Wildbestände zeigen: Der Wolf jagt mit

In die Fotofalle der Niedersächsischen Landesjägerschaft ist im vergangenen Herbst dieser Wolf getappt.

Am 11. April hatten die Bundesländer im Bundesrat per Entschließung die Bundesregierung aufgefordert, die nationalen Rechtsänderungen vorzubereiten, um den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen zu können. Kreisjägermeister Thomas Brammer bezweifelt aber, dass sich da bei der neuen Bundesregierung so schnell etwas tun werde und begründet das mit den personellen Entwicklungen. So ist der ehemalige Nabu-Präsident Jochen Flasbarth (SPD) als Staatssekretär wieder in das Bundesumweltministerium gewechselt, wo er bereits zwischen 2013 und 2021 tätig war. Der Umweltpolitiker gilt beim Thema Jagdrecht eher als zurückhaltend.

Rudel Munster besteht durch Film bestätigt aus 17 Individuen

Aus Sicht der Jägerschaft besteht allerdings Handlungsbedarf. Die Wolfsrudeldichte im Heidekreis ist laut Brammer sehr viel größer, als die offiziellen Zahlen hergeben. Laut dem offiziellen Monitoring, das die Landesjägerschaft betreibt, gibt es in Niedersachsen 63 nachgewiesene Territorien, 13 Rudel befinden sich im Heidekreis oder sind grenzüberschreitend aktiv. Der Kreisjägermeister hat in Zusammenarbeit mit Claus-Heinrich Schlange und Bernd Satoris, den Vorsitzenden der beiden Jägerschaften Soltau und Fallingbostel, eine Umfrage bei den Hegeringen gemacht, um die Daten abzugleichen. Dabei seien 22 Rudel mit 210 Individuen festgestellt worden. In Munster werde offiziell ein Rudel mit 17 Exemplaren gelistet, es seien aber tatsächlich „zwei Zwölfer- und ein Sechser-Rudel“, wobei ein Zwölfer-Rudel westlich von Munster bis nach Bispingen jage. Hier allerdings widerspricht Reding. „Wir haben einen Film, auf dem 17 Individuen zu erkennen sind, und wir wissen, dass die Rudel so groß werden können.“

Brammer geht von einer bereinigten Schätzung von 15 bis 18 Rudeln mit insgesamt 150 bis 180 Wölfen aus. „Das ist realistisch, wir wollen ja auch nicht übertreiben“, so der Kreisjägermeister. Der Wolfsbeauftragte der Landesjägerschaft Raoul Reding kann im Monitoring allerdings nur nach definierten Kriterien Wolfssichtungen listen und wünscht sich, dass mehr gemeldet wird. Sowohl Brammer als auch die Vorsitzenden der beiden Jägerschaften bemühen sich deshalb, die Jäger der Hegeringe zu verstärktem Melden von Sichtungen zu motivieren.

„Der Riss war noch warm“

Morgens gegen 8 Uhr hat Anfang Mai 2025 eine Sportlerin im Umfeld des Wildgeheges Munster dieses gerissene Reh auf dem Weg gefunden und gemeldet. Das verendete Tier war noch warm und hatte kaum Fleischverlust, der Wolf war offenbar gestört worden. Glück gehabt, denn Wölfe verteidigen ihre Beute in der Regel sehr aggressiv.

Die abnehmenden Wildbestände beim Rehwild, Rotwild und Schwarzwild bestätigen eine wachsende Wolfspopulation. Die Zahl der erlegten Tiere ist ausweislich der registrierten Strecken der Jägerschaft Soltau spätestens seit 2017/18 deutlich abnehmend. Zudem hätten sich die Verhaltensweisen verändert, so der Vorsitzende der Jägerschaft Soltau. Das Rehwild suche gezielt die Nähe der menschlichen Zivilisation und die Wildschweine bildeten regelrechte „Wagenburgen“, bei denen die wehrhaften Bachen die Außenverteidigung übernähmen, die Rotten zudem weniger in Bewegung seien. Hatte die Jägerschaft Soltau im Jagdjahr 2009/10 noch 3732 Stück Rehwild erlegt, schrumpften die Ergebnisse bis 2024/25 auf nur noch 2180 Stück. Das letzte Mufflon im Altkreis Soltau wurde 2015/16 erlegt, es hat gegen den Wolf keine Chance, da es als ursprüngliches Bergschaf nur bis zu 150 Meter auf einen Felsvorsprung flüchten musste.

Die Schwarzkittelbestände nehmen ebenfalls deutlich ab, nicht nur wegen der verstärkten Bejagung als Prävention gegen die Afrikanische Schweinepest. Noch 2009/10 schossen die Jäger der Jägerschaft Soltau knapp 7000 Stück Schalenwild im Jagdjahr. Seit 2019 nimmt die Zahl kontinuierlich ab. Die vergangene Strecke 2024/25 bestand nur noch aus 3872 Stück – ein Wegbrechen von rund 45 Prozent. „Noch haben wir genug Wildbestand, dass der Wolf auf kleiner Flächen jagen kann“, sagt Brammer. Ein Rudel komme mit einem Territorium von 2000 bis 3000 Hektar klar, benötige in der Heide zumindest nicht die weiten Räume, die für den Wolf bislang mit rund 20.000 Hektar angenommen worden sind.

Wild verändert wegen Wolf sein Verhalten

Auffällig seien aber vor allem die Verhaltensveränderungen der Schwarzkittel. „Die Rotten ziehen sich zusammen, um wehrhaft zu sein“, Kreisjägermeister Thomas Brammer. „Wo das Schwarzwild früher die Flucht ergriffen hatte, bleiben die Rotten stehen und gehen zum Angriff über“, ergänzt der Soltauer Jägerschaftsvorsitzende Claus-Heinrich Schlange. Aktuell seien die Bestände besonders hoch und richteten auch wirtschaftlich hohe Schäden an, verweist Schlange auf ein konkretes Beispiel, bei der ein Landwirt schon kurz nach dem Eindrillen der Saat von 80 Prozent Einbußen ausgeht. „Auf einem Schlag von 6 bis 7 Hektar hat eine Rotte binnen zweier Nächte die Saat gefressen", berichtet er.

Ein Problem ergebe sich zudem aus den wolfabweisenden Einzäunungen. Alte Wildwechsel gelten nicht mehr, sind versperrt, und dann passierten plötzlich Wildunfälle an Stellen, wo nie ein Wechsel war.

Kleinere Territorien bei genügend Nahrung

Angesichts der hohen Wolfsdichte im Heidekreis hofft Brammer, dass sich Vizebundeskanzler Lars Klingbeil an seine Heimat erinnert und dazu beiträgt, dass die naturschutzrechtlichen Regeln angepasst werden und der Wolf ins Jagdrecht kommt. Im Vorfeld will der Kreisjägermeister mit den hiesigen Landtagsabgeordneten ins Gespräch kommen.

Ob das Jagdrecht hinsichtlich des Wolfs verändert wird, hängt vom Monitoring mit ab, denn nur nachgewiesene Bestände sind für die Einschätzung entscheidend, ob der Wolf tatsächlich einen herabgesetzten Schutzstatus bekommt. Die Europäische Union hat das bereits eingeleitet, indem sie den Räuber von Anhang 4 (strenger Schutz) in Anhang 5 (Geschützt) der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie umgelistet hat.