Klima-Demo für neue ICE-Trasse

Schiene statt Autobahn: Die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future erblickt in einer ICE-Neubaustrecke zwischen Hamburg und Hannover einen wichtigen Baustein für eine echte Verkehrswende in Norddeutschland. Foto: Wikimedia

Morgen dürfte der Name des SPD-Chefs und örtlichen Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil in der Hamburger Innenstadt häufig fallen – und zwar keinesfalls in einem positiven Kontext. Fridays for Future (FFF) Hamburg und Niedersachsen rufen gemeinsam zu einer Klima-Demo auf, die sich explizit gegen die niedersächsische SPD und den Bundespolitiker aus Munster richtet.

„Es kann nicht sein, dass Lars Klingbeil und die SPD sich weigern, den Bau klimafreundlicher Infrastruktur voranzutreiben“, sagt Demo-Mitorganisatorin Elisa Baş von FFF Hamburg mit Blick auf die Diskussion um eine ICE-Neubautrasse zwischen Hamburg und Hannover. „Es ist unerlässlich, dass die SPD ihre Verantwortung anerkennt und für zehntausende Menschen aus Hamburg und Niedersachsen einen entscheidenden Beitrag zur Verkehrswende leistet", fordert die Klimaaktivistin ein Ende des politischen Widerstands gegen die Neubaupläne der Bahn. „Das Letzte, was wir angesichts einer eskalierenden Klimakrise gebrauchen können, ist eine Politik des Wegduckens, die die Verkehrswende weiter blockiert.“ Die Demo beginnt am morgigen Freitag um 15 Uhr am Hamburger Gänsemarkt. Von dort wollen die Klimaschützer „mit einem lautstarken Protestzug zum Rathausmarkt“ ziehen, heißt es im Protestaufruf.

Klingbeil wird für die überwiegend jungen Klimaschützer immer stärker zum Feindbild. In einem offenen Brief hat FFF den Politiker gerade erst im Einklang mit dem Fahrgastverband Pro Bahn eine „Not-In-My-Backyard-Politik“ vorgeworfen, also eine allein auf die Stimmung im eigenen Wahlkreis abzielende populistische Haltung (BZ vom 27. Juli). In dem Schreiben kündigt die Klimaschutzbewegung an, „in den kommenden Wochen auf die Straße zu gehen, damit die dringend benötigte klimagerechte Verkehrswende auch gelingt“. Der morgige Klimastreik in Hamburg zeigt, dass FFF es ernst meinen. Zuletzt geriet die FFF-Bewegung gegenüber den Klimaaktivistin der Letzten Generation und deren spektakulären Aktionen nach Ansicht vieler Beobachter etwas ins Hintertreffen. Nun könnte das Thema ICE-Neubaustrecke der Bewegung dabei helfen, in Norddeutschland wieder stärker zu mobilisieren.

Nabu und BUND werben für bestandsnahen Ausbau

Dabei ist nicht unumstritten, ob die Klimabilanz einer möglichen Neubaustrecke im Vergleich zum Ausbau-Konzept Alpha E tatsächlich positiv ausfällt. Der Nabu Niedersachsen etwa wirbt für den bestandsnahen Aus- und Neubau, weil dieser weniger Naturressourcen verbrauche und einen geringeren CO₂-Ausstoß verursache als eine komplett neue Trasse (BZ vom 31. Juli).

Auch der BUND pflichtet dem Nabu bei. „Alpha E ist nach intensiver Diskussion und Abwägung als die unter Naturschutz- und Klimaschutzgesichtspunkten beste Lösung anzusehen“, so Heiner Baumgarten, Sprecher des Landesarbeitskreises Mobilität im BUND, gegenüber der Böhme-Zeitung.

„Da gibt es eine Meinungsverschiedenheit zwischen uns“, räumt FFF-Sprecher Kay Rabe von Kühlewein im Gespräch mit der Böhme-Zeitung ein. Natürlich verursache ein Trassenneubau erst einmal erhebliche Emissionen. Entscheidend seien aber die Lebenszyklus-Emissionen der Maßnahme. Darunter werden sämtliche Umweltwirkungen während der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung eines Bauwerks subsumiert. In dieser Gesamtbetrachtung sei ein Neubau auf lange Sicht vorteilhaft, auch weil er größere Zuwächse im Bahnverkehr möglich mache und dadurch den klimaschädlichen Straßen- und Flugverkehr reduziere.

Die Reduzierung des Straßenverkehrs in ein wichtiger Punkt in der FFF-Argumentation, und auch eine Quelle der Enttäuschung gegenüber Klingbeil. „Es ist eine unfassbare Doppelmoral, wenn Lars Klingbeil den dringend notwendigen Bahnausbau ablehnt und sich gleichzeitig für den klimaschädlichen Ausbau der A7 in seinem Wahlkreis einsetzt“, bringt es Nele Evers, Sprecherin von FFF Niedersachsen, pointiert auf den Punkt.

Klingbeil selbst verweist gegenüber der Böhme-Zeitung angesichts der Kritik der Klimaschützer auf seine umfangreich begründete und bekannte Positionierung zum Dialogforum Schiene Nord und zu Alpha E. An der habe sich nichts geändert.