„Ganz einfach mal wegbleiben“

Das Hochwasser in Niedersachsen war für viele Wildtiere ein Drama.

Tote Rehe und Hasen: Das Hochwasser in Niedersachsen war für viele Wildtiere ein Drama in zwei Akten. Nach einem Januar mit Flut und Frost offenbaren die einst überschwemmten Bereiche rund um die Aller, Leine und Co. traurige Zustände. Allenthalben finden Jäger in betroffenen Gebieten, wo das Wasser zum Jahreswechsel buchstäblich ganze Landstriche in Seen verwandelt hat, verendete Tiere. „Vermehrt wurde nach der Hochwasserphase totes Wild in Revieren der Jägerschaft Soltau aufgefunden. Hier handelte es sich in vielen Fällen um Rehwild oder Feldhasen“, so Claus-Heinrich Schlange, Vorsitzender der Jägerschaft Soltau.

Wo das Ökosystem normalerweise selbst Abhilfe schafft und für die Zersetzung von Kadavern sorgt, mussten Niedersachsens Jäger in den vergangenen Tagen nachhelfen. Die gestiegene Zahl der toten Körper birgt Gefahr für Krankheiten. Mithilfe von Jagdhunden werden die verwesenden Tiere deshalb aufgespürt. Vielerorts können Jäger noch nicht vollends in die Marschen hinein. Endgültig lässt sich die Lage im Tierreich somit erst im Frühling bewerten. „Die Verluste beim Niederwild sind natürlich immens hoch. Es wird sich langsam wieder aufbauen. Das Großwild wird ausweichen, aber die betroffenen Flächen, auch wegen der beschädigten Saaten, spät wieder besiedeln können“, berichtet der Heidekreis-Kreisjägermeister, Wolfgang von Wieding.

Im öffentlichen Diskurs schwingt derweil der Vorwurf mit, viele Schaulustige verhielten sich rücksichtslos gegenüber den Wildtieren. Unangeleinte Hunde sowie Spaziergänger sollen das Wild an Deichen und Feldern aufgeschreckt haben. Mit steigenden Pegeln stieg nicht nur die Zahl der Wildunfälle an. Mangels Rückzugsorte ohnehin hilflose Rehe seien ins Wasser oder auf einbrechendes Eis getrieben worden. „Das Wild hat die verbliebenen trockenen Waldstücke angenommen“, berichtet von Wieding. „Allerdings wurden diese weiter von Publikum begangen.“ Gegen „den egoistischen Bürger, der die letzte trockene Ecke für einen guten Blick auf das Wasser betreten muss“ fordert von Wieding rigides Handeln seitens der Ordnungsämter.

In Schwarmstedt kam es zu einem tragischen Fall, bei dem vier Rehe auf einer Straße Zuflucht suchten. Von dem sich bildenden Publikum verschreckt, wurden sie zurück ins Wasser getrieben. Die intensive Strömung riss die chancenlosen Tiere sofort mit. „Durch die starke Flut wurde viel Wild in Richtung Nordsee mitgenommen“, konstatiert der Kreisjägermeister. Das erschwere eine Zuordnung. Zukünftig habe die Sperrung trockener Standorte Priorität. Zentrale Aufgabe sei, Störungen in entsprechend stressbehafteten Umständen zu unterbinden. „Ganz einfach mal wegbleiben“ laute dann die Devise.

Im Notfall muss der Jäger füttern

Der Heidekreis hat im Fall der Überschwemmungen zeitnah durch den Kreisjägermeister die Notzeit für betroffene Gebiete ausgerufen. Der Begriff stammt aus dem Jagdgesetz und regelt das Verhalten der Revierinhaber, wenn das Wild während der Vegetationsruhe aufgrund besonderer Wetterlagen gefährdet ist und über einen längeren Zeitraum keine Nahrung findet. Bei erheblichen Einschränkungen muss der Jäger das Wild notfalls füttern. Dementsprechend darf in den betroffenen Gebieten nicht gejagt werden.

Daniel Herzig1 Comment