Was bewirken Demos gegen rechts?

Vor dem Schneverdinger Rathaus demonstrierten über 800 Menschen im Regen gegen Rechtsextremismus. Ob die Proteste die erhofften Stimmeneinbußen aufseiten der AfD bewirken, kann nur bedingt beantwortet werden.

Weit über zwei Millionen Menschen sind seit dem Februarbeginn im Sinne der Demonstrationen gegen Rechtsextremismus für eine freiheitliche Demokratie auf die Straße gegangen. Neben der Protestaktion am Rathaus in Schneverdingen mit geschätzt 800 Teilnehmern sind am Wochenende unter anderem in Essen, Bochum, Wolfsburg oder Magdeburg auch bundesweit Tausende erneut auf die Straßen gepilgert. Obwohl es weiterhin zu solchen Nachläufern in einzelnen Städten kommt, ebbt die ganz große mediale Aufmerksamkeit naturgemäß ab. Die Teilnehmerzahlen sinken. Was HeidekreisLandrat Jens Grote vor vier Wochen auf der Bad Fallingbosteler Demo einen „Langstreckenlauf“ nannte, scheint sich zu bewahrheiten.

Die Veranstalter sind bemüht, den Geist der Aktion, der im Rahmen der Potsdamer Correctiv-Recherche über die Deportationspläne Rechtsextremer seinen Auslöser fand, nicht zu einem kurz auflodernden Schnellfeuer verkommen zu lassen. Betont wurde das auch am Sonntag in Schneverdingen mit dem Verweis auf Demo-Termine wie in Munster am kommenden Sonntag. Auch in Soltau wollen die Menschen zwei Wochen später für die Demokratie auf die Straße gehen. Dass anfangs starker öffentlicher Zuspruch zu Verdruss und Themen-Müdigkeit verkommt, ließ sich in Vergangenheit bei so manch politischem Thema beobachten. Man spürt, wie Organisatoren und Politikern daran gelegen ist, es nicht dazu kommen zu lassen.

Zusammenhang zwischen Stimmenschwund und Demos?

Ob sich potenzielle AfD-Wähler von der breiten Masse samt Bildern und Gegenstimmen in ihrer Entscheidung, wo sie ihr Kreuz setzen, tatsächlich beeinflussen lassen, ist derweil unklar. Auf BZAnfrage äußert sich Wahlforscher Matthias Jung, Vorstandsmitglied des Meinungsforschungsinstituts Forschungsgruppe Wahlen, vorsichtig: „Netto ist da über einige Wochen eine Veränderung bei der Zustimmung zur AfD im ZweiProzent-Bereich festzustellen.“ Tatsächlich ist die Partei um ihr Vorsitzenden-Duo Tino Chrupalla und Alice Weidel seit Anfang des Monats in beinahe allen relevanten Wahlumfragen unter die 20-Prozent-Marke gerutscht.

Wie das allerdings in Verbindung mit den Demonstrationen steht, wagt der Demoskop nicht zu beurteilen. „Mal abgesehen davon, dass das bisher eine Momentaufnahme ist, haben wir parallel dazu die Etablierung des Bündnis Sahra Wagenknecht, das nachgewiesenermaßen für AfD-Anhänger sehr attraktiv ist. Denn es repräsentiert ebenfalls unter anderem eine Protesthaltung gegen das etablierte politische System.“

Verhärtete Fronten auf beiden Seiten

Viele Politologen schwenken daher aktuell den Blick vom Effekt auf AfD-Sympathisanten zu den Teilnehmern der Demonstrationen. So lässt sich zumindest eine nachhaltige Stärkung der Zivilgesellschaft im Kampf für ein gemeinsames Ziel beobachten. Der symbolisierte Zusammenhalt in Zeiten düsterer Zukunfts-prognosen und spaltender Debatten hat etwas Einendes. Sich lautstark gegen das populistische Narrativ zu stellen, sodass „das Volk“ beziehungsweise dessen Meinungsvertretung eben nicht von der AfD reklamiert werden kann, politisiert DemoTeilnehmer vielerorts.

Auch Meinungsforscher Jung attestiert eine ähnliche Wirkung in seiner Analyse: „Ohne dass es zwingend empirisch belegt werden kann, besteht meines Erachtens die Hauptwirkung der Demonstrationen gegen rechts in einer Selbstvergewisserung der Mehrheit in der Bevölkerung, die die AfD sehr deutlich ablehnt.“

Dass der politische Gegenspieler klar ausgemacht und deutlich benannt wird, zeige hingegen auch im harten Kern der AfD-Wählerlandschaft Wirkung. Jung sieht demnach in beiden Lagern verhärtete Fronten und den ursprünglichen, von Anti-AfD-Demoteilnehmern erhofften Effekt außer Kraft gesetzt. „Die Demonstrationen führen bei den Anhängern der Partei eher zu einer Trotzreaktion, gewissermaßen zu einer Stabilisierung.“ Für den 68-Jährigen ist somit abzusehen, dass dadurch nennenswerte Meinungsänderungen aller Voraussicht nach nicht zu erwarten seien.