"Offensichtlich unfaire Standortentscheidung"

Dem Nordkreis wurde mit der Entscheidung des Kreistags für einen HKK-Neubaustandort in Bad Fallingbostel übel mitgespielt — davon ist der Soltauer Unternehmer Jürgen Röders überzeugt.

Dem Nordkreis wurde mit der Entscheidung des Kreistags für einen HKK-Neubaustandort in Bad Fallingbostel übel mitgespielt — davon ist der Soltauer Unternehmer Jürgen Röders überzeugt.

Das Bürgerbegehren war mit über 12.000 Stimmen in kurzer Zeit trotz Behinderungen durch die Corona-Pandemie sehr erfolgreich. In Anbetracht der offensichtlich unfairen Standortentscheidung gegenüber der Bevölkerung im Nordkreis überrascht das nicht. Als 1977 die Kreise Soltau und Fallingbostel mit Kreissitz in Fallingbostel zusammengelegt wurden, wurde für eine möglichst ausgewogene Erreichbarkeit durch alle Heidekreisbürger die Verwaltung auf die Standorte Soltau und Fallingbostel aufgeteilt.

Jetzt wird ein Klinikum südlich des Kreissitzes Fallingbostel geplant und behauptet, das sei zentral und für alle Bürger des Heidekreises gut erreichbar.Wenn man die Entfernungen von Walsrode-Zentrum und Soltau-Zentrum zu den Standorten F4 (Fallingbostel) und D4 (Dorfmark) mit Google-Maps vergleicht, wird deutlich, wie weit entfernt der Standort F4 von der Mitte liegt, zumal die Fahrzeit über die Autobahn in Anbetracht wachsenden Verkehrs künftig noch weniger kalkulierbar sein wird (s. Tabelle „Erreichbarkeit von F4 und D4“: Fahrzeiten bei staufreier Verkehrslage).

"Falschaussagen der HKK-Geschäftsführung"

D4 wäre die faire Mitte, gerade zu den beiden Zentren Walsrode und Soltau. Wie kann man über die Hälfte der potenziellen Patienten vor den Kopf stoßen und gleichzeitig wachsende Patientenzahlen prognostizieren? Dieser Fehler erscheint vor dem Hintergrund umso gravierender, dass derzeit circa 85 Prozent der Patienten per Notaufnahme in das Klinikum kommen und nur circa 15 Prozent bewusst das Heidekreis-Klinikum (HKK) für eine Behandlung auswählen. Um die dringend notwendige signifikante Steigerung der Patientenzahlen zu erreichen, müsste der geringe frei wählende 15-Prozent-Anteil der Patienten vervielfacht werden. Dazu wäre ein anderer Umgang mit den potenziellen Patienten wohl Grundvoraussetzung. Hinzu kommen offensichtliche Falschaussagen der Geschäftsführung des HKK, wie gegenüber der Walsroder Zeitung in der Ausgabe vom 24. September, wenn sie behauptet, dass der Standort F4 von allen Nordkreiskommu-nen schneller als die Kliniken in den Nachbarkreisen zu erreichen sei.

Mit Google-Maps lassen sich beispielhaft die in der Tabelle „Schneverdingen: Erreichbarkeit von Kliniken“ aufgeführten Angaben dazu ermitteln. Das Diakonieklinikum in Rotenburg ist mit 800 Betten und über 2500 Mitarbeitern erheblich größer als das geplante Heidekreis-Klinikum. Werden unter diesen Voraussetzungen die Schneverdinger in das entferntere HKK südlich von Fallingbostel kommen? Für die Munsteraner ist der Weg zum Helios-Klinikum in Uelzen kürzer als zum Standort F4. Zum Standort F4 kommen sie nur schneller, wenn die Autobahn staufrei ist. Welches Klinikum werden die Munsteraner wählen? Wie sind andere, weniger nachprüfbare Aussagen der Geschäftsleitung des HKK zu beurteilen?

Die Standortentscheidung für F4 wird überwiegend mit dem Gutachten der Firma Trinovis begründet, das im Wesentlichen auf einer Analyse von Fahrzeiten beruht. Trotz ständig wiederholter Transparenzversprechen wird dieses der Öffentlichkeit vorent-halten. Nur wenige Ausschnitte sind nachprüfbar, die aber schwerwiegende Fragen aufwerfen:

  1. Auf der Facebook-Seite des HKK wird zu dem Fahrzeitenmodell, das Trinovis verwendet, am 11. August erläutert: „Es ist ein stabiles, belastbares Fahrzeitenmodell mit festen Referenzprofilen je Straßentyp.“ Beispielhaft wird die Fahrzeitenermittlung von verschiedenen Standorten der Gemeinde Schneverdingen zum Diakonieklinikum Rotenburg angegeben. Wenn man diese mit den sehr verlässlichen Fahrzeiten aus Google-Maps vergleicht, ergeben sich die in der Tabelle „Differenzen in Fahrzeiten“ aufgeführten Werte.
  1. Wenn es um den Entfernungsunterschied des Standortes F4 zu D4 für die Nordkreiskommunen geht, wird dagegen mit der maximal zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn gerechnet und ein Unterschied von nur drei Minuten ausgewiesen. Dass die Soltauer schneller über die Landstraße nach Dorfmark kommen, bleibt unberücksichtigt. Autobahnstaus, die bei den Bür-gern bei der Auswahl des Krankenhauses sicher eine Rolle spielen, werden anscheinend nicht einbezogen.
  1. Auf der in der Diskussion zentralen Folie von Trinovis wird in der Zeile „Einwohneranteile Notfälle (15 min. Gebiet)“ für den Standort D4 angegeben, dass 12 Prozent der Einwohner des Hei-dekreises darunterfallen. Die ehemalige Gemeinde Bomlitz und die Gemeinde Fallingbostel umfassen circa 12,6 Prozent der Einwohner des Heidekreises. Außerdem erreichen zahlreiche Einwohner Soltaus in 15 Minuten den Standort D4, bei Nutzung der Landstraße. Eine realistische Abschätzung ergibt, dass mehr als 20 Prozent innerhalb des 15-Minuten-Gebiets für D4 liegen. Die Differenz zu den Angaben von Trinovis beträgt mehr als 66 Prozent.
  1. Nur circa 100 Meter entfernte Grundstücke F4 und W4 ergeben bei den Einwohnerzahlen mit 30 Minuten Fahrzeit eine Differenz von circa 30.000 Einwohnern.
  1. Für die Ermittlung der Attrak-tivitätsdominanz wurden von Trinovis die Patientendaten des Heidekreis-Klinikums von 2019 herangezogen. Das ist das Jahr, in dem das medizinische Angebot am Standort Soltau des HKK am geringsten war. Das Ergebnis ist eine höhere Attraktivität für süd-liche Standorte. Warum wurden nicht zusätzlich die Patientenda-ten von 2010 betrachtet, einem Jahr, als es noch Geburtsstation und Gynäkologie, also ein erheb-lich umfangreicheres Angebot, in Soltau gab? Das hätte wohl zu einer objektiveren Beurteilung der zu erwartenden Patienten-ströme geführt. War das nicht gewünscht?
  1. Nach Aussagen von Trinovis wird für den Standort F4 eine höhere Auslastung erwartet, weil man mit verstärkten Patientenströmen aus den Nachbarkreisen rechnet. Der Standort Walsrode verfügt derzeit über ein fast vollwertiges medizinisches Angebot. Warum werden die an einem Standort F4 von Trinovis erwarteten höheren Patientenzahlen nicht bereits heute realisiert, wo doch der Standort Walsrode ganz in der Nähe von F4 liegt? Wenn das möglich wäre, müsste das bereits mit der bestehenden Struktur erreichbar sein.

Kann man mit einem Gutachten von so zweifelhafter Qualität eine so gravierende Standortentscheidung für ein Klinikum seriös begründen, oder wäre es nicht richtiger, unternehmerisch die allgemeine Akzeptanz in der Bevölkerung und die Versorgung des Heidekreises insgesamt in den Vordergrund zu stellen? Was sind das für Experten bei Trinovis?

Für Betriebe ist das Klinikum ein wichtiger Standortfaktor

Die Einnahmen des Landkreises hängen von der Kreisumlage und die wiederum von den Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinden ab. Insofern sollte der Landkreis ein essenzielles Interesse an den hier ansässigen Betrieben haben. Für diese ist ein Klinikum ein wichtiger Standortfaktor bei der Personalgewinnung. Besonders mittelständischen Betriebe sind auf eine überregionale Anwerbung von beispielsweise Hochschulabsolventen aus Hannover, Bremen und Hamburg angewiesen. Leider wurden die Betriebe nicht in die Betrachtungen der Standortauswahl einbezogen. Bewerber und deren Lebenspartner werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht hinsetzen, um mit Google-Maps Fahrzeiten zu Klinikstandorten zu ermitteln, sondern eher subjektiv die Entfernungen beurteilen und dabei ebenso subjektiv berücksichtigen, dass Autobahnen bezüglich Fahrzeiten besonders in Notsituationen schwer kalkulierbar sind.

Stellungnahme von Betrieben wurde ignoriert

Insofern wäre es ganz entscheidend gewesen, die Auswirkungen der verschiedenen Standorte für den Neubau auf die mittelständischen Unternehmen einzubeziehen und auch diesbezüglich einen möglichst ausgewogenen Standort zu suchen. Der Standort F4 wäre sehr negativ für die Personalwerbung der Unternehmen im Nordkreis, was diese in einer entsprechenden, leider nicht berücksichtigten Stellungnahme im Juni 2020 zum Ausdruck gebracht haben.

Für den Neubau des HKK wird der Bevölkerung ein Haus nur mit Einbettzimmern in Aussicht gestellt, das in Zeiten von Corona besonders sicher gegen Infektionen sei. Als medizinischer Laie habe ich mit einigen Klinikleitungen von Krankenhäusern mit weniger als 1.000 Betten in Baden-Württemberg und Niedersachsen gesprochen, weil ich dorthin zufällig Kontakte hatte. Ich habe mich erkundigt, wie sie das Konzept, ausschließlich Einbettzimmer zu planen, bewerten. Ich bin mit nachfolgenden Begründungen auf Skepsis und Ablehnung gestoßen.

Es gibt medizinische Indikationen, etwa nach einem Schlaganfall, bei denen es zur besseren Genesung ratsam ist, den Patienten in ein Zweibettzimmer zu legen, beispielsweise um Depressionen zu vermeiden. Die Kosten für den Bau, aber insbesondere für den laufenden Betrieb, liegen bei Einbettzimmern über denen von Zweibettzimmern (aufgrund größerer Flächen, längerer Wege, wegen mehr Badezimmern und so weiter). Als ich die Planer des neuen HKK damit konfrontierte, wurde mir erklärt, dass sich immer zwei Einzelzimmer ein Badezimmer teilen sollten, und dass der geplante Flächenverbrauch nur wenig über einem üblichen Zweibettzimmerkonzept läge.

Durch gemeinsame Bäder geht Infektionschutz verloren

Allerdings wird dabei außer Acht gelassen, dass gerade die Badezimmer eine Hauptgefahr für die Übertragung von Infektionen darstellen, also der Infektionsschutz verloren geht, wenn zwei Patienten sich ein Badezimmer teilen. Oder will man bei infektiösen Patienten immer das Nachbareinzelzimmer frei lassen? Außerdem verliert ein Krankenhaus, das ausschließlich Einzelzimmer anbietet, die Möglichkeit, die Wahlleistung „Einzelzimmer“ mit den Krankenkassen abzurechnen, da diese ja keine Wahlleistung mehr ist (wenn es nicht gelingt eine besondere Vereinbarung mit den Krankenkassen auszuhandeln). Es drohen somit zusätzliche Einnahmeverluste.

Nach Aussage der Klinikleitungen, mit denen ich sprechen konnte, geht in Deutschland der Trend hin zu Krankenhäusern mit Zweibettzimmern und einem zusätzlichen, begrenzten Angebot von Einbettzimmern als Wahlleistung oder für infektiöse Fälle. Gerade für ein Krankenhaus, das vorwiegend Grund- und Regelleistungen anbietet, wurde das empfohlen. Wenn im Heidekreis ein relativ kleines Klinikum mit ausschließlich Einzelzimmern gebaut würde, wäre das eine Neuheit in ganz Deutschland, die bisher auch keiner der großen Klinikkonzerne mit ihren langjährigen Erfahrungen realisiert hat. Ist es zu verantworten, in Anbetracht der derzeit hohen Verluste des HKK, das erhebliche Risiko einzugehen, auf ein noch nie realisiertes Konzept zu setzen - oder wäre es nicht richtiger, ein modernes, sich aber mehr am sinnvollen Standard orientierendes Krankenhaus zu planen?

Naive Aufsichtsräte, die blind der Geschäftsführung vertrauen

Wenn man die zunehmende Schärfe der Diskussionen in der Öffentlichkeit verfolgt, erscheint die Situation verfahren. Da trägt ein Aufsichtsrat mit überwiegend aus dem Südkreis kommenden Vertretern nicht zur Vertrauensbildung oder einem Eindruck von Fairness bei. Die Zurückhaltung zweifelhafter Gutachten trotz Transparenzversprechen fördert Missstimmung. Hinzu kommt, dass Aufsichtsratsmitglieder sich die Gutachten nicht ansehen, dadurch die schlechte Qualität nicht bemerken können und ihre Pflichten missachtend der Geschäftsführung des HKK blind oder naiv vertrauen.

Warum werden die Bürger mit der Aussage verunsichert, dass es nur eine Chance gäbe, einen Zuschuss für einen Neubau zu erhalten und diesen zu realisieren, wenn man jetzt die Planung für den Standort F4 schnell durchziehe? Bei den Grundstücken handelt es sich um leere, frei beplanbare Flächen. Der Großteil der Planung kann grundstückunabhängig erfolgen, Details wie Einfahrt und Parkplätze auf örtliche Gegebenheiten angepasst werden. Auch könnten die möglichen Flächen von vornherein in den Architektenwettbewerb einfließen. Vergaberechtlich wäre ein Wechsel von F4 zu D4 nicht wesentlich und daher kein Problem. Aber die Geschäftsleitung unseres HKK bekommt das nicht hin?

HKK-Aufsichtsrat: Spielball von Lokalpolitikern ohne Berufserfahrung im Gesundheitswesen

Vielleicht könnte es einen Neuanfang zu einer Befriedung im Heidekreis geben, wenn sich die Politiker aus dem Aufsichtsrat des HKK zurückzögen, sodass dieses nicht mehr Spielball der Lokalpolitik wäre. Stattdessen könnte der Aufsichtsrat mit Per-sonen besetzt werden, die beruflich Erfahrung in Gesundheits-versorgung und Unternehmensleitung mitbringen – sofern aus dem Heidekreis ausgewogen zwi-schen Nord- und Südkreis. So ein Neustart könnte eine Chance sein, Vertrauen zurückzugewin-nen. Mit diesem Beitrag möchte ich die Verantwortlichen anregen und auffordern, über derart wei-terreichende Veränderungen nachzudenken, ohne die es nach meiner Einschätzung keine gute Lösung geben wird. Bis es zu grundsätzlicheren Überlegungen kommt, kann man nur Bürgerbegehren und Bürgerentscheid unterstützen, um die einseitige, unfaire und wirtschaftlich verantwortungslos risikoreiche Planung für das HKK zu stoppen.

Jürgen Röders ist Unternehmer in Soltau.

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