Maskentragen wird zur freiwilligen Rücksichtnahme

Heute endet auch im Heidekreis die Rechtspflicht, in Geschäften und der Gastronomie Masken zu tragen. Aus dem Alltag verschwinden wird die schützende Gesichtsbedeckung aber vorerst nicht.

Abgesehen von der Impfspritze symbolisiert kein anderer Gegenstand so sehr die Corona-Zeit und den Streit um die richtige Gesundheitspolitik, wie die Mund-Nase-Bedeckung. Seit Beginn der Pandemie wird über sie gestritten – in Talkshows und Parlamenten, oft genug aber auch in Bussen und Bahnen, Geschäften und Restaurants. Nicht selten in gereizter Stimmung, nicht immer nur mit Argumenten. Ein 21-jähriger Tankstellenkassierer bezahlte einen Maskenstreit mit einem uneinsichtigen Kunden mit seinem Leben. Sein mutmaßlicher Mörder steht derzeit in Bad Kreuznach vor Gericht.

Auch angesichts des großen Konfliktpotenzials betrachten viele Gastronomen das Ende der gesetzlichen Maskenpflicht für die meisten Bereiche, das am heutigen Sonntag in Kraft tritt, mit gemischten Gefühlen. „Die Verantwortung wird verschoben, vom Bund auf die Länder und weiter auf die Unternehmen“, klagt Jens Asche. „Sie darf am Ende nicht allein beim einzelnen Gastronom landen“, warnt der Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) vor „Grundsatzdiskussionen mit Restaurantgästen“.

Solche geschäftsschädigenden Szenarien könne er sich nicht vorstellen. Seine Einschätzung lautet daher, dass die allermeisten Gastronomiebetriebe im Heidekreis zwar weiterhin das Tragen von Corona-Schutzmasken empfehlen, auf die Durchsetzung eines Maskenzwangs mittels Hausrecht aber verzichten werden. Auch Mitarbeitern werde in aller Regel die freiwillige Nutzung von Masken empfohlen. Offizielle lokale Handhabungsempfehlungen für die Verbandsmitglieder im Kreis gebe es noch nicht.

„Wir warten erst einmal die Ostertage ab“, sagt Asche. Ende April werde man dann zusammenkommen, um über erste Erfahrungen mit der neuen Rechtslage und die Reaktionen der Kundschaft zu sprechen. Ein einheitliches Vorgehen könnte danach durchaus beschlossen werden. Dabei ginge es dann auch um die Sicherstellung des Betriebs, macht Asche auf ein oft unterschätztes Problem aufmerksam. Denn auch wenn die Krankheitsverläufe bei der derzeit vorherrschenden Omikron-Virusvariante oft sehr mild sind, verursacht die hohe Inzidenz verbunden mit der Quarantänepflicht gleichwohl erhebliche betriebswirtschaftliche Schäden.

Keine einheitliche Linie in Handel und Gewerbe

Ähnlich wie in der Gastronomie, begegnen auch Händler und Gewerbetreibende im Heidekreis der neuen Rechtslage mit differenzierten Aussagen und Konzepten. Eine einheitliche Linie gibt es auch bei ihnen nicht.

An diesem Wochenende beginnt die Freizeitpark-Saison, im Heidekreis öffnen der Soltauer Heide-Park und der Serengeti-Park in Hodenhagen wieder ihre Pforten. Das fällt zusammen mit dem Ende der Maskenpflicht – und wo könnte es sich mehr nach „Freedom Day“ anfühlen als in den Freizeitparks mit ihrer überwiegend jungen Kundschaft?

Aber die Inzidenzen bewegen sich weiter auf Rekordniveau. Völlige Sorglosigkeit kann es da nicht geben, das sieht man auch in den beiden Freizeitunternehmen so. Im Serengeti-Park werde man den Gästen das Maskentragen weiter ans Herz legen, erklärt Resort-Manager Jens Asche, der zugleich Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands ist. Wer sich partout keine Maske tragen wolle, werde aber auch ohne toleriert.

Ähnlich läuft es im Heide-Park. Ab Sonntag müssen dort weder im Wartebereich am Eingang noch im Innenbereich, in der Gastronomie, im Fahrgeschäft Ghostbusters oder im anliegenden Hotel zwingend Masken getragen werden. Man richte sich nach den Vorgaben der Bundesregierung, so Geschäftsführerin Sabrina de Carvalho. „Wir werden das Tragen von Masken im Anstellbereich empfehlen, aber nicht einfordern.“ Sie sieht die Gäste in der Eigenverantwortung. Doch selbst wenn die meisten von ihnen künftig auf das Tragen von Masken verzichten sollten, wäre nicht wieder alles wieder wie vor Corona. Die Plexiglaswände zum Abtrennen der Warteschlangen und zum Schutz der Mitarbeiter bleiben stehen, die Mitarbeiter tragen weiter Masken, und auch die Desinfektionsspender bleiben und erinnern daran, dass die Pandemie nicht vorbei ist.

Sehnsucht nach Normalität, aber hohe Inzidenz

„Wir alle sehnen uns nach mehr Normalität, auf der anderen Seite ist die Lage immer noch angespannt“, bringt es Sascha Lühr, Co-Vorsitzender der Soltauer Interessengemeinschaft Handel und Gewerbe (IHG), auf den Punkt. Grundsätzlich begrüße er den Wegfall starrer Einheitsregeln. Weil die Situation je nach Geschäft unterschiedlich sei, habe man sich im Gewerbeverein bewusst dagegen entschieden, öffentlich Stellung für oder gegen das Maskentragen zu beziehen.

„Jegliche Antwort wäre falsch“, sagt Lühr. Er verweist auf seinen eigenen Betrieb, den Euronics-Elektrofachmarkt in Soltau. Beim Schlendern durch die Gänge sei eine Maske weniger sinnhaft als beim Beratungsgespräch im Handy-Bereich oder in der Schlange an der Kasse. „Ich bin für eigenverantwortliches Handeln“, setzt der Geschäftsmann auf die Vernunft der Kundschaft. Den Mitarbeitern empfiehlt er, weiter Masken zutragen, es müssten aber keine FFP2-Modelle mehr sein.

„So selbstverständlich wie das Anschnallen im Auto"

„Wir sind so daran gewöhnt, die Maske aufzusetzen, wenn wir in einen Laden gehen“, sagt Matthias Sorge aus Bispingen. „Es ist mittlerweile so selbstverständlich wie das Anschnallen im Auto.“ Der Vorsitzende des örtlichen Gewerbevereins kennt keinen Einzelhändler aus dem Kreis der 130 Mitglieder, der die neuen Lockerungen direkt umsetzen würde. So bleibt auch an seinem Zweiradsportgeschäft am Horstfeldweg das FFP2-Schild an der Ladentür auf jeden Fall weiter kleben. „Jeder, der ein Gewerbe hat, geht doch verantwortungsvoll und rücksichtsvoll damit um“, meint er. Ihm sei als Arbeitgeber auch daran gelegen, dass der Krankenstand niedrig bleibt. Er wolle sein Personal schützen, andernfalls sei der Saisonstart in Gefahr.

Um Ostern herum steigt die Kundenfrequenz, weil die Kennzeichen herausgegeben werden. Seine Branche sei durch Lieferschwierigkeiten von bestellter Ware bereits genug gebeutelt. Als Beispiel nennt er den Motorradhersteller KTM, bei dem im österreichischen Werk derzeit statt Zwei-Schicht-Betrieb alles nur auf Sparflamme laufe. Grund sei der hohe Krankenstand durch Corona-Infektionen – er liege bei 53 Prozent.

Heidekreis ist kein Corona-Hotspot

Eine staatlich verordnete Maskenpflicht gilt in Niedersachsen bis auf weiteres nur noch beim Betreten von Kranken- und Pflegeeinrichtungen, Heimen, Arztpraxen sowie im öffentlichen Personennahverkehr. Nur die sogenannte Hotspot-Regelung könnte zu neuerlichen Verschärfungen führen. Doch welche genauen Parameter dazu beitragen, weiß der Landkreis Heidekreis bislang nicht. Die Kompetenz, eine Region zum Hotspot zu erklären, liege allein in Hannover. Voraussetzung sei eine besonders infektiöse Virusvariante oder hohe Infektionszahlen, die zu einer Überlastung der Krankenhäuser führen. Ministerpräsident Stephan Weil hat mehrfach erklärt, dass er diese Bedingungen derzeit nirgends im Land erfüllt sieht.