Das Heft des Handelns

Umstrittener Namenspatron: Paul von Hindenburg wird von der Geschichtswissenschaft inzwischen überwiegend als von Beginn an gefestigter Feind der Demokratie bewertet.

Rund ein Dutzend Wehrmachtskasernen wurden in den späten 1930er-Jahren nach dem 1934 verstorbenen Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg benannt. In Vorbereitung auf den Krieg hatte die NS-Diktatur kräftig aufgerüstet, militärisch und ideologisch. Hindenburg als Bindeglied zwischen dem alten Preußen und den neuen Herren war dem Regime auch ein halbes Jahrzehnt nach seinem Tod noch nützlich. Die in der Bundesrepublik neu gegründete Bundeswehr übernahm 1955 die alten Kasernennamen. In den folgenden bald 70 Jahren wurden einige Kasernen umbenannt, andere das Opfer von Truppenreduzierungen. So verschwand der Namenspatron Hindenburg nach und nach aus der Bundeswehr – mit einer Ausnahme.

Die Hindenburg-Kaserne in Munster, erwachsen aus dem 1893 erstmals von einem Infanterie-Regiment der preußischen Armee belegten „Hauptlager“ auf dem heutigen Truppenübungsplatz Süd, wird, soviel dürfte angesichts der sicherheitspolitischen Weltlage klar sein, auf absehbare Zeit nicht aufgelöst. Umbenannt? Das wird seit Langem diskutiert und teilweise eingefordert. An konkreten Ideen für einen neuen Namen mangelt es nicht, zuletzt wurde der 1921 ermordete Zentrumspolitiker Matthias Erzberger als würdiger Namenspatron ins Spiel gebracht (Böhme-Zeitung vom 3. Februar 2024: „Ein Kämpfer gegen falsche Helden“). Doch beim Verteidigungsministerium will man keine öffentliche Debatte über das Thema.

„Verblendet an seinem Namen festgehalten“

Unbestreitbar ist, dass die Kaserne in Munster nicht willkürlich nach Hindenburg benannt wurde – der spätere Reichspräsident war 1893 Kommandeur just jenes Regiments, das sich im Juni als erste militärische Formation überhaupt im damaligen „Hauptlager“ niederließ. Deswegen werde dort „an seinem Namen so verblendet festgehalten“, zürnt der Verleger und Friedensforscher Helmut Donat in seinem Aufsatz „Zur Unhaltbarkeit der nach dem Kriegsverbrecher, Reichspräsidenten und NS-Kollaborateur benannten Hindenburg-Kaserne in Munster“. Donat engagiert sich wie der Autor und pensionierte Lehrer Jacob Knab, Sprecher der „Initiative gegen falsche Glorie“, seit Langem für eine Umbenennung der Munsteraner Bundeswehrkaserne.

Knab hat sich in dieser Sache im vergangenen Monat – nicht zum ersten Mal – an das Verteidigungsministerium gewandt. In einem Antwortschreiben, das der Böhme-Zeitung vorliegt, reagiert das von Boris Pistorius geführte Haus schroff auf das Ansinnen des langjährigen Umbenennungsaktivisten. Knab hatte unter Verweis auf Hindenburgs „unheilvolles Vermächtnis“ nach dem Datum einer „überfälligen“ Umbenennung gefragt und unterstellt, dass der Heeresstandort die 2019 erfolgte Umbenennung der ehemaligen Schulz-Lutz-Kaserne in Örtzetal-Kaserne auch deshalb vorgenommen habe, um den Namen Hindenburg im Gegenzug unangetastet lassen zu können.

Überwiegend als Feind der Demokratie bewertet

Oberstleutnant Dr. Stefan Gruhl, Referatsleiter im Bundesministerium, bescheinigt Knab bissig, mit seinen Ausführungen „keinen konstruktiven Beitrag zu dem bundeswehrinternen Namensgebungsprozess am Bundeswehrstandort Munster“ zu leisten. Er verweist auf einen internen Meinungsbildungsprozess, der „durch die Bundeswehr selbst initiiert“ sei und „auf neuen wissenschaftlichen Kenntnissen“ basiere. Damit verweist Gruhl auf die Wandlung des Hindenburg-Bildes in der Geschichtswissenschaft, die ihn inzwischen überwiegend als durchgängigen Feind der Demokratie bewertet.

Das Ministerium möchte sich offenbar nicht das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Kommt die Umbenennung, soll es nicht so aussehen, als sei sie auf Druck von außen erfolgt. Schon vor zehn Jahren hatte das Ministerium mitgeteilt, dass eine konkrete Entscheidung am Ende von den Hauptnutzern der Liegenschaft zu fällen sei, der Panzerlehrbrigade 9.

Andre RicciKommentieren