Größer als ein Einfamilienhaus
Zimmerer René Zahlmann und sein Team bauen bis Mitte November rustikale Holzbuden für den Londoner Weihnachtsmarkt auf und im Januar wieder ab. Foto: privat
Während die Weihnachtsmärkte im Heidekreis längst abgebaut sind, läuft die Saison im Londoner Hyde Park noch bis Anfang Januar. Gleich zu Beginn des neuen Jahres reist René Zahlmann auf die britische Insel, um seine in Wintermoor gebauten Holzhütten abzubauen und sie bis zum Herbst wieder in Containern zu verstauen.
Seit 16 Jahren baut Zahlmann mit seinem Team Hütten für das Bavarian Village im Winter Wonderland – eines von acht Themenbereichen auf 18 Hektar im Londoner Hyde Park. Die Bauten sind massiv und größer als ein standardisiertes Einfamilienhaus: Rund 170 Kubikmeter Holz sind verarbeitet, deutlich mehr als in einem normalen Dachstuhl, erklärt der Zimmerer. „Das sind alles große Dimensionen. Das muss alles mächtig aussehen.“ Von einer einfachen Budengasse wuchs das Winter Wonderland auf über 150 Fahrgeschäfte und Attraktionen an und ist heute etwa sechsmal größer als bei seinem Neustart 2007. Ein starker Kontrast zu den beschaulichen Weihnachtsmärkten in der Region.
Um den Rasen des Hyde Parks zu schützen, werden tausende Bodenplatten verlegt. Drei bis dreieinhalb Wochen baut die Zimmerei in London auf. Es sind vollgepackte Tage, in denen sie von morgens bis abends durcharbeiten. „Von zu Hause weg, woanders schlafen – das ist alles wirklich anstrengend.“ Dieses Mal reiste er mit acht eigenen Mitarbeitern an, unterstützt von zwei weiteren Kräften von Subunternehmen. Hinzu kommen zahlreiche weitere Gewerke vor Ort. In der Aufbauphase arbeiten so rund 250 Menschen gleichzeitig an diesem einen Abschnitt.
„Das war die ersten Jahre natürlich überwältigend“, berichtet Zahlmann. Die Holzbauten fertigt sein Handwerksbetrieb für Franke Fahrzeugbau aus Schneverdingen. Der Betrieb hat sich auf die Fertigung, Umbau, Instandsetzung und Transport von Riesenrädern, Themenbahnen, Verkaufshütten, -wagen und Wohnwagen spezialisiert. Dessen Inhaber Patrick Greier und Zahlmann kennen sich aus ihrer Schulzeit. Die ersten Hütten entstanden noch auf Din-A4-Blättern. Viele weitere sind mit den Jahren hinzugekommen und die Fläche wuchs sukzessive.
Nicht jedes Jahr ist gleich: Neben dem Auf- und Abbau gibt es regelmäßig neue Aufträge. Diese Jahr baute Zahlmann Hütten für das neue Après-Ski-Party-Resort. Acht kleine und eine zweigeschossige. Das Holz kommt überwiegend von kleineren Sägebetrieben aus der Region. Im März ging die Planung los. Von Juni bis September arbeitete sein Team abschnittsweise an den Bauten, abwechselnd mit anderen Aufträgen. Subunternehmer und befreundete Firmen unterstützten die Zimmerei.
Seit dem Brexit ist der Aufwand für den Handwerksbetrieb deutlich gestiegen. Vor allem die Zollabwicklung sorgt für mehr Bürokratie und höhere Kosten. Auch die Auflagen im Hyde Park sind streng: Sicherheits- und Arbeitsschutzvorgaben werden konsequent kontrolliert, der Aufbau ist eng getaktet und stark reglementiert. Vor der Eröffnung stehen umfassende Prüfungen durch TÜV und Brandschutz an. Der Aufbau erfordert daher eine detaillierte Vorplanung – auch wenn am Ende oft improvisiert werden muss, etwa wenn Wetterausfälle den Zeitplan durcheinanderbringen. So zum Beispiel in diesem Jahr. Dann müssen Prioritäten gesetzt werden.
Privat besucht Zahlmann inzwischen keine Weihnachtsmärkte mehr. In der letzten Woche des Aufbaus fangen die Budenbertreiber damit an, Saisonkräfte einzuarbeiten und zu kochen. „Wenn ich das aufgebaut habe, kann ich keinen Schmalzkuchen mehr riechen, Crêpe oder Bratwurst nicht mehr sehen und keine Weihnachtsmusik mehr hören.“ So gehe es inzwischen allen seinen Mitarbeitern. Dennoch hänge sein Herz an dem Projekt. Auch wenn es ihn jedes Jahr für drei Wochen von seiner Familie trennt. „Es macht Spaß, die Leute machen Spaß.“ Und am Ende sei er auch ein wenig stolz auf das Ergebnis. „Es ist eine Herausforderung an einen selbst, das fertig zu machen und dann wieder nach Hause zu kommen.“ sus