HKK kauft drei Kassenarztsitze in Soltau

Vor einigen Jahren baute die Stadt Soltau das Ärztehaus am Oeninger Weg, um die ambulante medizinische Versorgung in der Böhmestadt sicherzustellen. Die Radiologische Praxis dort gehört inzwischen zum Heidekreis-Klinikum, genauer zum Medizinischen Versorgungszentrum MVZ. Foto: at

Zum Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ), einem Unternehmen des Heidekreis-Klinikums (HKK), gehören nun auch drei bislang selbstständige Praxen in Soltau.

2021 wurde die Pädiatrie, also die Kinderarztpraxis von Dr. Michael Abend, die bereits im Klinikum in Soltau ihren Sitz hat, aufgekauft. 2022 wurde die Radiologische Praxis von Dr. Frederick Philips und Dr. Stephan Cihal und in diesem Jahr die Chirurgische Praxis von Dr. Daniel Allgeier übernommen.

„In jeweils enger Abstimmung und nach Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung“, erklärt Landrat Jens Grote in seiner Funktion als Aufsichtsratschef des Heidekreis-Klinikums, zu der die MVZ gGmbH gehört. Für den Kauf wurden Kredite aufgenommen. Über den Kaufpreis wurde laut Grote Stillschweigen vereinbart.

In Soltau schrillen im politischen Umfeld die Alarmglocken. Was bedeutet die Übernahme, wenn der HKK-Standort am Oeninger Weg geschlossen und das neue Heidekreis-Klinikum in Bad Fallingbostel voraussichtlich Ende 2027 in Betrieb gehen soll? Wird das medizinische Angebot im Norden des Heidekreises weiter ausgedünnt?

Grote versichert dazu gegenüber der BZ: „Das MVZ Soltau mit seinen Praxen für Innere Medizin, Pädiatrie und Chirurgie wird am Standort bleiben, ebenso das Radiologische Versorgungszentrum.“ Er weist auch die Vermutung zurück, dass das Klinikum selbst auf die Praxen zugegangen sei, um die Sitze zu kaufen. Man sei zu keinem Zeitpunkt aktiv geworden.

Das HKK habe diesbezüglich nur reagiert, weil die angebotenen Praxen in das Medizinkonzept für eine vernetzte, kreisweite Versorgung passten und personell und wirtschaftlich vom Unternehmen MVZ betrieben werden könnten. Die Praxisinhaber hätten nach Nachfolgern gesucht, diese nicht gefunden und sich deshalb an das HKK gewandt.

Der Kauf der Kassenarztsitze, so Grote, stütze die gemeinsame Pflicht von Landkreis, Heidekreis-Klinikum und unter gesetzlicher Federführung der KVN, die ambulante medizinische Versorgung in der Fläche bestmöglich aufrecht zu erhalten. Der Fachkräftemangel und die zum Teil fehlende Bereitschaft, im ländlichen Raum zu praktizieren, erschwerten diese Bemühungen. Deshalb unterstützten KVN und Landkreis die Ansiedlungen von Haus- sowie Fachärztinnen und -ärzten durch verschiedene Angebote und insbesondere finanzielle Anreize.

Laut HKK-Aufsichtsratsvorsitzendem liege es zudem weder organisatorisch, medizinisch noch ökonomisch im Interesse des Heidekreis-Klinikums, alle erworbenen Praxen im neuen Krankenhausstandort zu zentrieren. Räumlichkeiten dafür stünden in diesem Umfang im Neubau auch nicht zur Verfügung und seien auch nicht geplant.

Wie kann die medizinische Versorgung gesichert werden?

Bereits die Ankündigung eines Grundsatzbeschlusses in der Mai-Sitzung des Soltauer Stadtrats hat für enormen Wirbel gesorgt. Mittlerweile sitzen die Beteiligten an einem Tisch, um einer Lösung näher zu kommen.

Es geht um die Auswirkungen des Neubaus des Heidekreis-Klinikums in Bad Fallingbostel und damit die Schließung des Standorts Soltau. Die Befürchtungen im Mittelzentrum sind groß, dass man mit dem Fehlen der stationären Versorgung ein wichtiges Standbein der Stadtentwicklung verliert.

Nun versuchten Politik und Verwaltung auf anderem Wege, die Aufmerksamkeit des Heidekreises als HKK-Träger auf die möglichen Verluste zu lenken – und in dem Zuge steht auch eine Klage gegen die Bauleitplanung der Stadt Bad Fallingbostel und eine mögliche Baugenehmigung des Heidekreises im Raum.

Falls dieses scharfe Schwert gezogen werden sollte, könnte ein sofortiger Planungsstopp die Folge sein. Aber es gibt auch Kompromissvorschläge der Stadt Soltau, um die medizinische Versorgung trotz Verlusts des Krankenhauses sicherzustellen und die Klage möglicherweise abzuwenden.

Dazu, so betonte jetzt auch Landrat und HKK-Aufsichtsratsvorsitzender Jens Grote, befinde man sich „seit mehreren Monaten im Gespräch“ – zur Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung, aber auch zu möglichen Auswirkungen auf andere Lebensbereiche des Mittelzentrums. Eingebunden sei auch die Kassenärztliche Vereinigung (KVN). Inzwischen sei ein Gutachten zu den raumordnerischen Auswirkungen der Schließung des Krankenhausstandortes in Auftrag gegeben.

Aus Grotes Sicht sei es Ziel der Verhandlungen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Stadt und dem Landkreis rund um die Themen ambulante medizinische Versorgung, Rettungsdienst und städtebauliche Entwicklung abzuschließen.

Soweit die Zuständigkeit der KVN berührt sein sollte, solle diese in die Vereinbarung einbezogen werden. Insbesondere geht es dabei auch um den Bereitschaftsdienst der Hausärzte, der bislang am HKK-Standort Soltau angesiedelt ist.

Auch im Neubau soll es einen Bereitschaftsdienst geben In Soltau gibt es die Befürchtung, dass die Bereitschaftspraxis, die außerhalb der normalen Sprechzeiten der ambulanten Ärzte den Patienten offen steht, mit dem Umzug ebenfalls nach Bad Fallingbostel wechselt.

Das zu entscheiden ist allerdings Sache der KVN und der niedergelassenen Ärzte vor Ort. Und grundsätzlich, so Grote, solle auch im Neubau ein Bereitschaftsdienst angeboten werden. Der Landkreis befinde sich dazu aktuell in Abstimmung mit der KVN.

Doch wie könnte die ärztliche Versorgung auf dem Land sichergestellt werden, wenn es eine immer stärkere Bündelung des Angebots an einem Standort geben sollte? Für Landrat Grote steht dazu fest, dass diese Bündelung nicht das strategische Ziel sei, „sondern eine Ersatzlösung, wenn die Versorgung in der Fläche nicht besser sichergestellt werden kann.“ Aufgrund des Fachkräftemangels und der fehlenden Bereitschaft, im ländlichen Raum praktizieren zu wollen, werde das aber zunehmend schwieriger.

Die Bündelung von Hausärzten beispielsweise in Regionalen Versorgungszentren oder von Fachärzten in Medizinischen Versorgungszentren seien zielführende Möglichkeiten, auf diese Entwicklung zu reagieren.

HKK will die ambulante Versorgung stärken

Das Heidekreis-Klinikum als kommunales Krankenhaus sei in diesem Sinne bestrebt, die ambulante Versorgung der Städte Soltau und Walsrode durch den Ausbau der beiden Medizinischen Versorgungszentren zu stärken, so der Aufsichtsratsvorsitzende. Sie sollen zu den vielfach beschriebenen Family-Centern als „Anlaufstelle für die gesamte Familie“ fortentwickelt werden.

Letztlich sei aber nicht das Klinikum für die Aufrechterhaltung der ambulanten medizinischen Versorgung zuständig, sondern die KVN. Bezüglich der Verhandlungen mit der Stadt Soltau gehe es aktuell darum, die Runde der Beteiligten um Mitglieder des Stadtrates zu erweitern. Die konstituierende Sitzung in erweiterter Runde soll am 19. Juni stattfinden.

Deutlich wird Grote zu einer im Raume stehenden Klage der Stadt Soltau: Diese würde den Zeitplan des Projektes möglicherweise gefährden, möglicherweise höhere Kosten verursachen und hätte eine negative Auswirkung gegenüber Dritten.

„Sie würde viele Bürgerinnen und Bürger des Heidekreises und ebenso viele Mitarbeitende des Heidekreis-Klinikums sorgen. Der Landkreis geht davon aus, dass die Stadt Soltau ihre berechtigten Interessen, die auch Interessen des Landkreises sind, ohne Klage erreichen kann und wird.“

Ach die Chirurgische Praxis von Dr. Daniel Allgeier gehört inzwischen zum MVZ. Foto: at

Aushub schon Ende des Jahres?

Einen sportlichen Zeitplan haben sich die Verantwortlichen des Heidekreis-Klinikums und des Landkreises als kommunaler Träger für die Umsetzung des Neubauvorhabens in Bad Fallingbostel gesetzt. Bereits Ende des Jahres soll danach der Aushub der Baugrube starten. Der Rohbau ist ab dem Frühjahr 2024 vorgesehen, der Innenausbau in den ersten Bauabschnitten ein Jahr später und der endgültige Einzug Ende 2027.