C-Waffen-Altlasten: Bürger fordern schnelles Handeln

Die C-Waffen-Altlasten beschäftigen die Munsteraner seit Jahrzehnten. Am Dienstag äußern sie bei der Podiumsdiskussion der Böhme-Zeitung ihren Unmut über die schleppende Vernichtung. Foto: at

Gleich zu Beginn fasst Lutz Winkelmann das zusammen, was auch alle anderen zum Kommen in das Soldatenheim bewogen hatte: „Wir wollen in Munster die Altlasten loswerden“, sagt der Landtagsabgeordnete, Ratsvorsitzende, Christdemokrat und Munsteraner.

Warum das nicht schon lauter und deutlicher politisch gefordert wurde, fragt ihn zuvor die Moderatorin des Abends, Julia Weigelt. Darauf weiß Winkelmann keine konkrete Antwort: Er erzählt von etlichen Anläufen, davon, dass in Sachen Dethlinger Teich niemand einen Königsweg hatte, es sei wohl eher ein Marathonals ein 100Meter-Lauf. Dennoch, so Winkelmann, habe sich in Munster viel getan: „Früher wurde alles hierher gekarrt. Die Stadt hatte kein Mitspracherecht. Geändert hat sich das mit dem Aufbau der Geka, da hat der Bürgermeister einen Aufsichtsratssitz bekommen und damit Informationen.“ Er sagt es, als wäre es ein hartes Ringen mit dem Geka-Eigentümer, dem Bund, um den Sitz gewesen.

Die Böhme-Zeitung hatte sich der Altlastensituation in Munster in einer dreiteiligen Serie angenommen, speziell die Situation zum Dethlinger Teich beleuchtet. Am Dienstagabend nun wird das Thema öffentlich bei einer Podiumsdiskussion vertieft. Der Saal im Soldatenheim ist so voll, das Sorge besteht, dass die Letzten nicht mehr hereingelassen werden können, gut 300 Menschen hören zu, und viele kommen bei der Diskussionsrunde zu Wort.

Moderatorin ist Fachjournalistin Julia Weigelt, die die Artikel geschrieben hat. Winkelmann sitzt zusammen mit seinem Bundestagskollegen, Ratsmitglied, Sozialdemokrat und Munsteraner Lars Klingbeil auf dem Podium. An ihrer Seite haben sie Dietrich Wiedemann, Kreistagsmitglied, Grüner und Soltauer und bereits vor Jahren mit den Altlasten befasst, sowie Dr. Uwe Kallert, der die fachliche Seite vertritt. Kallert leitet das Altlastenreferat des niedersächsischen Umweltministeriums und ist damit vorgesetzte Behörde der Unteren Bodenschutzbehörde, also des Landkreises Heidekreis. Kallert betont an dem Abend nicht nur einmal: „Wir helfen mit Finanzen und Personal. Aber zuständig ist der Heidekreis.“ Doch der Kreis und auch die Munsteraner Verwaltungsspitze waren trotz Einladung nicht gekommen.

Lars Klingbeil gibt das weiter, was in Munster alle gedacht hätten: Der Dethlinger Teich werde engmaschig überwacht. Dass das seit 2009 nicht der Fall sei, das habe in Munster niemand gewusst, und auch die Begründungen, keine Werte, kein Geld widersprächen sich, seien aber inzwischen nachvollziehbar. „Warum werden wir nicht informiert?“ Da könne er verstehen, wenn das Vertrauen in Politik und Verwaltung schwinde. Vor allem, weil Munster immer bereit gewesen sei, andere Belastungen zu ertragen, wie Bundeswehr oder die Reste der syrischen Kampfstoffe, die bei der Geka vernichtet werden: „Dann kann man aber auch erwarten, dass uns Land und Bund unter die Arme greifen“, fordert Klingbeil und will es als politische Aufgabe mit nach Berlin nehmen, sich darum zu kümmern.

Blick in die Historie

Dr. Uwe Kallert aus dem Umweltministerium hat gleich zu Beginn kurz erläutert, warum Munster so extrem von Altlasten chemischer Waffen betroffen ist. Dabei blickt er auf das Jahr 1919 zurück, als eine Million Granaten explodierten und in einem Umkreis von drei Kilometern Boden und Grundwasser bis heute vergiften. Weiter sei es nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg gegangen, als Boden- und Umweltschutz ebenfalls keine Rolle spielten, und außerhalb des bereits verseuchten Gebietes der Dethlinger Teich mit Giftstoffen gefüllt und schließlich mit Bauschutt abgedeckt wurde.

Dietrich Wiedemann erinnert sich an die Bemühungen der Bürgerinitiative, vor allem in Sachen Dethlinger Teiche eine Lösung zu erreichen. Geantwortet hätte der Bürgermeister mit der Drohung einer Strafanzeige. Wiedemann habe sich daher damals als Kreistagsabgeordneter an den Landkreis gehalten, der alle Fragen beantwortet und später auch regelmäßig im Umweltausschuss dazu berichtet habe. „Die Schrägbohrung am Dethlinger Teich ist die Frucht des Engagements der Bürger, nicht die des Munsteraner Rates. Der hat bis heute geschwiegen.“

Warum diese Überwachung nicht mehr erfolge, erläutert Kallert: 2009, so der Referatsleiter, habe sich herausgestellt, dass die Beprobung nicht geeignet sei, die Messstellen nicht die richtige Lage hätten. Das Umweltforschungszentrum Leipzig/Halle sei dabei, sich wissenschaftlich damit auseinanderzusetzen, noch in diesem Jahr soll es dazu ein Ergebnis geben. Fest stehe schon jetzt, dass vieles, was man geglaubt habe zu wissen, so nicht stimme. Der Heidekreis wolle nun sein Konzept zum Dethlinger Teich total überarbeiten. Im kommenden Jahr könnten dafür auch Fördermittel des Landes beantragt werden.

Überhaupt die Finanzen: 100 000 bis 200 000 Euro könnten die neuen Bohrungen für eine umfassende Untersuchung kosten, auf der wiederum eine Machbarkeitsstudie aufbauen soll und danach die Sanierung erfolgen könnte. Der Heidekreis könnte Fördermittel in Höhe von 70 Prozent für die Untersuchung beim Land beantragen: „Aber auch unsere Geldmittel und unsere Ressourcen sind begrenzt“, so Kallert.

Und da sind wiederum die beiden Bundesbeziehungsweise Landespolitiker gefragt: „Da müssen wir gucken, wo kriegen wir das Geld her“, sagt Klingbeil. Öffentlicher Druck könne helfen, vor allem, weil es noch viele andere Baustellen in ganz Deutschland gebe. Er sei bereits mit anderen Abgeordneten dabei, für solche Fälle, wo Rüstungsaltlasten auf privatem Gelände lagerten, eine Lösung zu finden. Winkelmann fordert allerdings zunächst ein schlüssiges Konzept und dann die Gelddiskussion: „Das in einer knappen Zeit für den Dethlinger Teich. Niemand ist mit einem Strohfeuer geholfen.“

Winkelmann und Klingbeil sagen zu, dass das Thema Dethlinger Teiche, aber auch die Sanierung im Bereich Munster Nord Themen des Stadtrates werden würden. „Aber es eignet sich nicht für die Selbstdarstellung der Stadt in der Öffentlichkeit“, sagt Winkelmann, was ihm Unmutsäußerungen aus dem Publikum einbringt.

Wut in Worte gefasst

In der anschließenden Diskussion fassen die Bürger schließlich ihre Wut in Worte: „Eigentlich reicht es mir. Wir haben inzwischen einen Zeitverlust von 20 Jahren. Solange diskutieren wir schon.“ „Da hätte früher etwas passieren müssen, die Sache kommt ziemlich spät.“ „Es gibt nicht nur den Dethlinger Teich und MunsterNord, sondern auch noch viele andere Gefährdungslagen beispielsweise in Oerrel.“ „Schon 1991 wurde protokolliert, dass die Brunnen am Dethlinger Teich nicht richtig liegen.“ „Vor 20 Jahren wurde die Initiative durch die Stadt verhindert. Da muss jetzt Dampf gemacht werden, sonst ändert sich auch in den nächsten 25 Jahren nichts.“ „Der Dethlinger Teich ist sicher, so sicher, dass der Landkreis die Beprobung eingestellt hat“, klang dabei auch Ironie durch. Und schlussendlich fordern Anwesende: „Transparenz und Informationen an die Bürger. Dann sind wir auch in Sachen Glaubwürdigkeit einen Schritt weiter.“

Böhme-Zeitung