In zwei Jahren wird der Giftcocktail freigelegt

Eine rege Diskussion zu der Altlasten-Thematik kam nach mehr als zwei Stunden purer Information in der Festhalle nicht auf. Foto: at

at Munster. Wenig emotional, eher betont sachlich verlief die Informationsveranstaltung der Stadt Munster und des Landkreises zum Thema Altlasten. Nach mehr als zwei Stunden gefüllt mit Daten und Fakten stellte der Landkreis ein Konzept für die Sanierung des Dethlinger Teichs vor, das allerdings unter einem Finanzierungsvorbehalt steht.

50 Millionen Euro, so schätzt die untere Bodenschutzbehörde des Landkreises, könnte allein die reine Sanierung kosten. Vor einem Vierteljahrhundert, als eine Bürgerinitiative sich schon einmal für die Sanierung des Dethlinger Teichs einsetzte, war von umgerechnet 250 Millionen Euro die Rede.

Zweifel, ob die Plansumme des Landkreises ausreicht, hatte auch Munsters Bürgermeisterin Christina Fleckenstein: „Möglicherweise müssen wir noch eine Null dranhängen.“ Den Bund wolle sie dazu nicht aus der Verantwortung lassen: „Wir würden uns freuen, wenn er einspringt.“

„Das Thema begleitet uns seit 25 Jahren“, sagte Fleckenstein vor rund 350 Zuhörern in der Festhalle. Nach anfänglichen Protesten sei es relativ still geworden. Die Böhme-Zeitung folgte im Januar in einer dreiteiligen Serie den Spuren der Kriegshinterlassenschaften sowohl auf dem Truppenübungsplatz Munster Nord, als auch denen im Dethlinger Teich. Sie deckte auf, dass die Überwachung des Teichs schon seit Jahren nicht mehr stattfindet.

„Da bin ich der Böhme-Zeitung dankbar“, sagte Fleckenstein zur Berichterstattung. Von der Einstellung der Beprobung habe die Stadt nichts gewusst. Da habe es keinen Informationsfluss zwischen Landkreis und Stadt gegeben. Fleckenstein gab aber zu, dass „wir nicht nachgefragt haben“, das Interesse Munsters relativ gering gewesen sei.

Für Schuldzuweisungen sollte in der Informationsveranstaltung kein Raum bleiben: „Wir haben vereinbart, eng zusammenarbeiten, uns auszutauschen. Wir richten den Blick in die Zukunft“, so Fleckenstein.

Zunächst ging es um die historische Einordnung der Verseuchung von Boden und Grundwasser durch einen „chemischen Cocktail von 50 Jahren militärischer Nutzung“, wie Karsten Heine von der Oberfinanzdirektion es beschrieb. Sein Amt ist für die Entsorgung der Altlasten auf dem Truppenübungsplatz Nord zuständig. Dazu stellte die Gesellschaft zur Entsorgung chemischer Kampfstoffe ihre Arbeit vor.

Heine berichtete über Maßnahmen auf dem Gelände des Wehrwissenschaftlichen Instituts sowie zur Grundwasserund zur Altlastensanierung auf dem militärischen Gebiet. Danach werde durch die Grundwassersanierungsanlagen die Gefährdung durch Arsen räumlich eingegrenzt. Jan Niemann, Geschäftsführer der Stadtwerke Munster-Bispingen, berichtete über engmaschige Beprobungen der Trinkwasserförderbrunnen: „Alle Werte sind einwandfrei“, sagte er zur Qualität des Trinkwassers.

Dr. Bernd Zihrul, Leiter der Fachgruppe Wasser, Boden und Abfall der Kreisverwaltung, ging auf die Geschichte des Dethlinger Teichs ein und wie es dazu kam, dass die 60 Meter breite, mit Wasser voll gelaufene ehemalige Kieselgurgrube zu einem der gefährlichsten Orte im Landkreis wurde. Zumindest bis 1952, als Anwohner Buntmetall aus der giftigen Brühe fischten und verkauften, und daraufhin der See bis an die Oberkante mit Bauschutt und Beton verfüllt wurde. Was tatsächlich unter der Oberfläche zu finden ist, „das werden wir erst wissen, wenn wir sie öffnen“.

Wilhelm Otte, der seit 20 Jahren beim Landkreis auch die Problematik Dethlinger Teich begleitet, dröselte die Beprobung des Teichs über zehn Jahre auf. Nach den Daten sei klar gewesen, „dass wir etwas tun müssen“, so Otte. Allerdings habe er 2009 die Messung unterbrochen, weil sich herausgestellt habe, dass die Werte wenig glaubwürdig seien: „Die Energie sollte lieber in ein neues Messstellennetz investiert werden.“

Otte gab zu, dass die NichtInformation der Stadt Munster über die Unterbrechung in seiner Zuständigkeit gelegen habe. „Das war ein taktischer Fehler.“

Professor Dr. Holger Weiß vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung wurde 2009 auf den Dethlinger Teich aufmerksam. Erste Beprobungen fanden bereits statt. In diesem Jahr werde es darum gehen, kleinräumig Fließrichtung und -geschwindigkeit des Grundwassers zu ermitteln, um die Messstellen sinnvoll anzulegen. Danach müsse es „einen Probeschurf“ geben. Das heißt, dass mit einem Bagger der Teich aufgegraben werden soll.

Handlungsliste des Kreises

Sowohl die Grundwasseruntersuchung als auch der Aufbau eines Grundwassermessnetzes stehen für 2015 und 2016 auf der Handlungsliste des Landkreises. 2017 soll geprüft werden, ob der Teich geöffnet werden kann und wie. „Dann wissen wir genau über den Inhalt Bescheid und können uns der Sanierung zuwenden“, so Otte. 2018 soll die Machbarkeitsstudie stehen, die Kostenund die Sicherheitsrisiken ermittelt sein, 2019 die Planung zur Sanierung, 2020 die Ausschreibung erfolgen und 2021 saniert werden.

Die 50 Millionen Euro sind die geschätzte Summe für den Bau eines Sarkophags um den Teich. Die teuerste, aber auch endgültige Lösung wäre dagegen, alles rauszuholen, so Otte.

Fleckenstein und Landrat Manfred Ostermann sagten zu, dass die Information der Öffentlichkeit über die Internetseite des Landkreises erfolgen und auf der Munster-Seite ein Link gesetzt werde. Ostermann hofft, dass mit der Berichterstattung der Böhme-Zeitung das Thema nun auch in Hannover und Berlin gehört werde: „Der Landkreis allein kann das nicht wuppen.“

Böhme-Zeitung