Mobilität erfahren

Andrea Kulpok bietet mit ihrem pinkfarbenen Golfkart Touren durch einige der schönsten Ecken Schneverdingens an.

Gemeinhin gilt Golf als Sinnbild von Dekadenz und Schnöseltum. Ein Sport, dem Besserverdienende, die, die es gerne wären, oder Reiche im Lebensabend frönen. Besonders das dazugehörige Golfmobil auf vier Rädern zahlt auf diesen Eindruck ein. Abseits der grünen Golfplatz-Idylle bekommt man ein solches „Caddy“ so gut wie nie zu Gesicht.

In Schneverdingen ist das anders: Seit April ist Andrea Kulpok mit ihrem knallig-pinken Golfkart auf den Straßen unterwegs. „Schneverdingen und Heide – da musste es einfach pink sein“, lacht die 58-Jährige. Mit einer Idee, bei der das Handicap (wie beim Golf) eine zentrale Rolle spielt, hat sie sich jüngst selbstständig gemacht: Behinderte oder alte Menschen, die nicht mehr laufen können, will sie mithilfe ihres Karts raus in die Natur bringen. „Ausfahrten in die Heide“, legt Kulpok dar, „bedeuten immer Glück für die Gäste, bei denen dann unter den älteren meist Erinnerungen an früher hochkommen.“

„Hand in Hand durchs Heideland“ hat die Schneverdingerin ihr Konzept getauft. Interessenten können beispielsweise zwischen einer einstündigen Tour durch das Areal am Heidegarten/Schafstall samt Schnuckeneintrieb oder einer Route innerorts durch innere Bereiche der Stadt über zwei Stunden wählen. „Jeder kann individuell seine Wünsche äußern“, erklärt Kulpok. Selbst über Friedhöfe chauffiert sie ihre Mitfahrer: „Ich kenne viele Leute, die das Grab ihres verstorbenen Partners nicht mehr besuchen können – schlicht, weil sie kaum noch gehen können.“ So skurril so ein Szenario zunächst wirken mag, die Resonanz von Außenstehenden sei dabei durchweg positiv gewesen. Und tatsächlich: Fährt man als Beifahrer an Kulpoks Seite, wird einem fortwährend zugelacht und zugewunken.

Rheinische Frohnatur am Steuer

Neben dem exotischen Gefährt ist Kulpok selbst als Grund dafür maßgeblicher Faktor. Der gebürtigen Rheinländerin merkt man ihre herzliche Frohnatur sofort an. „Mobilität war in meinem Leben immer wichtig – angefangen vom Mofa, über das Motorrad oder Wohnmobil.“ Erstmals kam sie qua ihrer eigenen Familiengeschichte mit dem Golfmobil in Kontakt: Ihrer hochbetagten Mutter konnte Kulpok zunächst mit einem E-Dreirad möglichst viel Mobilität ermöglichen. 6000 Kilometer sind beide quer durch die Gemeinde darauf unterwegs. Auf die 90 Jahre zugehend, erwies sich das naturgemäß als zunehmend schwieriger. „Wir wechselten dann auf ein Golfkart und sie hat es geliebt. Da war es ganz egal, ob Sommer oder Winter: Jedes Wochenende hat sie nach dem Frühstück gefragt, wann es losgeht.“

Nach dem Tod ihrer Mutter wird Kulpok klar: Den Wunsch nach frischer Luft und Natur will sie auch anderen erfüllen. Dafür investiert die 58-Jährige eine Menge: „Allein bei dem E-Kart liegt man bei einer nicht unerheblichen fünfstelligen Summe.“ Darüber hinaus kommen diverse Versicherungen, ein Personenbeförderungsschein und die Genehmigung, um in Landschaftsschutzgebieten zu fahren. „Das ist ein Brocken. Man bringt irre viel auf, um jetzt an diesen Startpunkt zu kommen“, blickt sie zurück. Im Sinne des Informationsgehaltes während der Ausfahrten hat sich die Schneverdingerin parallel dazu über die Tourist-Information zum Tourguide ausbilden lassen. „Seit 1996 lebe ich inzwischen hier. Die Heide und ihre Schnucken sind einfach mein Thema“, schwärmt sie.

Das Kart selbst hat eine reguläre Straßenzulassung. Der Motor fährt leise und emissionsfrei. Nebst dem Fahrer bietet es für fünf weitere Personen bequem Platz. Kulpok schwebt vor, damit insbesondere Bewohner in umliegenden Seniorenresidenzen anzusprechen. Vom aufgepeppten Familienbesuch bis zur monatlich getakteten Ausfahrt, bei der Interessenten mittels Aushang ihr Dabeisein bekunden können, hofft sie, dass sich ihr Invest so amortisieren wird.

Fernab der Straße sorgt ihr Gefährt derweil schon für einiges an Aufsehen. Medienwirksam kam es in einem Web-Werbefilm der Residenz Heideblüte zum Einsatz. Ebenfalls werden Kulpok und ihr Golfcaddy beim Heideblütenfest – passend zum Motto: „Schneverdingen leuchtet in allen Farben“ – dabei sein. Dort unterstützt die 58-Jährige eine Schneverdinger Tanzgruppe.

Wer mehr über Andrea Kulpok und ihr Projekt erfahren will, findet weitere Informationen auf www.heidelandtour.de oder in der Tourist-Information Schneverdingens.