Der Wind bringt das Wasser auf den Acker

Das geht fix: An einem Tag ist die Kleinwindanlage auf dem Acker aufgestellt.

Der von Christian Schmid geführte Hof Springhorn in der Soltauer Ortschaft Frielingen zählt zu den größeren Ackerbaubetrieben in der Region. Als „hackfruchtlastig“ beschreibt ihn Schmid selbst. Anbauschwerpunkte auf eigenen und teilweise gepachteten Flächen im nördlichen Heidekreis sind Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide.

Da war in den zurückliegenden Jahren mit längeren niederschlagsarmen Perioden immer häufiger künstliche Beregnung erforderlich. Auf- und Abbau, Transport und nicht zuletzt der Betrieb der von Dieselaggregaten betriebenen Anlagen erfordern einen erheblichen Zeit- und Geldaufwand. Auch wenn es zuletzt etwas geregnet hat und die Temperaturen sanken, erwartet Schmid nach der zuvor wochenlangen Trockenheit abermals ein beregnungsaufwendiges Jahr, auch für einen 32 Hektar großen Schlag in der Gemarkung Grauen nahe der Rotenburger Kreisgrenze.

Dort wächst Braugerste heran. Die braucht verlässlich ausreichend Feuchtigkeit, damit das Getreide die von der Mälzerei geforderten Qualitätskriterien erfüllt. Dafür muss das Dieselaggregat angeworfen werden – Schmid hofft zum letzten Mal. Ab dem kommenden Jahr, so der Plan, soll die Bewässerung mit der Kraft des Windes erfolgen.

Die wichtigste Voraussetzung ist geschaffen. Seit einigen Wochen steht ein 15 Meter hohes Kleinwindrad Typ 6 des Herstellers EasyWind mit seinen vier jeweils dreieinhalb Meter langen Rotorblättern im Niemandsland. Aus der Entfernung betrachtet wirkt es fast etwas verloren.

Es ginge auch eine Nummer größer. 26 Meter erreicht zum Beispiel eine Anlage, die ein Berufskollege aus dem Landkreis Uelzen im vergangenen Jahr in Betrieb genommen hat. Davon hat Schmid jedoch schnell Abstand genommen – in erster Linie wegen der Kosten, die bei etwa 280.000 Euro lagen. Abschreckend war aber auch der im Bericht einer landwirtschaftlichen Fachzeitung auf zwei Jahre bemessene Planungs- und Genehmigungsaufwand für eine solche Anlage – „das ganze Programm, wie bei einem großen Windrad“. Nach Gesprächen mit dem Landkreis war der Enthusiasmus erst einmal ausgebremst. Fast hätte Schmid seine Wind-Pläne komplett ad acta gelegt – entschloss sich schließlich aber doch für die kleine Lösung. Da sei auch ein wenig Pioniergeist im Spiel gewesen, lässt er durchblicken.

Die Anlage an einem Tag aufgebaut

Kleinwindanlagen bis 15 Meter Höhe sind nämlich genehmigungsfrei. Für den Aufbau benötigten die beiden Monteure nur einen Tag. Fundamente mussten sie keine in die Erde bringen. Das Stahlgerüst für den Kippmast ruht auf vier auf der Erde liegenden Betonquadern. Ebenso schnell wie auf-, kann das Ganze wieder zurückgebaut werden.

Noch erzeugt das Windrad keinen Strom. Der Rotor dreht sich erst, wenn ein Abnehmer dranhängt, und bestreicht dann eine Fläche von 36 Quadratmetern, erklärt der angehende „Windmüller“ fachmännisch. Im Normalbetrieb beträgt die Leistung etwa sechs Kilowatt, bei Maximallast bis zu acht.

Mit Windkraft wird Wasser aus dem Brunnen in einen Pufferspeicher gefördert, der unmittelbar hinter dem Windrad angelegt werden soll, der überschüssige Strom wird in einen Batteriespeicher geleitet. Wenn auf dem Feld dann Wasserbedarf besteht, wird dieses mittels einer Hebepumpe mit der Speicherenergie in die Beregnungsanlage befördert. Dafür seien nur etwa 25 Prozent des Energieaufwands wie beim Betrieb eines Dieseleaggregats erforderlich, nennt Schmid einen Vorteil. Ein weiterer: Das Wasser wird nicht direkt kühl aus dem Brunnen, sondern vorgewärmt ausgebracht, was sich förderlich auf das Pflanzenwachstum auswirke.

Demnächst soll der Batteriespeicher angeliefert werden, etwa so groß wie drei Waschmaschinen und mit 200 Kilowattstunden Speicherkapazität. „Die ist erweiterbar bis 200 Kilowattstunden“, so Schmid. Wie groß die Anlage und der Pufferspeicher zu dimensionieren sind, müsse erst noch ermittelt werden.

Bisher dreht sich nur ein kleines Messrad

Deshalb dreht sich bislang nur ein kleines, unter der Gondel mit den Rotorblättern angebrachtes Schaufel-Messrad, um festzustellen, wie ergiebig es hier in der nordwestlichen Ecke des Heidekreises überhaupt weht. Die Daten werden über eine Wlan-Verbindung zu EasyWind ins nordfriesische Enge-Sande gesendet, wo das Unternehmen seinen Sitz auf dem GreenTec-Campus für Firmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien hat. Dort verarbeitet Ingenieur Marten Jensen die gesendeten Werte. Seine Aufgabe sei es, das Wasser- und das Batteriereservoir so in Einklang zu bringen, dass die höchstmögliche Anlagen-Effektivität erzielt werde, beschreibt der Firmeninhaber die Herausforderung. Seit 35 Jahren ist Jensen nach eigener Aussage in der Windkraftbranche tätig. „Im Februar und März war wenig Wind in Grauen“, hat Schmid von ihm schon erfahren.

Beim Preis seiner Anlage bleibt der Landwirt vage: im unteren fünfstelligen Bereich. Da sei ihm der Hersteller ein Stück entgegenkommen. Seit 1989 auf dem Markt, hat das Unternehmen laut eigener Homepage inzwischen Anlagen an über 400 Standorten installiert und ihre „Sturmfestigkeit“ über einen Zeitraum von über zehn Jahren belegt. Besonders hoch ist die Dichte in Schleswig-Holstein und Dänemark. Südlich der Elbe muss man sie dagegen suchen.

Da könnte die Anlage in Grauen als Referenzobjekt für Interessierte aus Niedersachsen dienen – nicht nur für Beregnungszwecke, sondern beispielsweise auch unter dem Aspekt Brandschutz von Wald und Ökofläche, für die Notstromversorgung von Betrieben sowie kritischer Infrastruktur, Stichwort Resilienz – oder sogar für die Betankung landwirtschaftlicher Maschinen mit Windkraftstoff, wagt Schmid einen Blick in die Zukunft.