„Die Pflicht, es heute besser zu machen“

Zur Verlegung der sieben Stolpersteine sind auch Gäste aus Kalifornien angereist. Darunter der Enkel von Ursula Sasso Brendan Sasso (Mitte) sowie sein Vater Steve Sasso (links) und seine Frau Patricia. Foto: at

In einer bewegenden Veranstaltungen wurde am gestrigen Donnerstagmorgen in Soltau an das Schicksal der jüdischen Familie Lennhoff-Feilmann erinnert. Sieben Stolpersteine wurden für Sally und Henny Lennhoff, die Töchter Selma Leiser und Paula Feilmann, deren Mann Harry, die Enkelin Ursula Sasso sowie für Emma Rosenbach, die Schwester von Henny Lennhoff, verlegt.

Viele Soltauerinnen und Soltauer, darunter zahlreiche Jugendliche des Gymnasiums und der Oberschule der Stadt sowie der KGS in Schneverdingen, nahmen an der Veranstaltung vor dem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus Marktstraße 8 teil und setzten auch damit ein eindrückliches Zeichen für Versöhnung, Frieden, für Toleranz, gegen Ausgrenzung und Anfeindung und gegen Menschenhass.

Botschaften, die auch Steve Sasso hörte. Er ist der Sohn von Ursula Sasso. Gemeinsam mit seiner Frau Patricia, seinem Sohn Brendan und dessen Freundin Colleen sowie dem befreundeten Paar Greg und Chris Crockett war er aus den USA angereist. In einer aufrüttelnden Rede, die er auf Deutsch vortrug, erinnerte er daran, wie schwer es für seine Mutter war, über ihre Kindheit in Deutschland zu sprechen. Erst spät habe sie sich der Vergangenheit gestellt: „Doch sie war klug und sensibel und sie hätte verstanden, wie wichtig das Erinnern für den Heilungsprozess ist“, sagte er angesichts seines Besuches in ihrer ehemaligen Heimatstadt. Die Familie fühle sich geehrt, dass Soltau sich seiner Geschichte stelle und den Opfern Raum gebe, betonte Sasso.

Soltaus Bürgermeister Karsten Brockmann erinnerte in seiner Rede an den 10. November 1938, als in Soltau das Geschäft und die Wohnung der jüdischen Familie zerstört, sie bedroht und öffentlich gedemütigt wurden. In einem Auszug aus der Chronik des ehemaligen Bürgermeisters Wolfgang Bargmann, der die Pogromnacht als Zwölfjähriger erlebt hatte, wurde das Geschehen plastisch: Hetzparolen hallten durch die Straßen, während Nachbarn zu Tätern wurden und die Propaganda als „Gegenmaßnahme der empörten Volksseele“ bezeichnet wurde. „Die Schilderungen schmerzen“, erklärte Brockmann auch mit Blick auf die Familie, die „der Erinnerung ein Gesicht“ gebe. Die Erinnerung zeige, dass viele Menschen sich damals falsch verhalten, zugeschaut oder selbst zerstört hätten. Aus diesem Bewusstsein, so Brockmann, erwachse die Pflicht, es „heute besser zu machen, erst recht angesichts der politischen Entwicklungen der letzten Jahre“. „Aus Erinnern und Schuld erwächst Hass, wenn nicht gleichzeitig aktiv Vergebung und Toleranz geübt werden.“ Passivität und sogenannte Neutralität seien keine Haltung. Nur durch aktives Handeln könne eine Wiederholung verhindert werden.

Im Anschluss an die Veranstaltung in der Marktstraße trugen sich die Gäste aus den USA in das Goldene Buch der Stadt ein. Sie unterschrieben unter dem Satz „Die Zukunft braucht Erinnerung.“

Anja TrappeKommentieren