Interview: „Dann ist es ein Rohrkrepierer“
Soltau. Lutz Winkelmann (CDU), Kreistagsmitglied, Ratsvorsitzender in Munster und ehemaliger Landtagsabgeordneter, hat sich nicht nur einmal kritisch zur Entscheidung rund um den neuen HKK-Standort F4 südlich von Bad Fallingbostel geäußert. Er hatte auch dagegen gestimmt. In der Debatte beim CDU-Kreisparteitag im vergangenen September machte er seinem Frust erneut Luft und griff Landrat Manfred Ostermann scharf an. Inzwischen hat er ein Schreiben verfasst, in dem er insbesondere den Prozess zur Standortentscheidung infrage stellt.
BZ: Auch Sie waren begeistert, als es 2018 Aussicht auf Fördermittel und damit auf einen Krankenhausneubau gab.
Lutz Winkelmann: Ich habe gesagt, wenn wir eine strukturelle Verbesserung wollen, die den Menschen hilft und die die jährlich wiederkehrenden Defizite verhindert, dann bin ich dafür. Die Menschen haben Anspruch auf die bestmögliche medizinische Versorgung im Rahmen eines zukunftsfähigen Gesamtkonzepts.
BZ: Und nun?
Man kann sich bei der Entscheidung nicht allein davon leiten lassen, ein Geschenk zu erhalten. Ich habe geglaubt, wenn jetzt an eine neue Struktur mit einem neuen Klinikum gedacht wird, dann gibt es einen Diskussionsprozess unter Beteiligung der Akteure.
BZ: Aber wieso gibt es dieses Misstrauen? An der Spitze des Klinikums steht mit Dr. Achim Rogge ein Mediziner mit Erfahrungen – auch in der Planung von Krankenhausneubauten.
In nur wenigen Sitzungen und Beratungen hat er seine Meinung eloquent präsentiert, und dann war es so weit, dass der gemeine Kreistagsabgeordnete für den Beschluss die Hand hebt, obwohl ihm gar nicht die nötigen Unterlagen zur Verfügung standen und noch immer nicht stehen. Dabei geht es doch um eine Entscheidung, die 50 Jahre wirkt.
BZ: Wo liegt denn die Lösung?
Mein Anspruch als normaler Bürger im Heidekreis wäre gewesen, dass man vor dem Entscheidungsprozess diskutiert und informiert. Das hat nicht stattgefunden.
BZ: Das wurde aber begründet. Es musste schnell gehen, um eine Chance auf die Fördermittel zu wahren, und dann ist und war da noch Corona.
Entschuldigung – natürlich müssen manche Dinge im Leben schnell gehen, aber auch der Umgang mit Steuermitteln erfordert verantwortungsvolles Handeln.
BZ: Gerade dafür wurden die Gutachter beauftragt, die deutschlandweit viel Erfahrung haben.
Das Gutachten zur Standortfrage haben wir bis heute nicht bekommen. Und ein darüber hinaus gehendes Konzept über die Gesundheitsversorgung im Heidekreis, im ländlichen Raum, für die Zukunft liegt nicht vor. Das kann aus meiner Sicht nur mit Ärzten, Apothekern, Rettungswagenfahrern, Krankenkassen oder Vertretern der Krankenhausgesellschaft erarbeitet werden. Auch die Haus- und Facharztversorgung spielt eine Rolle – und dass viele Mediziner auch heute andere Ansprüche an ihre Arbeit haben. Das Poliklinikmodell ist beispielsweise eines mit engem Kontakt auch zu größeren Kliniken.
BZ: Aber das wäre doch der Ausbau der medizinischen Versorgungszentren an den Altstandorten?
Für mich als Kreistagsabgeordneten sind Thesen von Dr. Rogge zur Kenntnis zu nehmen, aber es ist nicht nachvollziehbar, wie sie umgesetzt werden sollen. So wird in der betriebswirtschaftlichen Betrachtung mit Patienten, die nicht aus dem Heidekreis kommen, kalkuliert. Aber auch die umliegenden Krankenhäuser machen ihre Hausaufgaben und modernisieren. Und dann läuft die Rogge-Kalkulation ins Leere.
BZ: Das bedeutet?
Wenn wir jetzt im Moment ein neues Klinikum in Fallingbostel bekommen, was aufgrund der emotionalen Ablehnung keine Chance bei einem großen Teil der Heidekreisbevölkerung hat, dann wird es wirtschaftlich scheitern. Und wenn die wirtschaftliche Seite nicht funktioniert, dann wird das auch qualitativ nicht funktionieren. Dann ist das ein Rohrkrepierer.
BZ: Und Sie meinen, das wäre es bei einem Standort Dorfmark nicht so?
Erst einmal, selbst wenn wir in Dorfmark bauen würden, würde ich erwarten, dass wir einen Diskussionsprozess durchlaufen. Zudem betrifft die Klinikfrage auch den betriebswirtschaftlichen Bereich mit Excelberechnungen. Wenn Sie wissen, was rauskommen muss, dann gibt man in das Berechnungssystem die Basisdaten so ein, dass es passt.
BZ: Also sagen Sie, dass getrickst wurde?
Ich bin jedenfalls von dem, was uns vorgelegt wurde, an keiner Stelle überzeugt.
BZ: Im Gegensatz zu vielen anderen – die Kreistagsmehrheit hat zugestimmt.
Alle vereint der Wunsch nach einer bestmöglichen medizinischen Versorgung. Den Unterschied gibt es bei der Frage, welche Voraussetzungen müssen vorab geklärt sein, damit man eine solche Entscheidung verantwortungsvoll treffen kann. Meine Empfindung geht eindeutig da hin, dass hier der Landrat gefordert gewesen wäre, einen intensiven Prozess der Aufklärung und der Meinungsbildung anzuschieben. Ich frage mich, wo ist die Führungskompetenz? Nach meinem Dafürhalten hat er hier eine entscheidende Mitverantwortung. Genauso wie die Führungsspitzen der Fraktionen im Kreistag. In Sachen Klinikum waren sich die Führungsspieler einig, da und da wollen sie hin. Und jetzt soll es mit dem RVZ (regionales Versorgungszentrum d. Red.) eine Beruhigungspille für den Nordkreis geben, eine kosmetische Korrektur. Interview: Anja Trappe
Lutz Winkelmann sitz im Kreistag und im Munsteraner Stadtrat. Foto: at