Zahnmedizinische Versorgung auf dem Land bröckelt

Zahnärzte gelten als wohlhabend, aber steigende Betriebs- und Personalkosten bei gedeckelter Leistungsvergütung sorgen zunehmend für Unmut im Berufsstand.

Nach seiner Wahl schlug er kämpferische Töne an. „Dem zunehmenden Praxissterben in der Zahnmedizin muss umgehend massiv entgegengewirkt werden“, verkündete Dr. Markus Braun. Was man so sagt als Vorsitzender eines Berufsverbands. Doch Braun, seit September niedersächsischer Landesverbandschef des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), meinte es ernst. Nur vier Monate, nachdem die FVDZ-Landesversammlung den seit 1995 in Celle niedergelassenen Zahnarzt in Walsrode zum neuen Vorsitzenden bestimmt hat, macht der Verband mit einer ungewöhnlichen Aktion von sich reden. Am morgigen Donnerstag „streiken“ viele Zahnärzte in Niedersachsen und lassen ihre Praxen geschlossen. „Das hängt schon ein bisschen mit meiner Person zusammen“, sagt Braun. Weitere Streiktage soll es am 28. März sowie am 8. und 21. Mai geben. „Ohne Protest passiert nichts“, sagt Braun.

„Wirtschaftliche Praxisführung zunehmend nicht mehr möglich"

Die niedersächsischen Zahnärzte folgen mit ihrer Aktion dem Beispiel der Apotheker und Hausärzte. Streiks im eigentlichen Sinne sind Arbeitsniederlegungen von Selbstständigen und Freiberuflern nicht – umso wichtiger ist für sie die öffentliche Wahrnehmung, die Druck erzeugt. „Mit diesem Protest zeigen wir als FVDZ auf, dass eine fachlich qualifizierte zahnmedizinische Versorgung der Patienten sowie wirtschaftliche Praxisführung unter den rigiden Rahmenbedingungen von Budgetierung, überbordender Bürokratie und deutlich steigender Praxiskosten als selbständiger Berufsstand zunehmend nicht mehr möglich ist“, erläutert Braun und warnt vor zunehmender zahnmedizinischer Unterversorgung im ländlichen Raum. Die stark steigende Zahl von Studentinnen im ehemals männlich dominierten Studienfach Zahnmedizin verstärke den Trend, weil Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten. Hinzu trete der allgemeine Fachkräftemangel. Zahnarztpraxen fänden immer schwerer Personal.

Insbesondere im Nachbarlandkreis Celle und in der Region Ostfriesland bleiben morgen Zahnarztpraxen geschlossen. Im Heidekreis werden sich an diesem ersten von drei Protesttagen nur wenige beteiligen, schätzt Braun. Die Kampagne könnte aber weiter Fahrt aufnehmen. Der Unmut der Zunft sei groß, bestätigt Dr. Agathe Wotsch, die in ihrer Zahnarztpraxis in Munster fünf Angestellte beschäftigt, zwei davon in Vollzeit. Die Finanzierung des laufenden Betriebs und die Bezahlung von Arbeitskräften werde immer schwieriger. Und eine steigende Zahl junger Zahnmediziner arbeite nach dem Studium lieber in der Schweiz oder Österreich. Dort seien die Konditionen besser.

Zahl der Zahnärzte schrumpft

Die Zahl niedergelassener Zahnärzte in Niedersachsen ist rückläufig. Laut Statistischem Jahrbuch 2022/23 der Bundeszahnärztekammer sank sie zwischen 2014 und 2022 von 5200 auf 4250. Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) spricht von einem „dramatischen Rückgang der Niederlassungen". Immer mehr ältere Praxisinhaber schlössen ihre Praxen vorzeitig und für viele Jüngere sei die Niederlassung nicht mehr attraktiv genug. Der FVDZ ist mit mehr als 30000 Mitgliedern der größte zahnmedizinische Berufsverband Deutschlands. Im niedersächsischen Landesverband sind etwas mehr als 1500 Zahnärztinnen und Zahnärzte organisiert.