Statt Radar: Tempomessung bald mit künstlicher Intelligenz?

Auf dem Anhänger oder auch mobil, die Geschwindigkeitsmessgeräte des Heidekreises sind flexibel einsetzbar.

Der Landkreis Heidekreis kann in seinem Zuständigkeitsbereich weiterhin nicht auf den Autobahnen blitzen. Nach dem Aus der Messgeräte vom Typ Leivtec XV 3 gibt es keine Messtechnik, die für den Einsatz auf Brücken zugelassen ist. Die Messgeräte wurden als zu ungenau aus dem Betrieb genommen.

Die schlechte Nachricht für Menschen, die auf der A7 oder A27 gerne schnell unterwegs sind, obwohl es nicht erlaubt ist: Der Heidekreis arbeitet an einer Lösung. Das Konzept für eine neue Messtechnik der Firma Roadia aus Berlin sei bereits vorgestellt worden, teilte der Landkreis mit.

Anders als bislang üblich sollen die Messgeräte des Berliner Start-ups Geschwindigkeitsübertretungen nicht per Laser oder Radar ermitteln. Nach einem Bericht der IHK Potsdam über die Firma sollen sie das Tempo der Fahrzeuge durch ein System von optischen Komponenten erfassen und deren Geschwindigkeit mittels Methoden der künstlichen Intelligenz ermitteln.

Das neue System für die Brückenmessungen muss noch durch die Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig zugelassen werden. Danach muss ein Vergabeverfahren gestartet und die Geräte beschafft werden, so der Landkreis dazu, wann die sieben Kollegen der Messtruppe des Heidekreises auch wieder auf Autobahnen im Einsatz sein werden.

Das heißt natürlich nicht, dass auf Autobahnen grundsätzlich nicht geblitzt wird. Die Polizei überwacht wie gehabt auch die Geschwindigkeit. So ging ihr Mitte November vergangenen Jahres mit einem zivilen Fahrzeug, das mit einem Videosystem ausgerüstet ist, unter anderem ein Fahrer auf Höhe Bispingen ins Netz, der in einer 60er-Zone mit 154 Stundenkilometern unterwegs war.

Im Bereich Bispingen stehen auch die Messtrupps des Heidekreises normalerweise auf der Brücke, dort gebe es im Bereich der Auf- und Abfahrten häufig hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen. Auch am Walsroder Dreieck seien die Beamten oft gefragt. Dort gibt es wegen des kreuzenden Verkehrs Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Messtrupps des Heidekreises haben insgesamt ein Betretungsverbot für die Autobahnen, daher ist nur von Brücken aus die Überwachung möglich.

Bis Anfang vergangenen Jahres gab es nicht nur an den Autobahnen, sondern auch auf den sonstigen Straßen im Kreisgebiet Einschränkungen des Messbetriebs. Anfang 2021 waren sieben Blitzer des Landkreises wegen Messungenauigkeiten aus dem Verkehr gezogen worden. Neue, nun gerichtsfeste Geräte, sogenannte Semi-Stationen, wurden angeschafft beziehungsweise gemietet. Dadurch, so der Heidekreis, sei die kommunale Verkehrsüberwachung auch am Wochenende breiter aufgestellt als früher.

Innerorts mit Tempo 133

Eng abgestimmt mit der Polizeiinspektion überwachen die Messbeamten des Landkreises im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den Verkehr an rund 200 Messpunkten.

Eingesetzt sind drei Semi-Stationen des Unternehmens Jenoptik, die auf Anhängern zu den jeweiligen Standorten an den Straßen gefahren werden können. Genau handelt es sich um Geräte der Marke Traffi-Star S 350, einfachheitshalber „hören“ sie auch auf die Namen Berta, Heinz und Paul. Zudem kann die Messtechnik aus den Semi-Stationen ausgebaut und auf Stativen mobil aufgestellt werden.

Messorte für den Januar können auf der Webseite des Heidekreises eingesehen werden, sie sind allerdings nur grob auf die Kommunen bezogen. Aber eine kleine Auswahl, wo grundsätzlich im Heidekreis zu schnell gefahren wird, hat der Landkreis auch: Dazu gehört die Landesstraße 211, das ist die Behringer Straße in Bispingen, die Bundesstraße 209 im Bereich der Abzweigung der Kreisstraße 5 ebenfalls in Bispingen.

Im Norden des Heidekreises ist zudem in Munster die Dethlinger Kurve der Bundesstraße 71 ein Gefahrenpunkt, weil Autofahrer dort mit zu hohem Tempo unterwegs sind. Genauso gibt es Messpunke an der Bundesstraße B 3 im Bereich Heber, an der Ortsdurchfahrt Harber (B71) und an der Winsener Straße in Soltau (K2).

Obwohl aktuell nicht auf den Autobahnen gemessen wird, rechnet der Heidekreis auch in diesem Jahr mit unveränderten Fallzahlen. Im vergangenen Jahr wurden durch die kommunale Verkehrsüberwachung 43750 Fälle registriert. 2019 waren es sogar gut 57350, 2020 fast 47000 Fälle. Einen erheblichen Rückgang gab es 2021, weil die Messtechnik Ungenauigkeiten aufwies, letztlich aus dem Verkehr gezogen wurde: Der Landkreis meldete dennoch fast 34660 Fälle.

Wie auch bei der Polizei, die mit Radar, Laser und dem sogenannten Videowagen Rasern auf der Spur ist, begegnen auch den Messbeamten des Heidekreises immer wieder Tempoverstöße, die sie den Kopf schütteln lassen.

So maßen sie vor der Schule in Benefeld in einer Tempo-30-Zone einen Fahrzeugführer mit 77 Stundenkilometern. An der Lüneburger Straße in Soltau fuhr ein Weiterer statt 50 mit Tempo 133. Im Limbeck an der Bundesstraße 71 waren es statt erlaubten 70 155 Stundenkilometer. An der Bundesstraße 3 bei Heber darf man bereits 100 fahren. Das war einem Autofahrer dennoch zu langsam, er wurde mit Tempo 185 geblitzt. Mehr als doppelt so schnell war ein Autofahrer auf der A27 bei Walsrode, statt 100 fuhr er mit Tempo 213.

Während die Blitzgeräte „Berta" und „Paul“ gekauft wurden, ist „Heinz“ nur gemietet. Die Semi-Messtationen sind eigenständig auch über das Wochenende aufstellbar.

Sie messen die Geschwindigkeit in zwei Richtungen, die Daten werden sofort online ins Kreishaus übermittelt. Zudem haben die Geräte eine Alarmschaltung zur Polizei, um Randalierer abzuhalten. Der jeweilige Akku in den Geräten reicht für einen dauerhaften Betrieb von sieben bis zehn Tagen. Zurzeit sind diese Geräte nur an Kreis-, Landes- und Bundesstraßen im Einsatz, für die Autobahnen sind sie nicht zugelassen.