insassen am Steuer gesessen hatte, war bei der Unfallaufnahme noch unklar, so Rothardt: „Keiner der beiden will gefahren sein.“ Angesichts der extremen Umstände seien die Folgen für die Beteiligten mit einer leichtverletzten Person unter diesen Umständen erfreulich gering.

„Das Einsatzaufkommen in der Nacht war schon Wahnsinn“, resümiert Torben Friedrich, der Leiter der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle im Heidekreis. „Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier in der Leitstelle mussten eine wahre Flut von Notrufen bewältigen. Unsere Vorbereitungen, die maximale Anzahl von Disponenten in den Dienst zu rufen, haben sich ausgezahlt und die neu angeschaffte Technik zur Verteilung der Unwettereinsätze an die einzelnen kommunalen Einsatzleitungen hat hervorragend funktioniert“, so Friedrich weiter.

B 71 schneller wieder freigegeben als erwartet

Bis weit in den Sonnabendnachmittag hinein waren die ehrenamtlichen Einsatzkräfte unterwegs, um die Schäden zu beseitigen und Straßen wieder befahrbar zu machen. Unterstützt wurden sie dabei von Mitarbeitenden der Straßenmeistereien und zum Teil von örtlichen Landwirten, die mit großen Gerätschaften die Arbeiten oftmals enorm erleichterten. Dennoch waren auch am Sonntag einige weniger befahrene Abschnitte von Straßen sowie Fuß- und Radwege gesperrt. Sie werden in den kommenden Tagen geräumt. Bereits im Verlauf des Sonnabends konnte die Bundesstraße 71 wieder freigegeben werden. Weil in diesem waldreichen Abschnitt im Minutentakt, manchmal noch schneller, Bäume umstürzten, wurden die Aufräumarbeiten eingestellt, da es zu gefährlich für die eingesetzten Kräfte gewesen wäre war. Zunächst war sogar eine Sperrung bis zum Montag erwogen worden.

„Die Arbeiten bei starkem Sturm in der Nacht waren für die Einsatzkräfte wirklich gefährlich, glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt“, ist Kreisbrandmeister Thomas Ruß sehr zufrieden, wie die Herausforderungen der Sturmnacht gemeistert wurden. „Ich bin stolz auf das, was durch das Ehrenamt im Heidekreis geleistet werden kann, insbesondere auch im Hinblick auf den wegen der Pandemie eingeschränkten Ausbildungsdienst.“

„Alles in allem war diese Orkannacht für die Einsatzkräfte im Heidekreis sehr fordernd. Es gab kaum eine der 94 Feuerwehren im Landkreis,die nicht ausrücken musste war. Einzelne Wehren seien quasi über fast 16 Stunden im Dauereinsatz und die Aktiven somit nahe der völligen Erschöpfung gewesen, insbesondere da die meisten am Freitag ihrem normalen Berufsalltag nachgehen mussten“, pflichtet der Feuerwehrsprecher seinem Chef bei, nennt aber auch positive Erkenntnisse: „Die Dankbarkeit in der Bevölkerung war deutlich zu spüren.“ Vielerorts hätten die Helferinnen und Helfer guten Zuspruch der Bevölkerung erfahren, oder erhielten von Restaurants, Einzelhändlern oder Privatpersonen Essen, Süßigkeiten oder Kaffee gesponsert, um zwischendrin etwas Energie zu tanken. Nun hoffen alle, dass angekündigte weitere Stürme nicht ganz so dramatische Auswirkungen haben werden. Der nächste – „Antonia“ – ist bereits für den heutigen Montag angekündigt.