Einmal wieder angstfrei am Bahnsteig stehen
Elefanten haben Lilian Froechtling immer fasziniert, im Tierpark Hagenbeck (Foto) und auch im Beruf als Tierpflegerin im Serengeti-Park Hodenhagen, wo sie den Tieren sehr nahekam.
„Sie hat ein Kämpferherz“, sagt Katja Froechtling über ihre Tochter Liliana. Vielleicht hat diese Eigenschaft der 19-Jährigen an jenem Sonntag im Februar am Bahnhof Hodenhagen das Leben gerettet, als ein 43-jähriger Fremder ohne Grund und Vorwarnung mit einem Messer auf sie losging. Der psychisch kranke Mann verletzte die junge Frau mit mehreren Stichen lebensbedrohlich (siehe BZ vom 18. Februar). „Sie hielt Minuten lang die Klinge fest“, erzählt die Mutter. Zwei Tage lang blieb unklar, ob Liliana überlebt. Dann stabilisierte sich ihr Zustand.
Die Folgen der brutalen Tat sind aber gravierend, seelisch wie körperlich. Die Frau ist mit Narben gezeichnet, der Griff in die Messerklinge verursachte schwere Abwehrverletzungen an den Händen. Zwei Operationen hat das noch immer in der Reha befindliche Verbrechensopfer überstanden, eine dritte steht am 18. Juni an. Das Messer hat Sehnen durchtrennt, zwei Finger der rechten Hand sind weiter steif. „Im schlimmsten Fall müssen sie dauerhaft versteift werden“, sagt Katja Froechtling. Selbst nach einer erfolgreich verlaufenden Operation blieben die Hände kraftloser als zuvor und wären nicht mehr hundertprozentig einsetzbar.
Arbeit mit Elefanten nicht mehr möglich
Ihren geliebten Beruf, der sie regelmäßig nach Hodenhagen führte, wird Liliana nie mehr so ausüben können wie zuletzt: Als ausgebildete Tierpflegerin kümmerte sie sich im Serengeti-Park um die Elefanten. Für den Umgang mit den Dickhäutern benötigt man Kraft und muss zupacken können.„Vielleicht wird sie eines Tages wieder als Tierpflegerin arbeiten können, mit kleineren Tieren“, macht die Mutter sich etwas Mut. Der Weg bis dahin ist aber noch lang. Erst einmal geht es um kleinere Schritte: Irgendwann wieder ohne Begleitung durch die Straßen gehen, allein am Bahnsteig stehen. „Ihre Seele trägt viel Angst und Unsicherheit, aber sie kämpft jeden Tag, an manchen mit vielen Tränen“, sagt die Mutter. „Liliana hat schon wieder Pläne, ist aber manchmal frustriert, weil alles lange dauert.“
Zu den Plänen gehört, eine eigene Wohnung nahe ihrer in Sehnde bei Hannover lebenden Eltern zu beziehen. Zuletzt hatte sie eine Bleibe in Bad Fallingbostel, um gut zur Arbeit zu kommen. Sie möchte ihren Führerschein machen und sich ein Auto zulegen, um nicht mehr aufs Bahnfahren angewiesen zu sein, das für sie wohl noch lange angstbesetzt sein wird. Und auch einen Hund möchte sie sich anschaffen, als treuen Begleiter, der Sicherheit vermittelt. Hinzu kommt ein Traum: Liliana möchte, sobald es ihr Zustand zulässt, nach Afrika reisen. Um Elefanten in freier Wildbahn erleben zu können. Mit einer Spendenkampagne auf der Spendenplattform GoFoundMe hofft ihre Familie auf Unterstützung für die Vorhaben.