Politik und Gemeinde fordern Stoppschilder und Kreisel

Der Unfallwagen von Jan Blume: Seine Söhne und er haben den Unfall vor eineinhalb Jahren gut überstanden. Dennoch lässt ihn das Geschehen nicht los. Er hofft, dass die Kreuzung als Unfallschwerpunkt besser ausgestattet wird.

„Unfall - pass auf!“ Die Botschaft ist durch das als Kreuz stilisierte f eindeutig. Das Schild warnt die Verkehrsteilnehmer seit einiger Zeit kurz vor der Kreuzung Seebohm-Ring (K 39) und K 5 vor dem Gefahrenpotenzial. Immer wieder passieren dort schwerwiegende Unfälle, meist durch eine missachtete Vorfahrt. Auch nach der Serie an Unfällen an Pfingstsonnabend, die die Polizei als „zufällige Häufung“ eingeordnet hat (die Böhme Zeitung berichtete), gilt der Bereich noch nicht als Unfallschwerpunkt. Eine Autofahrerin überlebte den Aufprall mit einem anderen Fahrzeug nicht. Unfall mit Todesfolge ist der Anlass für den Landkreis, das Schild temporär als eindringliche Warnung zusätzlich aufzustellen.

Doch außer einer Auffrischung der ausgeblichenen Fahrbahnmarkierung soll es keine zusätzlichen Verkehrssicherungsmaßnahmen geben. Für den Landkreis als Verkehrsbehörde stellt der Kreuzungsbereich keinen Unfallschwerpunkt dar. Das sagte der Erste Kreisrat Oliver Schulze vergangene Woche in der Einwohnerfragestunde des Kreistags-Verkehrsausschusses auf eine Nachfrage des Bispingers Matthias Pech. Schulze berief sich dabei auf die Beurteilung durch die Heidekreis-Unfallkommission, die die Kreuzung wenige Tage nach der ungewöhnlichen Unfallhäufung in Augenschein genommen hatte und abgesehen vom Zustand der Markierungen keinen akuten Handlungsbedarf festgestellt habe. Die Markierungen seien als nicht mehr optimal angesehen worden und sollten zeitnah erneuert werden. Gleichwohl werde man das Geschehen in dem Bereich weiter beobachten, betonte Schulze. Wenn Handlungsbedarf erkannt werde, „werden wir uns wieder kümmern“.

Der Rat der Gemeinde Bispingen, der heute um 18 Uhr im Kartcenter im Horstfeld letztmalig vor der Sommerpause zusammenkommt, will einen gemeinsamen Antrag auf den Weg bringen. Gemeinde und Verkehrswacht hatten bereits gefordert, dass mehr getan wird, um weitere Unfälle zu verhindern. Der Landkreis Heidekreis, in dessen Zuständigkeit die Kreisstraßen fallen, soll geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Gefährdung zu minimieren. Die Gruppe CDU/Bürgerliste wünscht sich eine Temporeduzierung auf 70km/h. Die K 39 wird nicht als Vorfahrtsstraße wahrgenommen, heißt es von SPD/Grüne. Verwaltung, Politik und Verkehrswacht Munster-Bis- pingen fordern konkret Stopp-Schilder, thermoplastische Fahrbahnmarkierungen („Rüttelstreifen“) und eine mittel- bis langfristige Umgestaltung des Kreuzungsbereichs hin zu einem Kreisel.

Unfälle nach gleichem Muster

„Jeder Unfall sorgt für Leid“, sagt Jan Blume. Für den Vater von zwei Söhnen im Alter von 10 und 12 Jahren ist der Satz keine hohle Phrase. Er hatte vor eineinhalb Jahren, genau an Heiligabend, selbst einen Unfall auf der Kreuzung K39/K5. Auch wenn er mit seinen Kindern glimpflich davongekommen sei, habe ihn die Unfallserie an Pfingstsonnabend nochmals aufgerüttelt. „Da muss was passieren“, sagt er. Im Nachhinein ärgere er sich, dass er seine Beobachtungen und Erkenntnisse nicht schon früher eingebracht hat.

Er hat die Polizeiberichte durchforstet und festgestellt, dass die Unfälle einem bestimmten Muster folgen. Es geht vielfach um eine Missachtung der Vorfahrt. Wer auf der K 5 fährt, muss an der Kreuzung halten und die Fahrzeuge auf der K 39 passieren lassen. Doch der Tesla-Fahrer, der auf der K 5 aus Richtung B 209 kommend fuhr, habe nicht gemerkt, dass er ihm an der Kreuzung Vorfahrt gewähren muss. Blume hatte den Eindruck, dass er regelrecht aus dem Wald angeschossen kam. Nur im allerletzten Moment habe er ihn gesehen, zu spät, um einem Aufprall zu vermeiden. Sein Auto wurde durch den Aufprall am Heck touchiert. Er habe keine Kontrolle mehr über das Fahrzeug gehabt. Es landete am Rande der Kreuzung. Seine Söhne und er selbst seien durch Gurte und Airbags gut geschützt gewesen. Bis auf eine Prellung und den Schock hätten seine Söhne Gustav und Hendrik den Unfall gut überstanden. „Wir hatten Glück im Unglück“, sagt der 44-Jährige aus Hannover. Er hat ein Ferienhaus in der Nähe von Walsrode und hatte frischen Fisch in Grevenhof abgeholt, als ihm auf dem Rückweg der Unfall passierte. Vom Abschleppunternehmer Karsten Fromke, der sein beschädigtes Auto aus dem Graben zog, erfuhr er, dass er in den vergangenen Jahren mindestens zehn Autos immer von der gleichen Stelle mit identischem Schadensbild gezogen habe.

Wir hatten Glück im Unglück
— Jan Blume früheres Unfallopfer an der Kreuzung in Hützel

Blume irritierte die polizeiliche Einordnung, dass es sich bei den aktuellen Unfällen um eine zufällige Häufung an einem Tag handeln müsse. „Die Polizei verkennt die Situation“, meint er. Er sei kein Verkehrsexperte stellt er klar, aber er kennt sich mit Datenauswertung aus. Sein Unternehmen in Hannover analysiert Daten für große Unternehmen wie zum Beispiel aus der Automobilbranche. Zwischen 2019 und 2021 hat Blume fünf Unfälle mit Personenschaden aus dem Unfallatlas der statistischen Ämter zur Berechnung herangezogen. Je nach Schwere des Unfalls errechnet sich ein Wert durch eine Faktorisierung. Der Datenanalyst errechnet einen Wert von 13. Der Grenzwert beträgt 15. Durch die aktuellen Unfälle an Pfingsten wird die Kreuzung ein Unfallschwerpunkt, obwohl erst die erste Jahreshälfte einfließt. Der Grenzwert wird bereits jetzt durch sechs Unfälle zwischen 2021 bis 2023 erreicht: 21. Dies bestätigt Detlev Maske aus dem Verkehrssachgebiet der Polizeiinspektion Heidekreis. Offiziell anerkannt wird diese Entwicklung allerdings erst rückwirkend, nach Abschluss des Jahres 2023. Zur Bestimmung der Unfallhäufung wird immer der Zeitraum der vergangenen drei Jahre betrachtet. Dies ist im Merkblatt zur Örtlichen Unfalluntersuchung in Unfallkommissionen festgeschrieben. Dennoch sind der Landkreis Heidekreis und die Polizei nicht untätig gewesen und hat sich als Unfallkommission mit der Kreuzung beschäftigt. Bis auf die Fahrbahnmarkierung wurden keine Verbesserungen angeordnet, da die Kreuzung gut erkennbar und übersichtlich sei. Doch dies ist trügerisch. Blume hat sich mit dem Unfallverursacher ausgetauscht und erfahren, dass die Assistenzsysteme komplett versagt hätten. Das heißt, die elektronische Ausstattung des Teslas hat die Kreuzung mit Vorfahrtregelung nicht erkannt. Für Blume ein weiteres Indiz, dass die Kreuzung nicht sicher genug ist.

Julia Dührkop