Hoffnung auf friedlichen Verlauf erfüllt sich

Mit weiteren Kolleginnen und Kolleginnen regelt diese Polizistin am Montagvormittag während der Landwirte-Kundgebung mit Schleppern den Verkehr auf der Soltauer Kreuzung Krauls Eck. Foto: vo 

„Sie sind jetzt durch“, rief am gestrigen Montag um 10.31 Uhr eine Beamtin der Polizeiinspektion Heidekreis ihrer Kollegin zu, die auf der zentralen Kreuzung Krauls Eck den Verkehr regelte. Da hatten in der zurückliegenden Dreiviertelstunde etwa 300 Traktoren sowie einige weitere Fahrzeuge, Lastwagen von mit der Landwirtschaft verbundenen Branchen sowie auch von Speditionen über die Celler Straße die Soltauer Innenstadt erreicht und über die Lüneburger Straße wieder verlassen.

Doch die Meldung war etwas verfrüht. Bis zum Nachmittag kamen immer wieder Nachzügler in die Innenstadt, durchquerten sie meist laut hupend, teilweise auch mit eingeschaltetem orangefarbenen Blinklicht.

Soltau war einer von zwei Schwerpunkten der Landwirte-Kundgebungen im Heidekreis gegen die Sparbeschlüsse der Bundesregierung. Federführend war hier der Landvolkverband des Landkreises Celle. Etwa 220 Traktoren waren in Bergen gestartet. Unterwegs schlossen sich weitere dem Korso an, der über Munster und von dort über Faßberg und Müden/Örtze in den Nachbarkreis zurückfuhr. Eine von den Landvolk-Bezirksverbänden des südlichen Kreisgebiets organisierte „Schlepper-Bewegungsfahrt“ mit einer Länge von fünf Kilometern führte zudem von Dorfmark/Riepe über Bad Fallingbostel nach Walsrode. Da sorgten ebenfalls um die 220 Traktoren für erhebliche Verkehrsbehinderung – in der Walsroder Innenstand zeitweise für Stillstand.

Ob diese und Hunderte weitere bundesweite Aktionen, zu denen der Bauernverband ausgerufen hatte, auch den erhofften Erfolg hat – die Rücknahme aller die Landwirtschaft betreffenden Sparbeschlüsse der Bundesregierung insbesondere den Verzicht auf Kürzung der Agrardiesel-Subvention? Dazu sei es noch zu früh, sagt Henrik Rump. „Wir wollen mit der Politik im Gespräch bleiben.“ Erfreulich und wichtig aus Landvolksicht sei erst einmal, dass „alles gesittet und diszipliniert“ abgelaufen sei – „wie wir es geplant und auch gehofft haben“, betonte der Vorsitzende des Landvolk-Kreisverbands Lüneburger Heide auf der Rückfahrt in das vom Hochwasser gebeutelte Aller-Leine-Tal.

Rumps Einschätzung teilt Tarek Gibbah. Ein Fazit des Tages wollte der Sprecher der Polizeiinspektion Heidekreis bis zum Redaktionsschluss jedoch nicht ziehen. Denn die morgendlichen „Schlepper-Bewegungsfahrten“ mit Tempo 30 war nur der erste Teil des Bauernprotests. Der zweite – mit komplettem Stillstand – folgte am Nachmittag. Bis in die Abendstunden parkten Landwirte ihre Traktoren an und auf 22 Brücken über die Autobahnen 7 und 27. Man werde nicht mit den Zugmaschinen die Autobahnen befahren, hieß es vom Landvolk, sondern lediglich die Lichter einschalten, „damit man uns sehen kann“.

Die Reaktionen reichen von „Schwachsinn“ bis Beifall

Das Spektrum der Reaktionen auf die Landwirte-Protestkundgebung bei den Passanten ist breit gestreut. „Schwachsinn und unnütz“ findet ein älterer Fahrradfahrer den Traktorenkorso, der sich durch Soltau bewegt. Zu hören ist auch die Aussage, dass „die Bauern lieber ganz ruhig“ sein sollten, „weil die doch schon so viele Subventionen und Agrarförderung bekommen“. Eine Frau sagt, dass sie das Anliegen der Landwirte durchaus verstehen könne, findet aber, dass die Bundesregierung den Landwirten mit der Rücknahme einer Kfz-Steuererhebung für Zugmaschinen schon sehr entgegen gekommen sei. „Das sollten sie nicht mehr ausreizen, das könnte sonst gefährlich werden, alle müssen doch Opfer bringen“ – so ihre Meinung, die komplett im Widerspruch zu den an den Traktoren befestigten Transparenten steht. Da ist neben pauschaler Kritik wie „Die Ampel muss weg“ oder „Zieht der Ampel den Stecker raus“ immer wieder die Forderung nach Beibehaltung der Agrardiesel-Subventionierung im jetzigen Umfang zu lesen, aber auch eher Plattes, zum Beispiel „Beiß’ nicht die Hand, die Dich füttert.“

Es sind am Straßenrand auch positive Meinungsbekundungen zu hören und zu sehen: hochgestreckte Daumen, von einigen Passanten auch demonstratives Beifallklatschen. „Überhaupt nicht“, sagt ein Lkw-Fahrer auf die Frage, ob ihn der Protest und die sich dadurch ergebenden Verzögerungen stören würden. Vielmehr würde sich der Trucker mit seinem großen Sattelzug von der Winsener Straße kommend am liebsten gleich nach links in den Korso einreihen. Das unterbindet jedoch eine auf der Kreuzung postierte Polizistin mit energischen Handzeichen.

Um 300 Fahrzeuge waren am Montagmorgen aus dem Raum Celle in den Heidekreis gekommen. Die Protestler sammelten sich zunächst auf dem Autohof an der A7-Abfahrt Soltau-Süd. Die Polizei sperrte dafür die Bundesstraße 3 in Fahrtrichtung Soltau und war an den Autobahnzufahrten präsent, um zu verhindern, dass Traktoren die A7 blockieren. „Sie sind kooperativ“, erklärte ein Polizist vor Ort. Gut durchorganisiert waren die Landwirte und Landwirtinnen aus dem Landkreis Celle und dem Heidekreis selbst. Im Vorwege wurde abgesprochen, wo die Traktoren welche Nebenstraßen abriegeln sollten, um in einem einheitlichen Zug nach Soltau und dann weiter in Richtung Munster zu fahren. An der Ampelkreuzung in Tetendorf war so die Einfahrt auf die ehemalige Bundesstraße 3 blockiert. Einige Staus waren die Folge. Dennoch war zumindest am Morgen der Verkehr nicht ganz zum Erliegen gekommen.

Begeisterte Kinder winken an der Kita

Der Protestzug war allerdings höchstens mit Tempo 30 unterwegs. Viel Zeit war so auch für die jüngsten Demo-Beobachter an der Kindertagesstätte der Lebenshilfe an der Celler Straße, die gewaltigen Ackerfahrzeuge in Augenschein zu nehmen und den Fahrerinnen und Fahrern zuzuwinken. Im Laufe des Tages waren immer wieder kleinere Protestzüge mit Traktoren in der Soltauer Innenstadt unterwegs.

Anerkennung gab es für das disziplinierte Verhalten der Korso-Teilnehmer. Innerhalb einer knappen Stunde kamen aus verschiedenen Richtungen drei Rettungswagen mit Blaulicht und eingeschaltetem Martinshorn, sie konnten den Protestzug ungehindert passieren. Erfolglos blieb im weiteren Verlauf der Schlepper-Bewegungsfahrt in Munster ein potenzieller Trittbrettfahrer, laut einem Landvolksprecher ein stadtbekannter Sympathisant des Reichsbürgermillieus, die Aktion für seine Ziele zu nutzen. Am Rande einer kleinen Kundgebung des Transportgewerbes fand er nach Angaben eines Sprechers der Munsteraner Polizei kaum Beachtung und auch keinen Zulauf.

Erleichterung über den Verlauf des Aktionstages gab es beim Heidekreis-Klinikum (HKK). HKK-Geschäftsführer Dr. Achim Rogge bedankte sich bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihren außerordentlichen Einsatz: „Trotz der Beeinträchtigungen fand beziehungsweise findet die Patientenversorgung weiterhin vollumfänglich statt. Alle Mitarbeitenden sind zum Dienst erschienen.“ Viele auch früher, um einen pünktlichen Dienstbeginn zu gewährleisten – und um es ihren Kolleginnen und Kollegen des Nachtdienstes zu ermöglichen, noch vor den angekündigten Verkehrsbehinderungen ohne lange Wartezeiten in Staus, zu Hause anzukommen.

HKK-Bedienstete übernachten in der Klinik

Insgesamt sieben Beschäftigte hatten laut Rogge das Angebot der Klinikleitung angenommen, von Sonntag auf Montag direkt an den Krankenhausstandorten Walsrode und Soltau zu übernachten. „Wir sind sehr dankbar für das tolle Engagement und Verständnis aller, die gemeinsam dafür gesorgt haben, dass unser Krankenhausbetrieb reibungslos weiterlaufen konnte“, so der HKK-Geschäftsführer. Es mussten keine Operationen abgesagt werden. Auch die Küche und Krankenhausapotheke hätten gut vorgesorgt, sodass man auch in diesen Bereichen bestmöglich aufgestellt gewesen sei. „Wir kehren somit jetzt wieder zum Alltagsbetrieb in unserem Heidekreis-Klinikum zurück.“ Das Team habe gezeigt, dass es zusammenstehe und außergewöhnliche und herausfordernde Situationen gemeinsam meistern könne.

Bis kommenden Montag drei Demonstrationen

Die Aktionen am gestrigen Montag waren der Auftakt einer vom Landvolk ausgerufenen Protestwoche, die sich insbesondere gegen die schrittweise Streichung der Agrardiesel-Subventionen richtet. Weiter geht es am Donnerstag mit der Teilnahme an einer Kundgebung des Landesverbands in Hannover. Am Sonnabend, 13. Januar, findet um 14.30 Uhr eine weitere Demonstration mit Kundgebung im Heidekreis statt, vermutlich im Bereich Walsrode. Am Montag, 15. Januar, fahren Landwirte aus dem Heidekreis, teilweise auch mit Schleppern, nach Berlin zu einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. vo

Reinhard Vorwerk