Politiker machen Altlasten zum Thema

Auf dem Gelände der Geka sind in Hochregalen Säcke mit verseuchter Erde vom Truppenübungsplatz Munster-Nord gestapelt. Foto: juw

Die Berichterstattung über Altlasten chemischer Waffen hat in Munster für Aufregung gesorgt. Die Böhme-Zeitung hatte berichtet, dass der verseuchte Dethlinger Teich seit Jahren nicht mehr systematisch überwacht wird. Rund um den Truppenübungsplatz Munster-Nord werden zudem hunderte Kilo Giftstoffe pro Jahr aus dem Grundwasser gefiltert. Die Sanierung läuft schleppend, die Stadtverwaltung ist an einer Neugestaltung des Sanierungskonzepts nicht beteiligt. Politiker und Parteien in Stadt und Kreis wollen jetzt handeln.

Stefan Sorge, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands, sagt: „Dieser Bereich ist für uns in Munster schon immer ein sensibles Thema gewesen, worum wir uns auch mit den verschiedenen Gremien und Institutionen gekümmert haben.“ Sorge verweist auf die kleine Anfrage, die der CDU-Landtagsabgeordnete und Ratsvorsitzende Lutz Winkelmann Ende September an die Landesregierung gestellt hat (die BZ berichtete).

Ergebnisse des Heidekreises, der als untere Bodenschutzbehörde für das Thema zuständig sei, liegen der CDU nicht vor. Die Partei stehe allerdings in Kontakt mit den Stadtwerken, die das Trinkwasser regelmäßig kontrollieren. „Wichtig ist, dass alles überwacht und ein mögliches Risiko mit den immer besser werdenden Erprobungsmöglichkeiten frühzeitig erkannt wird“, sagt Sorge.

Detlef Rogosch, stellvertretender Vorsitzender des SPD-Stadtverbands, und die Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Renate Kapp, fordern, den Dethlinger Teich schnellstmöglich wieder zu beproben. „Hierzu müssen in diesem Jahr noch die begonnenen Untersuchungen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung fortgesetzt werden“, sagt Rogosch. „Ziel muss es sein, endlich gesicherte Möglichkeiten der Sanierung dieser chemischen Rüstungsaltlast zu entwickeln.“

Für Untersuchung und Sanierung fordert der SPD-Vorstand Geld von Land und Bund. „Aus unserer Sicht handelt es sich beim Dethlinger Teich um eine Altlast, die verursacht wurde durch ehemalige reichseigene Kampfstoffmunition. Hier steht der Bund in der Verantwortung. Das Hinund Herschieben der Verantwortlichkeit für die Finanzierung muss ein Ende haben.“ Diese Forderungen sollen über den Verwaltungsausschuss an die zuständigen Behörden auf Landkreis-, Landesund Bundesebene weitergeleitet werden.

Erste Gespräche mit der Stadt fanden demnach bereits statt. Einen „Runden Tisch“ zum Thema hält Rogosch für „überlegenswert“: Es müssten alle zuständigen Ebenen an der Lösung der Problematik mitarbeiten. Der Dialog mit den Bürgern und deren Information sei wichtig.

Bürgermeisterin Christina Fleckenstein (SPD) nahm die Berichterstattung zum Anlass, bei einer Informationsveranstaltung demonstrativ ein Glas Leitungswasser zu trinken. Sie wies Vorwürfe zurück, die Politik kümmere sich nicht um das Thema, und räumte gleichzeitig ein, dass sie von der Einstellung der Probenentnahme am Dethlinger Teich nichts gewusst habe. Die Stadt habe eine „Holschuld“, bei übergeordneten Behörden Informationen anzufordern. Ihre Entscheidung, das Thema im Wahlkampf nicht anzusprechen, halte sie nach wie vor für richtig. Schriftlich teilte die Bürgermeisterin mit: „Wir sind sehr daran interessiert, dass der Landkreis als zuständige Bodenschutzbehörde die geplanten Detailuntersuchungen durchführt und danach eine Machbarkeitsstudie möglicher Sanierungskonzepte erstellt.“ Die Beprobung des Dethlinger Teiches solle „zeitnah“ fortgesetzt werden, was sie beim Heidekreis einfordern wolle.

Alle einbinden

Wichtig ist Fleckenstein zudem ein enger Informationsaustausch aller Beteiligten, insbesondere zwischen Stadt und Landkreis, aber auch die Einbindung der örtlichen Parteien und der hiesigen Landtagsund Bundestagsabgeordneten. Informationen für Bürger soll es „bei Bedarf“ geben.

Landrat Manfred Ostermann (parteilos) hatte jüngst bei einer Veranstaltung zum Thema Dethlinger Teich gesagt, der Kreis stehe „Gewehr bei Fuß, die Erprobung wieder aufzunehmen“. Bund und Land seien mit der Finanzierung gefordert. Schriftlich teilt Ostermann mit, das Projekt des HelmholtzZentrums für Umweltforschung am Dethlinger Teich müsse fortgesetzt werden, bevor man sich mit einer Sanierung beschäftigen könne. Geld für das Forschungsprojekt soll ab 2016 aus einem Förderprogramm des Landes fließen.

„Bezüglich der erheblichen Eigenanteile erwarte ich von Bund und Land gleichermaßen eine massive Unterstützung“, teilt der Landrat mit. Die bisherige Altlastbearbeitung sei abgesehen von einigen Beiträgen im Umweltausschuss des Heidekreises ohne Beteiligung der Öffentlichkeit abgelaufen. Inwieweit das in Zukunft anders geregelt werden soll, sei „mit den jeweiligen Projektbeteiligten zu diskutieren“.

Dieter Möhrmann, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, räumt ein: „Uns war nicht bekannt, dass die Untersuchungen der Wasserproben aus den Kontrollbrunnen am Dethlinger Teich nicht fortgeführt werden.“ Möhrmann fordert den Landkreis auf, die Beprobung wieder aufzunehmen. Vom Forschungsprojekt des Helmholtz-Zentrums erhofft sich der SPD-Fraktionsvorsitzende ein Sanierungskonzept. „Danach soll mit erheblicher Förderung durch Land und Bund hoffentlich mit der Sanierung begonnen werden“, sagt Möhrmann.

Die Sanierung des Truppenübungsplatzes Munster-Nord solle planmäßig fortgeführt werden. „Ich schlage der Fraktion vor, dass in einer öffentlichen Sitzung des Umweltauschusses die Öffentlichkeit und die Abgeordneten von der Kreisverwaltung über den Sachstand informiert werden.“

Hermann Norden, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion, teilt mit, seine Fraktion habe sich „ständig mit der Thematik der Altlastensanierung auseinandergesetzt“. So habe die Fraktion dem Landkreis im Dezember ein Kampfmittelbeseitigungsunternehmen empfohlen und den CDU-Bundestagsabgeordneten Reinhard Grindel um Mithilfe in Berlin gebeten. Beim Dethlinger Teich gehe die CDU entgegen den Aussagen des Landkreises weiterhin davon aus, dass dort regelmäßig Grundwasserproben entnommen werden.

Die Verantwortung für das Thema Altlastensanierung liege beim Bund, ist sich Norden sicher. „Der Landkreis oder gar die Stadt Munster wäre mit der Beseitigung einer solchen Altlast aus Kriegsproduktion völlig überfordert“, sagt der Fraktionsvorsitzende. „Wir fordern deshalb ein zwischen Bund und Land abgestimmtes Altlastenbeseitigungsprogramm für den Heidekreis. Ein Rückzug auf formale Punkte darf es weder durch die Landesnoch durch die Bundesregierung geben.“

Runder Tisch verschleiert

Einem „Runden Tisch“ zwischen den Beteiligten steht Norden skeptisch gegenüber, weil so „die Verantwortung verschleiert“ werde. Nur wenn Bund und Land mitdiskutieren, ist die CDU zur Mitarbeit bereit. „Ziel muss hierbei die Erstellung und Durchführung eines Altlastenbeseitigungsprogramms sein. Dieses Ziel ist zügig zu verfolgen“, sagt Norden.

Dietrich Wiedemann, Mitglied des Umweltausschusses der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, teilt mit: „Wir sehen uns durch die Berichterstattung in der Böhme-Zeitung darin bestätigt, dass der Dethlinger Teich neben anderen Altlasten in Bomlitz (Eibia) und Schneverdingen (TNT) die wichtigste Umwelt-Hypothek des Zweiten Weltkriegs im Landkreis ist.“ Die Fraktion habe die Bürgerinitiative gegen Rüstungsaltlasten in Munster in den 1980erund 1990er-Jahren durch Anfragen im Kreistag unterstützt.

„An eine Öffnung der Deponie und die Bergung der versenkten Granaten war laut Auskunft des Kreises damals wegen der entstehenden Giftgas-Gefahren nicht zu denken“, sagt Wiedemann. „Die Aktivitäten der Bürgerinitiative einerseits und der Kreistags-Grünen andererseits waren aber nach unserer Überzeugung Impulse für die seinerzeit erstellten Gutachten zur Gefährdungs-Abschätzung des Dethlinger Teichs, die heute den Behörden in Munster, Bad Fallingbostel und Hannover vorliegen. Auf Basis dieser Gutachten verlangen wir, dass die Bergungsmöglichkeiten nach dem heutigen Stand der Technik neu geprüft werden.“

Die Fraktion unterstütze die Forderung der Stadt und des Landkreises, die Schadstoffwerte im Grundwasser rund um den Dethlinger Teich wieder regelmäßig zu prüfen. Zudem solle nach allen denkbar vorhandenen Chemikalien und ihren Verbindungen gefahndet werden. „Mit der bisherigen Praxis der Eingrenzung der beprobten Stoffe zur Vermeidung von Laborkosten sind wir nicht einverstanden“, sagt Wiedemann.

„Fernziel bleibt für uns nach wie vor die Bergung der Giftgas-Granaten. Da dies nicht mit kommunalen Finanzmitteln geleistet werden kann, müssen Bund und Land in die Verantwortung gezogen werden.“ An einem „Runden Tisch“ ist die Fraktion interessiert und hat bereits Kontakt mit einigen Beteiligten aufgenommen.

Der SPD-Bundestagsabge ordnete Lars Klingbeil hat die Recherchen der Böhme-Zeitung zum Anlass genommen, mit den Verantwortlichen vor Ort und den zuständigen Ministerien auf Bundesund Landesebene über die Rüstungsaltlasten zu sprechen. „Auch bei den Haushaltsexperten der SPD-Bundestagsfraktion und meinen Kollegen im Verteidigungsausschuss habe ich das Thema Altlasten angesprochen. Der Bundesrat drängt seit längerem auf eine stärkere Entlastung von Ländern und Kommunen beim Umgang mit Rüstungsaltlasten. Demnächst wird uns ein Antrag des Bundesrats zu dem Thema erreichen, der ein guter Anknüpfungspunkt ist, die Diskussion im Bundestag zu intensivieren. Wichtig ist, dass die Stadt Munster mit dem Landkreis eine geschlossene Position entwickelt, damit wir bei den weiteren Gesprächen gemeinsam in eine Richtung gehen“, sagt Klingbeil.

„Wir brauchen ein tragfähiges und ambitioniertes Konzept bei der TruppenübungsplatzSanierung“, so Klingbeil. „Hier wird ab 2016 neu verhandelt. Die Stadt Munster gehört aus meiner Sicht dringend mit an den Verhandlungstisch.“ Beim Dethlinger Teich müsse die Beprobung umgehend wieder aufgenommen werden. „Im nächsten Schritt muss ein Sanierungskonzept entwickelt werden, das finanziell von Land und Bund getragen wird. Stadt oder Landkreis sind hier allein finanziell überfordert“, sagt Klingbeil.

„Ein ,Runder Tisch‘ mit anderen Parteien, der Stadtverwaltung und der Kreisverwaltung ist ein sinnvoller Schritt. Wir brauchen mehr Transparenz und Information, damit die Bürger überhaupt erst in die Lage versetzt werden, ihre Meinung zum Thema zu äußern“, meint der Bundestagsabgeordnete.

Böhme-Zeitung