„Die A7-B3-Trasse gewinnt“

Schwierige Mission: Landtagsabgeordneter Dr. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU) vertrat auf der Versammlung von Pro Bahn in Soltau eine ablehnende Position zur ICE-Neubautrasse. Foto: ari

Niemand wirbt so gradlinig und entschieden für eine ICE-Neubautrasse zwischen Hamburg und Hannover wie der Fahrgastverband Pro Bahn. Schon beim Dialogforum Schiene Nord war der kleine, aber meinungsstarke und gut vernetzte Verband nicht bereit, sich dem damaligen „Celler Kompromiss“ anzuschließen, jenem Ausbaukonzept Alpha E, dem 2016 auch die Deutsche Bahn zugestimmt hatte. Inzwischen sieht das Unternehmen die Dinge bekanntlich anders, und Pro Bahn fühlt sich bestätigt. Die besseren Argumente setzen sich durch – so sieht man das im Fahrgastverband. Oder hofft es zumindest. Denn der gesellschaftliche und politische Widerstand gegen eine mögliche neue ICE-Strecke ist groß und könnte die Pläne der Bahn durchkreuzen.

So ist es kein Zufall, dass der Pro-Bahn-Landesverband seine Hauptversammlung 2023 ausgerechnet im Heidekreis abhält, in der Höhle des Löwen sozusagen. Hier würde die Neubautrasse die Landschaft zerschneiden, hier dominieren Bürgerinitiativen den Diskurs. Vor allem aber hat Lars Klingbeil hier seinen Wahlkreis. Der Fahrgastverband sieht in dem SPD-Bundespolitiker einen einflussreichen Neubaustrecken-Verhinderer, der sich weniger für Sachargumente als die Stimmung der lokalen Wählerschaft interessiere.

„Die Zustände auf dem Heidekreuz kann man niemanden mehr erklären“ Dr. Karl-Ludwig von Danwitz CDU-Landtagsabgeordneter

Bei der Verbandsversammlung im Soltauer Hotel Meyn fiel dem örtlichen Landtagsabgeordneten Dr. Karl-Ludwig von Danwitz die Rolle zu, die Fahne der Trassengegner hochzuhalten. In seinem Grußwort hob der CDU-Mann Übereinstimmungen mit dem Fahrgastverband hervor, etwa wenn es um die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken oder die harte Kritik am regionalen Bahnunternehmen Start Niedersachsen Mitte geht. Die Zustände im Regionalverkehr auf dem Heidekreuz könne man „niemanden mehr erklären“, zeigte der Landespolitiker sich fast schon resigniert. Als letzte Option müsse auch über eine Vertragskündigung und die vorzeitige Neuausschreibung des Streckennetzes gesprochen werden.

Beim Reizthema ICE-Trasse beließ es von Danwitz dabei, auf unterschiedliche Positionen zu verweisen. Alle Argumente seien ausgetauscht. Er warnte die Mitglieder lediglich davor, der Deutschen Bahn alles zu glauben, als sei das Unternehmen eine neutrale Stelle. Und er trat dem Eindruck entgegen, dass der Widerstand gegen neue Trassen allein der konkreten Betroffenheit von Anwohnern geschuldet sei. Schließlich habe der Landtag sich geschlossen für Alpha E ausgesprochen, über alle Parteigrenzen und Regionen hinweg.

Die Versammlung bestätigte den Pro-Bahn-Landesvorsitzenden Malte Diehl in seinem Amt. Inhaltlich interessant wurde es bei zwei Impuls-Vorträgen. Zunächst referierte Hans Leister über den Deutschlandtakt. Der Bahnexperte gehört zu den Gründern der „Initiative Deutschlandtakt“, ist einer der Väter des 2008 durch engagierte Privatpersonen entwickelten Konzepts eines bundesweiten integralen Taktfahrplans zur Optimierung des Personenverkehrs auf der Schiene. Es sei ein gerade für mittlere und kleinere Bahn-Knotenpunkte fruchtbares Konzept, das Wartezeiten wesentlich verkürze und die Bahn konkurrenzfähiger mache, auch gegenüber Inlandsflügen. Um endlich zu wirksamen Klimaschutz im Verkehrsbereich zu gelangen, bräuchte man den Deutschlandtakt, „eigentlich schon 2030“, so Leister. Das sei nicht mehr möglich – und ein Verzicht auf notwendige neue ICE-Trassen würfe endgültig die Frage auf, ob eine echte Verkehrswende politisch überhaupt noch ernsthaft angestrebt wird.

„Natürlich darf man den DB-Zahlen nicht hundertprozentig glauben“ Rainer Engel Pro-Bahn-Vorstandsmitglied

In einem zweiten Vortrag sprach Rainer Engel, Pro-Bahn-Vorstandsmitglied aus Nordrhein-Westfalen, über die Neubaustrecke zwischen Hamburg und Hannover und deren Vorteile gegenüber dem reinen Bestandsausbau. Er präsentierte das angebliche Ergebnis des noch geheimen Prüfergebnisses des Variantenvergleichs der Bahn. Dieses sei dem Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages unter Ausschluss der Öffentlichkeit vertraulich präsentiert und ihm anschließend zugespielt worden. „Die A7-B3-Trasse gewinnt, ganz eindeutig“, so sein Fazit. Engel zeigte keine Papiere der Bahn, aber eine selbst erstellte Zusammenfassung der wichtigsten Kennzahlen. Danach schneidet eine an der A7 und B3 orientierte Neubaustrecke, vorbei an Soltau und Celle, unter den vier geprüften Varianten mit Abstand am besten ab. Die Umsetzung von Alpha E würde etwa fünfmal mehr landwirtschaftliche Flächen und fast dreimal mehr Wohngebiete beeinträchtigen als die Neubaustrecke. Auch Naturschutz- und Trinkwasserschutzgebiete würden vom Bestandsstreckenausbau stärker in Mitleidenschaft gezogen als vom Neubau. Die neue Trasse liefe zwischen Soltau und Celle überwiegend durch ökologisch minderwertigen Fichten- und Kiefernwald. Zudem ließe sich ein Neubau schneller realisieren. Er könne in 20 Jahren abgeschlossen sein, Alpha E bräuchte doppelt so lange und würde den laufenden Schienenverkehr viel stärker beeinträchtigen. „Natürlich darf man den DB-Zahlen nicht hundertprozentig glauben“, räumt Engel ein. Die Geheimhaltung verhindere aber die notwendige Diskussion, kritisierte er das Verfahren.

Pro-Bahn-Vision für Soltau

Der Pro-Bahn-Landesverband Niederschsen/Bremen übernahm auf seiner Versammlung in Soltau auf Antrag des Vorstands die Forderung nach einem Ausbau des Bahnknotens Soltau zum „Heidestern“. Das Maßnahmenbündel beinhaltet die Reaktivierung der Strecke nach Lüneburg; eine stündliche schnelle Regionalverbindungen nach Hamburg sowie über Celle nach Braunschweig oder Hildesheim (beide unter Nutzung einer neuen ICE-Trasse Hannover-Hamburg, an die Soltau durch Neubaukurven anzuschließen ist); die Prüfung einer Reaktivierung der Regionalstrecke Soltau-Celle mit Erschließung anliegender kleinerer Ortschaften; die Erhöhung der Zahl der Bahnsteigkanten in Soltau auf sieben oder acht sowie die Elektrifizierung der Heidebahn südlich von Soltau. ari

Andre Ricci