Wasserstofftechnik läutet Ende der Dieselära ein

Wenn in einigen Monaten die Eisenbahn- und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (evb) in Bremervörde die ersten Coradia I-Lint-Serienzüge in Betrieb nehmen, läutet das das Ende der Dieselära des regionalen Verkehrsunternehmens ein. Sukzessive sollen im Verlauf des Jahres 14 Triebzüge des Herstellers Alston die Diesel-Fahrzeugflotte ersetzen.

Das Besondere: Der Coradia ist laut dem zukünftigen Nutzer weltweit der erste im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) eingesetzte Personenzug, der mit einer Wasserstoffbrennzelle betrieben wird. Der komplett emissionsfreie Zug sei geräuscharm und gebe lediglich Wasserdampf und Kondenswasser in die Umwelt ab, verspricht der Hersteller.

180000 Kilometer an 530 Testtagen

Die Umstellung auf ein komplett neues Antriebssystem mit neuer Technik ist nicht ohne Risiken. Vorausgegangen ist deshalb ein umfangreicher Testbetrieb, um mögliche Schwachstellen zu ermitteln. Von September 2018 bis zum Frühjahr 2020 waren zwei Vorserienzüge der georderten Modellreihe im Fahrgastbetrieb unterwegs und legten an 530 Tagen mehr als 180 000 Kilometer ohne größere Störungen zurück.

Zum Einsatz kamen die beiden Prototypen auf der Regionalbahnstrecke 33 Cuxhaven – Bremerhaven – Bremervörde – Buxtehude. Dort sollen auch ihre Nachfolger verkehren. Der Paradigmenwechsel hat seinen Preis: Mehr als 81 Millionen Euro kostet die Anschaffung der 14 Wasserstoff-Schienenfahrzeuge. Die muss aber nicht das Unternehmen aufbringen. Das Geld kommt von der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), die das Projekt ausgeschrieben und dem Bremervörder Bieter den Zuschlag erteilt hatte.

LNVG-Geschäftsführerin Carmen Schwabl sieht darin einen Beitrag zu einem nachhaltig und ökologisch orientierten SPNV. Das Fahrzeug wurde für den Einsatz auf nichtelektrifizierten Strecken entwickelt, um einen sauberen und nachhaltigen Zugbetrieb unter Beibehaltung einer hohen Leistung zu ermöglichen. Das Fahrverhalten eines Brennstoffzellenzugs unterscheide sich kaum von dem eines Dieselfahrzeugs. Ein Kilogramm Wasserstoff ersetzt ungefähr 4,5 Liter Dieselkraftstoff.

Wasserstofftankstelle ist praktisch betriebsbereit

Die für den Betrieb der Brennstoffzellenzüge erforderliche Infrastruktur wird durch eine weitere Premiere sichergestellt. Die von der Firma Linde gebaute erste Wasserstofftankstelle für Personenzüge auf dem Betriebsgelände „ist praktisch betriebsbereit“, so evb-Sprecherin Andrea Stein. Die Anlage hat eine Tageskapazität von etwa 1600 Kilogramm Wasserstoff.

Ohne Emissionen auf den Schienen im Elbe-Weser-Dreieck unterwegs: Ein Prototyp des Coradia iLint mit Wasserstoffantrieb während des Probebetriebs über 350 Tage.