Pro Eliteförderung

pros-and-cons-2028471_1920.jpg

Unser Gastautor Tobias Dauth ist Professor für Internationales Management an der HHL Leipzig Graduate School of Management sowie Mitglied des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre, der European International Business Academy und der Academy of International Business (AIB)

In der Managementforschung befasst sich die „upper echelons theory“ mit Spitzenführungskräften – und gründet dabei auf der Annahme, dass Top-Manager die Geschicke und den (finanziellen) Erfolg von Unternehmen maßgeblich beeinflussen können. Teilt man die These des „top managers do matter“, stellt sich früher oder später auch die Frage nach einer adäquaten und guten Ausbildung dieser Personen.

Vergleicht man die Hochschullandschaft Deutschlands mit der Situation in Großbritannien, Frankreich oder den USA, so fällt auf, dass hierzulande ein vergleichsweise egalitäreres Bildungssystem existiert. Die Qualitätsdifferenzierung zwischen einzelnen Universitäten ist weniger stark ausgeprägt. Das hat historische, auch bildungspolitisch motivierte Gründe. Für „High Potentials“ ist das insoweit relevant, als dass sie nach Möglichkeiten suchen, um besondere Leistungsbereitschaft und -fähigkeit dem Arbeitsmarkt gegenüber kenntlich zu machen.

Im deutschsprachigen Raum hat der Doktortitel diese Signal- funktion – zumindest teilweise – übernommen. Dieser wird allgemein, anders als zum Beispiel der Ph.D. in den Vereinigten Staaten, nicht nur als Indikator für wissenschaftliche Forschungskompetenz im engeren Sinne betrachtet. Er gilt darüber hinaus als genereller Ausweis überdurchschnittlicher Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. Belegen lässt sich das an der immer noch starken, wenn auch im Vergleich zu früheren Jahrzehnten abnehmenden Verbreitung des Doktortitels in den Führungsetagen deutscher Großunternehmen. Eine empirische Studie zur Verbreitung des Doktortitels in den DAX-30-Unternehmen ergab 2018, dass rund 45 Prozent der Vorstände und Aufsichtsräte promoviert waren, Vorsitzende dabei häufiger als andere Mitglieder. Andere Studien weisen den möglichen größeren Berufserfolg promovierter Hochschulabsolventen im Vergleich zu nicht-promovierten nach. Promo- vierte erzielen in Vergleichsgruppen bessere Gehälter, bekleiden höhere Positionen und sind seltener arbeitslos.

Die in Deutschland, Österreich und der Schweiz hergebrachte Methode der Promotion bleibt wichtig, könnte aber im internationaler werdenden Arbeitsumfeld perspektivisch an Relevanz einbüßen. Das liegt insbesondere an der zunehmenden internationalen Diversität in den Vorständen und Aufsichtsräten, wie sie von Teilen der Politik, aber auch im Deutschen Corporate Governance Kodex eingefordert wird. Für Top-Management-Aspiranten aus dem deutschsprachigen Raum bedeutet das auch, dass sie ihre besondere Leistungsfähigkeit künftig noch stärker durch herausgehobene Ausbildungs- und Karrierestationen signalisieren müssen. Für Absolventen deutscher Hochschulen stellt sich das als besondere Herausforderung dar. Sie müssen ihr überdurchschnittliches Potenzial in einem vergleichsweise egalitären Hochschulsystem kenntlich machen.

Studienergebnisse lassen darauf schließen, dass Top-Manager deutscher Unternehmen, obwohl sie häufig selbst promoviert sind, bei Neuberufungen tendenziell solche Kandidaten bevorzugen, die ihre besondere Qualifikation anders als durch einen Doktortitel belegen können, zum Beispiel durch eigene unternehmerische Erfahrungen oder etwa einen Masterabschluss plus MBA-Titel. Will Deutschland in diesem sich wandelnden und zunehmend globalisierten Wettbewerb um die besten Köpfe mithalten, muss es in seiner Hochschullandschaft herausgehobene Stationen anbieten und Unternehmertum aktiv fördern. Ein Verzicht auf diese Art der Förderung wäre ein Fehler.

BildungGastbeitrag