Dank Nahwärme kein Bammel vor der Heizkostenabrechnung

100 000 Kubikmeter beträgt das Fassungsvermögen des intern auch als „Rakete“ bezeichneten Pufferspeichers am Brochdorfer Ortsrand.

Wenn in diesen Wochen der Brief vom örtlichen Versorger oder vom Vermieter mit der Heizkostenabrechnung und dem neu zu zahlenden Abschlag ins Haus kommt, befällt viele Verbraucher ein Unwohlsein. Da konnten die Brochdorfer entspannter sein. Sie wussten, was sie 2022 bezahlen müssen: 5,6 Cent netto pro Kilowattstunde Wärme. In diesem Jahr sind es 6,25 Cent. Das ist immer noch sehr günstig für die Menschen in der Neuenkirchener Ortschaft. Sie sind Mitglieder einer Genossenschaft, die das Dorf seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts über ein dezentrales Nahwärmenetz günstig und nachhaltig mit regenerativ erzeugter Heizenergie versorgt.

„Damals ging es vor allem um den Preis.“ Das sei auch heute ein wichtiger Aspekt, sagt FriedrichWilhelm Baden. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine habe das Thema Versorgungssicherheit einen deutich höheren Stellenwert bekom- men. Baden leitet den Aufsichtsrat der Genossenschaft, zu dem außerdem Hans-Heinrich Delventhal und Hans-Hermann Bölter gehören. Wolfgang Bölter und Arndt Baden bilden den Vorstand.

Es gibt mehrere Nahwärmenetze im Heidekreis in unterschiedlichen Rechtsformen. In Brochdorf hat man sich für eine Genossenschaft entschieden, wobei Badens beruflicher Hintergrund eine Rolle gespielt haben dürfte. Der 63-Jährige ist Vorstandssprecher einer Volksbank in Sachsen-Anhalt, kennt sich aus im Genossenschaftsrecht. Anfang der 1990er-Jahre wechselte er beruflich in das östliche Bundesland und pendelt seitdem zwischen Magdeburger Börde und Lüneburger Heide.

Die Kontrolle, die Übersicht über Kosten, Gewinne und Verluste ist wichtig, schließlich wur- de und wird in der Genossen- schaft viel Geld bewegt. 1,3 Millionen Euro kostete der Aufbau der Infrastruktur mit einem drei Kilometer Leitungsnetz. Das Interesse mitzumachen sei groß gewesen. Doch viele mussten überzeugt werden, dass es nicht nur theoretisch funktionieren würde, wie in einer Machbarkeitsstudie dargestellt. Geld in die Hand nehmen musste man auch, 3000 Euro je Haushalt. Die Hälfte in Form von drei Genossenschaftsanteilen à 500 Euro und 1500 Euro für den in jedem Haus angebrachten Wärmetauscher. Dort wird mit Energie aus einer Biogasanlage und bei Bedarf einer Holzhackschnitzelheizung erhitztes Wasser in die Haushalte abgegeben.

Die Werber, ein Kern von zehn Leuten, haben gute Überzeugungsarbeit geleistet. „Ab einer Zahl von 33 Mitgliedern hätte es sich betriebswirtschaftlich gerechnet.“ Knapp 40 Haushalte waren bei der Genossenschaftsgründung 2014 dabei. Heute sind es 47 Mitglieder. Laut Baden eine Anschlussquote über 90 Prozent. Demnächst sollen es noch einmal deutlich mehr werden.

Wasser kommt mit 70 Grad in die Haushalte

Mit einer Temperatur von 80 Grad wird das mit Energie aus einer Biogasanlage und bei Bedarf zusätzlich aus einer Holzhackschnitzelheizung erhitzte Wasser durch das in Brochdorf verlegte Nahwärmenetz zu den Mitgliedern der Wärmegenossenschaft geleitet. Über einen Wärmetauscher wird es etwa 70 Grad heiß in die Haushalte abgegeben, wo es für warme Stuben und Duschen sorgt. Mit dann deutlich niedrigerer Temperatur fließt es zurück zur Anlage und wird, zuvor gereinigt von Verschmutzungen, wieder in den Wärmekreislauf eingespeist.