Jung und Alt lernen voneinander

Jason erklärt Josef Domnick im Internetcafé im Mehrgenerationenhaus, wie er den Dienst Google-Maps nutzt. Im Internetcafé lernen Senioren, wie man mit Handy und Co. umgeht. Die Schüler erfahren, wie es ist in der Lehrerrolle und geduldig zu sein. Foto: js

Den Weg mithilfe von Google Maps finden, Fotos über Messengerdienste verschicken, Videoanrufe machen – für Jugendliche ist all das heute eine Selbstverständlichkeit. Für ältere Menschen, die nicht mit der digitalen Welt aufgewachsen sind, können die vermeintlich einfachen Handgriffe aber eine Herausforderung sein. Das Projekt „Senioren ans Netz“ der KGS Schneverdingen und des Mehrgenerationenhaus Schneverdingen bringt deshalb Jugendliche und Senioren zusammen. Schülerinnen und Schüler helfen bei Fragen rund um Handy, PC und Internet.

„Senioren ans Netz“ läuft über die Schülerfirma der Schule „KGS Works“, die Schüler, die sich bei dem Projekt engagieren, arbeiten in der Abteilung „50+“. Die Schülerfirma bietet den Schülern des zehnten Jahrgangs von Haupt- und Realschule wirtschaftsnahen Unterricht. Über „Senioren ans Netz“ bieten die Schüler Hilfe für Senioren in zwei Formaten an: einem Internetcafé und in einem festen Kurs.

Schüler helfen den Älteren gerne

Beide Formate laufen gleichzeitig am Donnerstagvormittag. Die Angebote unterscheiden sich dadurch, dass es im Kurs eine feste Teilnehmergruppe gibt, die sich sechs bis sieben Mal trifft. Im Internetcafe kann dagegen jeder vorbeikommen und auch nur eine kurze Frage mitbringen oder etwas Bestimmtes nachfragen, was die Schüler mit den Senioren dann noch einmal üben.

Das Projekt läuft schon über zehn Jahre. Das Internetcafé mit Schülern musste aber einige Zeit aussetzen, weil es coronabedingt nicht möglich war, einen solchen offenen Treffpunkte anzubieten. Das Kurssystem lief in dieser Zeit weiter. In diesem Schuljahr ist das Internetcafé wieder neu gestartet. Neben dem Kurs mit den Schülern als Lehrer und dem Internetcafé gibt es noch ein weiteres Caféformat mit dem Experten Hans-Hermann Oetjens, der dienstags bei Problemen mit Handy oder PC hilft.

Wir fangen ganz von vorne an und erklären alles Schritt für Schritt
— Angelina, Schülerin

An diesem Vormittag arbeiten die Schülerinnen Angelina und Talissa im Mehrgenerationenhaus im Internetcafé. Beiden gefällt der Gedanke, mit der Arbeit in der Schülerfirma anderen helfen zu können: „Mir gefällt die Arbeit mit älteren Menschen und ich finde es gut, dass man hier Menschen helfen kann“, sagt Talissa. „Ich finde alle Abteilungen interessant, aber hier hat mir gefallen, etwas außerhalb der Schule zu machen und Leuten helfen zu können“, meint Angelina. Bei der Arbeit mit den Senioren gebe es Fragen, die immer wieder auftauchen, erzählen die Schülerinnen. Zum Beispiel würden sie oft gefragt, wie das Löschen von Fotos, Sprachnachrichten oder Messengerdienste wie Whats-App funktionierten. Dinge, die für die Schülerinnen selbstverständlich sind. Darauf, dass das Erklären trotzdem klappt und sie nicht zu schnell für ihre Schüler sind, achten die Jugendlichen. „Wir fangen ganz von vorne an und erklären alles Schritt für Schritt“, sagt Angelina. „Oft beraten wir auch zu zweit und dann merkt der jeweils andere, wenn es doch mal zu schnell gehen sollte“, ergänzt Talissa. Die Zusammenarbeit zwischen den Jugendlichen als Lehrern und den Senioren als Schülern klappe gut, es sei sehr selten, dass jemand die Hilfestellungen der Schüler nicht befolgen möchte.

Schüler können Perspektive der Senioren nachvollziehen

Auch im privaten Umfeld sind die Schülerinnen als Lehrerinnen gefragt: „Meine Oma fragt mich schon ab und zu, wie etwas am Handy funktioniert. Das hat sie allerdings auch schon vorher gemacht“, sagt Talissa. Die Arbeit mit den Senioren hilft den Schülerinnen, besser nachvollziehen zu können, wenn Ältere sonst im Alltag mit digitalen Medien etwas länger brauchen. „Wir kennen das ja von Anfang an. Wer älter ist und das alles erst lernt, dem fällt es zum Beispiel auch schwerer, sich zu erinnern und braucht dann noch einmal Hilfe“, sagt Angelina. Aber nicht nur die Senioren lernen von den Schülern, das funktioniert auch umgekehrt. Im Internetcafé kommen Schüler und Senioren ins Gespräch. „Ich finde es spannend, wenn uns die Gäste Geschichten aus ihrem Leben erzählen“, sagt Talissa.

Auch Lehrerin Alexa von Bargen sieht Lerneffekte auf der Seite der Schüler: „Sie lernen geduldig zu sein. Für die Schüler ist es ein Perspektivwechsel, sie schlüpfen in die Rolle des Lehrers und sehen dabei auch wie schwierig das sein kann.“

Die Abteilung „50+“ ist eine von mehreren Abteilungen der Schülerfirma. Die Schüler der zehnten Klassen des Haupt- und Realschulzweigs müssen für die Abteilung ihrer Wahl eine Bewerbung mit Lebenslauf schreiben. Dieses Jahr sei das Interesse für die Arbeit im Internetcafé und im Kurs besonders groß gewesen, berichtet von Bargen.

Bevor die Jugendlichen auf ihre Schüler treffen, gibt es eine Vorbereitungszeit, in der unter anderem abgefragt wird, wer sich womit besonders gut auskennt. Wenn die Schüler mal nicht weiter wissen, unterstützt sie der ehrenamtliche Experte Oetjens. Sie lernen in der Vorbereitungszeit außerdem, welche besonderen Gefahren für Senioren im Internet lauern und werden auf ihre Lehrerrolle vorbereitet. „Wir sagen ihnen zum Beispiel, dass es normal ist, wenn sie jede Woche dasselbe erklären müssen und dass das Internetcafé genau für solche Fragen da ist“, sagt von Bargen.

Arbeit im Internetcafé kann bei der Berufswahl helfen

Die neue Rolle würden die Schüler aber von selbst gut annehmen. Es sei spannend zu beobachten, wie die Schüler in ihrer Arbeit mit den Senioren über sich hinauswachsen, sagt die Lehrerin und erzählt von einer Schülerin, die viel und oft Unterricht geschwänzt hätte, im Internetcafé aber verlässlich dabei gewesen sei. Im besten Fall helfe die Arbeit im Internetcafé oder im Kurs den Schülern bei der Berufswahl. Einige Schüler planen nach dem Abschluss im Bereich der Informatik zu arbeiten oder haben dort schon eine Ausbildung begonnen. Aber auch wer sich für den Bereich der Altenpflege interessiert, kann die Arbeit mit den Senioren helfen, herauszufinden, ob das etwas für ihn ist.

Josef Domnick hat sich von Jason an diesem Vormittag erklären lassen, wie Google-Maps funktioniert und wo die Taschenlampe am Handy zu finden ist. „Wir haben uns gerade darüber ausgetauscht, wie wichtig es sein kann, dass Handy dabei zu haben“, sagt Domnick. Er hat dem Schüler von einer Begebenheit erzählt, bei dem er die Navigation übers Handy auf dem Rückweg von einem Waldspaziergang gut hätte gebrauchen können. „Jason hat zu mir gesagt: ‚Wenn Sie den Weg über Google-Maps gesucht hätten, hätte das ein paar Klicks gebraucht und Sie wären schneller zu Hause gewesen‘.“ Damit das beim nächsten Mal klappt und Domnick dann weiß, wie er mit Google-Maps umgehen muss, hat Jason sich Zeit genommen. „Ich achte beim Erklären darauf, das so einfach wie möglich zu machen. Mir macht die Arbeit mit älteren Menschen Spaß und ich unterhalte mich gerne mit ihnen.“

Viele sind auch im hohen Alter online

Anders als es oft vermutet wird, sind auch viele Ältere online. So nutzen 37 Prozent der Personen ab 80 Jahren in Deutschland das Internet, in der Gesamtbevölkerung sind es 88 Prozent. 57 Prozent der ab 80-jährigen mit Internetzugang ist sogar täglich online. In der Altersgruppe ab 80 Jahren nutzen 52 Prozent der Männer das Internet, bei den Frauen der gleichen Altersgruppe sind es nur 29 Prozent. Während die Mehrheit der hochgebildeten (59 Prozent) und einkommensstarken (67 Prozent) Älteren online ist, sind es bei den Niedriggebildeten nur 16 und bei den Einkommensschwachen 22 Prozent. Stereotype über die Einstellung älterer Menschen zu moderner Technik wurden durch die Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nicht bestätigt: Ein Drittel der ab 80-Jährigen ist moderner Technik negativ gegenüber eingestellt, etwa gleich viele sind jedoch aufgeschlossen und interessieren sich für moderne Technik und sehen Vorteile in ihr.

Kurse

Internet-Café: Einzelberatung, dienstags, 9 und 10.30 Uhr mit Terminvereinbarung. Hans-Hermann Oetjens bietet in Einzelterminen Hilfe bei Fragen rund um Handy und PC an. In den Schulferien sowie ab Mai findet die Einzelberatung auch am Donnerstag statt.

Internet-Café mit Schülern: donnerstags, 10 bis 12 Uhr, ohne Terminvereinbarung, Schülerinnen und Schüler der KGS Schneverdingen beantworten auch kurze Fragen oder üben mit den Gästen.

Computerkurse „Senioren ans Netz“: für Menschen ab 50 Jahren, donnerstags, 10 bis 12 Uhr, es wird ein Kostenbeitrag erhoben, 12 Schüler unterrichten 12 Senioren in den Grundlagen des World Wide Web. Der nächste Kurs startet am 14. Dezember, ein weiterer am 22. Februar.

Kontakt Mehrgenerationenhaus Schneverdingen, Osterwaldweg 9: (0 51 93) 9 76 98 89 oder per E-Mail an info@mgh-schneverdingen.de. Weitere Informationen unter mgh-schneverdingen.de.

Janika Schönbach