Murmeln mit EU-Hilfe zum Rollen bringen

„Ja, wo rollen sie denn hin?“ FDP-Europaabgeordneter Jan-Christoph Oetjen (links) verfolgt das Rennen auf der Murmelbahn, die Mathias Ernst (rechts) in die Ratsmühle mitgebracht hat. Beobachter des Rennens sind (dann von links) Landrat Jens Grote als Chef der Denkmalpflege, Eigentümer Otto Elbers und Architekt Joachim Krampitz.

Angesichts des desolaten Zustands der Soltauer Ratsmühle ist es schwer vorstellbar, dass in dem Gebäude bald Tausende Glaskugeln rollen sollen. Das ist das Ziel von Mathias Ernst, der mit seiner Stiftung Spiel das Murmiland dort unterbringen will. Die Gespräche mit Ortwin Grüttner, der eine mit 70 Unikaten bestehende Sammlung angefertigt hat, laufen.

Eigentümer der Mühle sind Silke Thorey-Elbers und Otto Elbers. Sie haben das Gebäude erworben, um es vor dem endgültigen Verfall zu bewahren. Für das Murmel-Projekt wollen sie einen Erbbaurechtsvertrag mit der Stiftung schließen. Mit im Boot ist Achitekt Joachim Krampitz, der eine Planung entwickelt hat, deren Umsetzung privat nicht zu stemmen wäre.

"Vize" im EU-Tourismusausschuss

Deshalb hat FDP-Kommunalpolitiker Elbers seinen Parteifreund Jan-Christoph Oetjen zum Ortstermin eingeladen. Der Liberale aus Sottrum, der über mehrere Wahlperioden im Landtag saß, ist seit 2019 Mitglied des EU-Parlaments, dort unter anderem stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN). Damit sitzt Oetjen an einer Quelle, die Elbers und Ernst anzapfen möchten. Zum einen würde mit dem Murmiland eine unkopierbare und wetterunabhängige Attraktion im Heidekreis entstehen und für Soltaus Innenstadt im Zusammenspiel mit anderen Spiel- und Freizeiteinrichtungen „ein Highlight auf einer grünen und urbanen Achse entlang der Böhme geschaffen“ werden.

Wie viele Millionen Euro erforderlich sein könnten, da halten sich Elbers und Ernst zurück. Letzterer hat aber bereits ein Ziel vor Augen: „Fertigstellung 2026“. Auf jeden Fall sportlich. Deshalb: „Ohne Europa geht nichts.“ Da sei jetzt, zu Beginn der neuen EU- Förderperiode, der richtige Zeitpunkt, die Fühler auszustrecken. Oetjen versprach, sich in Brüssel für Mittel für das Soltauer Projekt aus passenden Fördertöpfen einzusetzen. Der im Akquirieren von Fördermitteln versierte Ernst, der bereits Spielmuseum und Filzwelt realisiert hat, hat das Efre-Programm im Blick.

Elbers nennt einen weiteren Grund, die Mühlensanierung jetzt in Angriff zu nehmen: die Pläne des Nachbarn Aldi. Der Discounter wolle demnächst seinen Supermarkt an der Böhmheide abreißen und durch einen Neubau nach den aktuellen Gestaltungsvorgaben des Konzerns neu aufbauen, dabei auch das Grundstück neu gestalten und gegebenenfalls angrenzende Bereiche einbinden. Was die Sache für Elbers & Co. verheißungsvoll macht, ist die Anbahnung: „Aldi ist auf uns zugekommen“, berichtet der Eigentümer von einer Kontaktaufnahme, wie sie noch vor wenigen Jahren kaum denkbar gewesen wäre. Dadurch gerate eine weitere Idee in den Fokus: die Schaffung eines flussnahen Fuß- und Radweges entlang der Böhme von Breidings Garten bis zur Böhmheide.

Einen Dreiviertelmeter höher setzen

Die Planung für die Ratsmühle am Zusammentreffen von Böhme und Soltau erfolgt in Abstimmung mit der Landkreis-Denkmalpflege. Erster Schritt soll 2023 eine Substanzuntersuchung sein. Vorgesehen ist dann laut Architekt Joachim Krampitz eine Translozierung, eine Erhöhung der Fundamentbanketten um 75 Zentimeter. Es soll komplett abgetragen und auf der neuen Höhenlage wieder aufgebaut werden. Geplant ist ein Erweiterungsbau mit Öffnungen zum Wasser, überdachter Galerie, Aussichtspunkt und teilweise begehbarem Dach.