„Es hat sich ein wenig Frust aufgebaut“

Kidical Mass hat sich in Soltau etabliert. Doch konkrete Maßnahmen der Politik bleiben bislang aus, beklagt Doris Blume-Winkler. Foto: pam

Ein paar Monate hieß es warten. Seit vergangener Woche sind die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests 2024 da. Manche Städte im Heidekreis haben ihre Note verbessern können, Soltau dagegen hat im Vergleich zu anderen Städten seiner Größe schlechter abgeschnitten als in den Vorjahren. Wie schaut der hiesige Kreisverband des ADFC auf die Ergebnisse? Welche Vorschläge hat der Verband, um das Fahrradklima in Soltau zu verbessern? Dazu haben wir mit der stellvertretenden Vorsitzenden Doris Blume-Winkler gesprochen.

Waren die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests 2024 für Sie eine Überraschung oder haben Sie mit den Ergebnissen gerechnet?

Doris Blume-Winkler: Eine große Überraschung waren die Ergebnisse nicht. Dass Walsrode sich verbessern würde, war vorherzusehen. Die Stadt war vor zwei Jahren im Ranking auf dem drittletzten Platz in Niedersachsen. Jetzt hat Walsrode Platz 40 von insgesamt 59 Kommunen erreicht. Für mich kommt das nicht überraschend. Walsrode hat ein Radverkehrskonzept, die erste Fahrradstraße ist in Planung. Auch wurden erste gute Fahrradbügel aufgestellt. Der wesentlichste Punkt für das gute Abschneiden scheint mir das Projekt „Auf die Räder, fertig, los: Umweltfreundlich und fit durch Walsrode“ zu sein. Es wird von einem Büro begleitet und die Aktivitäten werden durch eine Planstelle in der Verwaltung koordiniert. Im Rahmen dieses Projektes finden regelmäßig Netzwerktreffen statt. Im Mai ging es beispielsweise um die zukunftsfähige Gestaltung des Fahrradverkehrs. Und Walsrode ist als Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen Niedersachsen/Bremen aufgenommen worden. Insgesamt wird deutlich, die Radfahrer in Walsrode erkennen an, dass die Stadt Maßnahmen zur Förderung der Fahrradfreundlichkeit ergriffen hat.

Was ist in Soltau passiert in diesen vergangenen zwei Jahren?

In den vergangenen zwei Jahren ist das ehrenamtliche Engagement für den Radverkehr gewachsen. Durch die Gründung der Initiative „Soltau fährt Rad“ und die Aktivitäten des ADFC ist das Thema stärker in den Fokus gerückt. Radverkehr war immer wieder Thema in der Presse. Das hat es viele Jahre nicht gegeben. Maßnahmen zur Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur oder zur Förderung der Fahrradfreundlichkeit wurden aber in den letzten Jahren nicht ergriffen. Das scheint mir ein wesentlicher Grund für das Ergebnis des Klimatests in Soltau zu sein. Als einen ersten Schritt der Radverkehrsförderung kann der Ratsbeschluss zur Erstellung eines Verkehrsentwicklungsplans mit integriertem Radverkehrskonzept gesehen werden. Im vergangenen Jahr fand hierzu ein Mobilitätsworkshop in der Alten Reithalle statt. Die Bürger hatten dort die Möglichkeit, sich zu beteiligen und ihre Ideen zum Fuß-, Rad- sowie zum Autoverkehr einzubringen. Aber seitdem warten alle auf das Gutachten, das nach Aussagen des Bürgermeisters im Herbst veröffentlicht werden soll.

Es gab ja auch jedes Jahr die Kidicall Mass in Soltau, die sich ebenfalls für eine bessere Radinfrastruktur für Jung und Alt einsetzt. Hat die Fahrrad-Demo Auswirkungen auf die Stadtpolitik?

Im Herbst 2022 wurde die erste Kidical Mass in Soltau durchgeführt. Mittlerweile hat sich die Veranstaltung etabliert und fand in diesem Jahr bereits zum fünften Mal mit circa 150 Teilnehmenden statt. Dadurch machen Soltauer Radfahrer deutlich, dass sichere Radwege eine dringende Notwendigkeit sind, um unbeschwert und gefahrlos mit dem Fahrrad unterwegs sein zu können. Das gilt besonders für Kinder. Ich glaube, dass das auch von der Politik gesehen wird. Aber leider hat sich das bisher noch nicht in konkreten Maßnahmen widergespiegelt. Ich glaube, dass sich hier auch ein wenig Frust aufgebaut hat. So hat ein Teilnehmer des Fahrradklimatests den Kommentar abgegeben, dass er oder sie jedes Mal teilnehme, aber sich nichts ändere.

Was muss sich denn in Soltau tun, damit sich das Fahrerklima in den nächsten Jahren verbessern kann?

Es muss sichtbar werden, dass der Stellenwert des Radfahrens hoch eingeschätzt wird. Das Wissen, dass das Fahrrad einen großen Beitrag zum Klimaschutz und eben auch zum Teil zu den Verkehrsproblemen in Soltau beitragen kann, ist vorhanden. Was fehlt, sind erste Maßnahmen, die die Radverkehrssituation in Soltau verbessern würden. Es wird immer wieder gesagt, dass die Stadt bei den übergeordneten Straßen keine eigenen Maßnahmen ergreifen kann. Aber man könnte mit den Baulastträgern dieser Straßenzüge ins Gespräch kommen und einfache Lösungsmöglichkeiten für die Probleme ausprobieren. Wenn sich diese Maßnahmen bewähren, sollten sie dann dauerhaft umgesetzt werden. Denkbar wären hier beispielsweise Piktogrammketten in der Bergstraße, wo keine durchgängigen Radwege vorhanden sind. Oder einen Pop-Up-Radweg an der Celler Straße stadtauswärts, damit Jugendliche den neuen Skatepark sicher erreichen können. So wie in Walsrode sollte es eine Person in der Verwaltung geben, die für den Radverkehr zuständig ist. Ein weiterer Schritt könnte sein, den Arbeitskreis Radverkehr, so wie es diesen schon mal vor 20 Jahren in Soltau gab (siehe Infobox), wieder aufleben zu lassen. Bürger, Vereine und Initiativen, die sich für den Radverkehr engagieren, wie der ADFC, „Soltau fährt Rad“, Youze und der Seniorenbeirat, sollten hier vertreten sein und sich regelmäßig mit Behördenvertretern über Themen zum Radverkehr austauschen und versuchen, die Umsetzung von Maßnahmen voranzutreiben.

Ein Schwerpunktthema war ja bei der Umfrage das Miteinander im Verkehr. Wie erleben Sie da die Situation in den Kommunen?

Beim Miteinander im Verkehr hat Schneverdingen mit der Note 3,5 am besten abgeschnitten. Die anderen Kommunen im Heidekreis kamen hier nur auf ausreichend. Bemängelt haben die Radfahrer in allen Orten, dass der vorgeschriebene Abstand von 1,5 Metern beim Überholen von Radfahren, der seit April 2020 vorgeschrieben ist, nicht eingehalten wird. Hier wurde auch die Note mangelhaft vergeben. Und tatsächlich erlebe ich als Radfahrerin immer wieder, dass mich Autofahrer zu eng überholen. Darüber hinaus mangelt es gelegentlich am Wissen, dass Radfahrer auf der Fahrbahn fahren dürfen und es wird gehupt und durch Gesten versucht, Radfahrer darauf hinzuweisen, den Radweg zu benutzen. Für ein gutes Miteinander im Verkehr hilft eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Diese gibt es in den Gemeinden des Heidekreises nicht oder kaum. Entsprechend fiel hier die Bewertung aus. Da gibt es noch eine Menge Luft nach oben.

Die Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen war auch so ein Punkt, der eher schlecht bewertet wurde.

Ja, weil das schlichtweg gar nicht stattfindet.

Damit sind es noch einmal mehr Hindernisse auf den Radwegen?

Neben parkenden Autos auf Radwegen sind es vor allem die Mülltonnen, die an Abfuhrtagen den Radweg verstellen. Die Gruppe „Soltau fährt Rad“ hatte sich darum schon einmal gekümmert. Aber es ist ein schwieriges Thema und eine Lösung konnte bisher nicht gefunden werden.