Tiefe Geothermie: Neue Dynamik für Projekt in Munster

Der Geschäftsführer der Stadtwerke Munster-Bispingen, Jan Niemann, fühlt frischen Wind in dem Munsteraner Geothermieprojekt. Foto: bk

Im Kontext zur russische Invasion in die Ukraine und den damit verbundenen Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland hat die Tiefe Geothermie erneut an Bedeutung gewonnen. Erst Ende April hat der Rat der Stadt Munster die Wärmewende für die Örtzestadt als Leitziel ausgegeben, indem er die Stadtverwaltung beauftragt hat, einen Energiemanager für die kommunale Wärmeplanung einzustellen. „Die Wärmewende ist jetzt politisch gewollt“, bringt es Stadtwerke-Geschäftsführer Jan Niemann auf den Punkt. Und auch große Investoren seien aufmerksam geworden auf das Projekt und wollten einsteigen. Das sei der richtige Auftrieb für das Geothermieprojekt, freut sich Niemann. Für eine entsprechende Aufmerksamkeit habe auch die Böhme-Zeitung mit ihrer das Projekt begleitenden Berichterstattung gesorgt. War bisher nur die Bundeswehr als potenzieller Abnehmer für die Erdwärme im Gespräch, könnte sukzessive die Kernstadt in weiten Teilen mit versorgt werden. Langfristig müssten dafür die Wärmenetze von der Bohrung Munster Südwest Z3 in die Stadt und dann unterirdisch in die Quartiere geführt werden. Die Leitungssysteme seien inzwischen so ausgereift, erklärt Niemann, dass da auch keine großen Wärmeverluste mehr zu verzeichnen seien.

Verfüllung der wertvollen Erdgasbohrung droht

Doch bevor Munster ein Wärmenetz planen kann, sind noch ein paar Pflöcke einzuschlagen. Der Besitzer der Bohrung, das Erdgasförderunternehmen Exxon-Mobil bereitet nämlich die Bohrung für die Verfüllung vor. Zur Erschließung der Bohrung ist das Unternehmen verpflichtet, wenn die Bohrung ausgefördert ist. Genau das möchten die Stadtwerke durch die Nachnutzung allerdings verhindern. „Als die danebenliegende Bohrung Südwest Z 2 im heißen Thermalwasser abgesoffen ist, hat man sie auch verfüllt“, weist Niemann auf den Kostenvorteil einer vorhandenen Bohrung hin. Denn eine einzelne Bohrung kostet bis zu 20 Millionen Euro bei der Herstellung. Für die sogenannte Dublette benötigt man zwei Bohrungen, um das Thermalwasser im geschlossenen Kreislauf wieder unter Tage bringen zu können, sodass der Druck im Untergrund gleichbleibend stabil ist.

Doch noch sei nichts verloren, erklärt Niemann. Denn bei der Vorbereitung der Bohrung zur Verfüllung müsse Exxon-Mobil noch einen Test durchführen, der aktuelle Daten aus dem Untergrund liefere. „Das müssten wir sowieso machen“, erklärt Niemann. Dieser Test werde im ersten Quartal 2023 durchgeführt. Stimme die gute Datenlage dann weiterhin, wollen die Stadtwerke die Bohrung übernehmen, um das Geothermieprojekt zu realisieren. Nach der Übernahme der Bohrung würde man diese noch einige Meter weiter abteufen, dann die zweite Bohrung ins Erdreich bringen und abschließend die Geothermieanlage installieren.

Der einstimmige Beschluss des niedersächsischen Landtags von 2014, der das Geothermievorhaben in Munster zum Pilotprojekt erhob, liegt zwar schon einige Jahre zurück. Doch aktuell springen Unternehmen der Privatwirtschaft auf das Projekt an. „Es sind gleich mehrere Investoren auf das Projekt aufmerksam geworden“, verweist Niemann unter anderem auf eine gewisse Wirkung der Berichterstattung in der Böhme-Zeitung zu dem Thema. Die bisher interessierten Investoren bringen laut Niemann dafür nicht nur das nötige Geld, sondern auch die Expertise mit.

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete und der Umweltminister des Landes, Olaf Lies (SPD), bemühten sich spürbar, um das Projekt mit voranzubringen. Und der niedersächsische Wirtschaftsminister? Mit Dr. Bernd Althusmann (CDU) sei man zwar viel im Gespräch gewesen, „aber die Seite ist voll abgetaucht“. Bei den Christdemokraten zeige sich zwar Dr. Karl-Ludwig von Danwitz engagiert, aber bei den Sozialdemokraten laufe es zurzeit besser. Es sei allerdings auch von Vorteil, dass der Parteivorsitzende Klingbeil das Projekt schon aus seiner Zeit als Aufsichtsratsmitglied der Stadtwerke kenne.

Mehrheitsanteile für Investoren eröffnen Zugang zu Fördermitteln

Die privatwirtschaftliche Aufstellung soll nun den nächsten Schub geben. Mit einem deutschen Unternehmen, das über eine große thematische Expertise verfüge, sei man in den Verhandlungen schon relativ weit. Weitere Interessenten gebe es aus Finnland und Österreich. Besonders engagiert zeige sich darüber hinaus ein niederländischer Investor. „Dem kann es gar nicht schnell genug gehen“, freut sich Niemann über die neue Dynamik bei dem Projekt. Die Investoren böten gegen eine 51- bis 75-prozentige Beteiligung ihre Co-Finanzierung und Expertise an. „Der Vorteil liegt in der erleichterten Ausgangssituation für Fördergelder“, weist Niemann auf die Hemmnisse in der niedersächsischen Rechtslage zur Förderung kommunaler Unternehmen hin. Doch neben einem Großinvestor will Niemann auch die Bürger ins Projekt bekommen. „Wir haben hier vollen Rückhalt,“ Das will Niemann den Bürgern durch eine bürgerschaftlichen Beteiligung zurückgeben. Am liebsten über ein sogenanntes Crowdfunding. Die DBK-Bank ist da relativ gut aufgestellt. Für den Bürger sei das insoweit von Vorteil, weil man bessere Zinsen anbieten könne, als derweil bei gängigen Sparanlagen zu erzielen seien. Im ersten Quartal 2023 wird der letzte Test durchgeführt - dann wollen die Stadtwerke die ehemalige Erdgasförder-Bohrung Munster Südwest Z3 von Exxon-Mobil übernehmen.

Neuer Studiengang wegen Energiewende

Das Thema Geothermie und Erneuerbare spiegelt sich auch im Ausbau der Wissenschaft wider: Die Energiewende als langfristiger Transformationsprozess hat zur Einführung eines neuen Studiengangs geführt. An der Technischen Universität (TU) Clausthal können angehende Studentinnen und Studenten ab dem Wintersemester Geo-Energy Systems bis zum Bachelor-Abschluss studieren. Die Studenten werden in sechs Semestern praxis- und lösungsorientiert ausgebildet, effiziente Prozesse für den Umgang mit endlichen Ressourcen zu entwickeln. Dabei gilt es beispielsweise bei dem sogenannten grünen Wasserstoff in der Geothermie und beim Erdgas bestehende Verfahren zu optimieren und innovative Technologien zu initiieren.