Niemals ohne Trabi

Gemütlich durch die Gegend tuckern: Jacquline, Luc und Maik Hermann sind echte Fans von Trabant,  Wartburg, aber auch vielen anderen Produkten aus der ehemaligen DDR. Die seien unverwüstlich, finden sie. Foto: at

Von wegen Pappe. Maik Hermann hört abfällige Bemerkungen über sein Lieblingsauto zwar nicht häufig, setzt denen aber gerne etwas entgegen. Dann legt der Soltauer publikumswirksam ein ausgemustertes Exemplar auf die Seite und zeigt: Auch ein Trabant kann rosten. „Und wie!“, bedauert Hermann dann aber auch.

Gleichwohl wächst die Faszination für das zum Großteil aus einer Kunststoffkarosserie bestehende Kultautor aus Zwickau in diesen Zeiten stetig an. Auf Deutschlands Straßen rollen wieder mehr DDR-Autos vom Typ Trabant und Wartburg, meldete kürzlich das Kraftfahrtbundesamt. Seit Jahren steigt die Zahl, obwohl beide Fahrzeuge seit mehr als 30 Jahren nicht mehr produziert werden.

Fast 40000 Trabant fahren auf den Straßen

Laut dpa sind zum 1. Januar vergangenen Jahres in Deutschland genau 39342 Trabant zugelassen gewesen. Mehr als 10000 sind demnach allein in Sachsen unterwegs – so viele wie nirgendwo sonst in Deutschland. Platz zwei mit etwa 6400 Trabis belegt Brandenburg, auf Platz drei ist Thüringen, dort rollen rund 5700.

In Niedersachsen dürften es weniger sein. Wie viel Trabis es genau im Heidekreis sind, konnte der Landkreis in den letzten Tagen nicht ermitteln. Aber dennoch, Maik Hermann und seine Frau Jacqueline sind sich sicher, auch in der Region fahren mehr Trabis auf den Straßen als noch vor Jahren.

Die Nachfrage sei hoch, das zeige ein Blick auf die Preisentwicklung. Waren vor zehn Jahren Trabis der Baureihe 601 noch für 1000 Euro zu haben, müsste man heute 5000 Euro und mehr berappen. Auch die Coronazeiten hätten Schub gegeben, viele hätten ihr Geld nicht in Urlaub, sondern in alte Autos investiert – in Ente, Käfer oder Trabi.

Zum Boom der ehemaligen DDR-Fahrzeuge trägt aber auch Familie Herrmann selbst bei. 40 Autos, Wohnanhänger, Mopeds und Motorräder der Marken Simson oder MZ parken außerhalb Soltaus gut untergestellt in einer Halle. Viele dienen als Ersatzteillager, einige warten darauf, instand gesetzt zu werden.

Ein Oldtimer muss gepflegt werden: Jacqueline und Luc Hermann waschen den Trabant P60, Baujahr 1964. 

"Unsere blau-weiße Murmel"

Fünf Fahrzeuge haben die Hermanns zurzeit angemeldet. Darunter einen kürzlich erworbenen Wohnanhänger – Marke Eigenbau mit ebenso viel DDR-Geschichte – und zwei Trabant mit roten Kennzeichen, die sie als historisch ausweisen: Ein gelbes Cabrio, genauer ein Trabi-Kübel, Baujahr 1965, und ein sogenannter Kugelporsche, ein Trabant P60, Baujahr 1964, „unsere blau-weiße Murmel“, grinst Hermann. Einen papyrusweißen Trabant-Kombi fährt Jacqueline Hermann.

Die Faszination für die Ostfahrzeuge hat den heute 40-Jährigen zu Ausbildungszeiten mit 16, 17 Jahren gepackt. Schon da hatte der Industriemechaniker erst einen, zwei und dann drei Trabis.

Abzusehen war die Liebhaberei nicht, gibt Hermann zu. Schließlich ist seine Familie kurz vor der Wende von Magdeburg über die damalige Tschechei in den Westen geflohen und nach Soltau gekommen. Vielleicht sei es auch der Trotz gegen die Eltern gewesen, der ihn zu einem Fan alter Ost-Fahrzeuge hat werden lassen.

Angesteckt hat er mit seiner Leidenschaft seine Frau Jacqueline. Schon 2001, 2002 pendelten sie gemeinsam durch die Gegend und „haben alle angequatscht“ nach Trabis. 120 Autos hätten sie in mehr als 20 Jahren ausgeschlachtet.

„Immer für den Eigengebrauch. Wir haben festgestellt, dass wir niemals wieder ohne Trabi sein wollen“, nicken sich die Eheleute zu, während die nächste Generation wissend in der Mitte sitzt. Zehn Jahre ist Sohn Luc und immer dabei, wenn Mama und Papa ihre Autos gemütlich über die Straße lenken, aber auch reparieren.

Unkompliziert, leicht und viel Kontakt

Der Trabant sei unkompliziert, leicht, hänge im Harz im Winter auch mal die Großen ab. Mit ihm lasse sich leicht ein Parkplatz finden, genauso wie Kontakt, weil viele Menschen dann doch neugierig seien. Und man mag es nicht glauben: „Wir kriegen alles rein“, sagt die 37-Jährige, allerdings mit Abstrichen: Als Luc noch klein war, hätte sie aus Bequemlichkeits- und Sicherheitsgründen lieber den viertürigen Wartburg genutzt.

Familie Hermann ist weit über Soltau hinaus bekannt, ist aktives Mitglied bei den Trabant- und IFA-Freunden Nord-Süd und anderen Oldtimerklubs. Sie fahren regelmäßig zu Fantreffen. Man kenne sich. So werden sie angerufen, wenn überwucherte alte Fahrzeuge gefunden und gerettet werden müssen oder alte Werkstätten aufgegeben werden, in denen passende Ersatzteile zu finden sind.

Überhaupt Ersatzteile. Für den Trabanten 601 kein Problem, sogar noch fabrikneue Technik nachzubestellen. Problematischer sei es, die mit VW-Motor kurz vor und nach der Wende ausgerüsteten Wartburg und Trabant zu reparieren. Da gehe viel kaputt und sei schlecht zu ersetzen.

Obwohl es mittlerweile unzählige Reparaturvideos auf YouTube gibt, ist Maik Hermann mit seinen speziellen Fahrzeugkenntnissen gern und viel gefragt. Vom Hobby- ins Profifach wechseln will er nicht: Denn dann, da ist er sich sicher, gehe der Spaß verloren. Jetzt kümmere er sich um Wartburg oder Trabi von wirklich guten Bekannten.

Weihnachtstrabi

Zeit hat Familie Hermann Ende vergangenen Jahres aber gefunden, eines ihrer nicht mehr fahrtüchtigen Autos nach Soltau zu holen und auf dem eigenen Grundstück weihnachtlich zu schmücken. Es gibt wohl in Soltau niemanden, der den beleuchteten Trabi mit dem Weihnachtsmann am Steuer an der Hermann-Billung-Schule nicht kennt.

Und dann fällt Jacqueline Hermann noch ein weiterer Grund dafür ein, warum Trabis noch lange nicht von den Straßen verschwinden werden. „Sie fühlen sich nicht wohl, wenn sie alleine sind“, grinst sie. Wer solch ein Auto hat, brauche Ersatzteile und suche daher meist weitere Fahrzeuge. Da treibe die Sammelleidenschaft die Preise hoch. Wie viele entdeckte und unentdeckte Fahrzeuge es in Deutschland noch geben könnte, da muss aber auch Kennerfamilie passen.

Genügend Platz gibt es auch im kleinsten Auto. Foto: at

Drei Millionen Fahrzeuge produziert

Der erste Trabant lief am 7. November 1957 vom Band des VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau. Die Produktion wurde 1991 gestoppt, produziert wurden ingesamt gut drei Millionen Fahrzeuge.

Das dritte Modell, der Trabant 601, war zwischen 1964 und 1990 das meist gebaute, es hatte einen Zweitaktmotor. Die Kunden in der DDR warteten bis zu 15 Jahre auf ein bestelltes Auto. Der Trabant hat viele Spitznamen wie das abgekürzte Trabi, sondern auch Plastebomber oder Rennpappe.

Dabei besteht das Karosseriegerippe aus Stahlblech, die Karosserie aus Duroplast, einem Kunststoff, der aus einem Gemisch aus Baumwollfasern und Kunstharz besteht. Hermann passen.

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