Glaskunst zwischen Frechheit und Poesie

Sabine Fezer ist eine der beiden Preisträgerinnen, die von der Fachjury mit Thierry Boissel, Ulf-Marcus Grube, Nadania Idriss, Jens Gussek und Korbinian Stöckle ausgezeichnet wurde. Fezer teilt sich den Jurypreis in Höhe von 6000 Euro mit Anda Munkevica. Fotos: at

Der unkonventionelle Umgang mit Glas auf der einen Seite und auf der anderen die außergewöhnliche technische Meisterschaft. Das hat in diesem Jahr die Jury der Internationalen Ausstellung Glasplastik und Garten in Munster zu einer schnellen Entscheidung geführt. Den Jury-Kunstpreis, dotiert mit 6000 Euro, teilen sich die Glaskünstlerin Simone Fezer aus Deutschland und ihre lettische Kollegin Anda Munkevicas.

Die Preise wurden zur Eröffnung am Sonnabend vergeben. Man habe sich überraschend schnell geeinigt, betonten die Jurymitglieder und Glaskunstexperten Thierry Bissel, Jens Gussek, Nadania Idriss und Korbinian Stöckle. Das sommerliche Wetter lud im Anschluss zu einem gemütlichen Bummel über das Ausstellungsgelände und zu den Siegerwerken ein.

Bürgermeister Ulf-Marcus Grube, der ebenfalls zur Jury gehört, habe sich der Entscheidung gerne angeschlossen, auch wenn er nicht über das Fachwissen verfüge, gab er freimütig zu. Er war allerdings dafür verantwortlich zunächst die inzwischen 13. Ausstellung zu eröffnen. Mehr als 30 Künstlerinnen und Künstler aus ganz Europa zeigen noch bis zum 13. September ihre Werke. Die großen und kleineren Objekte sind auf der Wiese vor der St. Urbani Kirche, rund um den Ollershof sowie im Inneren der Kirche und der Stadtbücherei zu sehen.

1996 fand die erste Ausstellung in Munster statt. Initiiert wurde sie von dem tschechischen Glaskünstler Milan Vobruba, der auch später die künstlerische Leitung übernahm. Er starb 2016. Bis 2010 wurde die Ausstellung alle zwei Jahre organisiert, seit 2013 alle drei Jahre.

90.000 Euro an Spenden eingesammelt

Insbesondere die Finanzierung sei für eine Stadt wie Munster eine Herausforderung, erklärte Grube. Daher sei es zwingend notwendig Spender und Sponsoren zu gewinnen. Das sei auch in diesem Jahr sehr erfolgreich gelungen. Nach seinen Worten wird die Ausstellung mit rund 90.000 Euro unterstützt. Für die musikalische Umrahmung sorgte am Sonnabend die Big Band der Heidekreis Musikschule. In der Glaswerkstatt am mobilen Ofen hinter der Galerie an der Örtze arbeitete der Künstler Maximilian Schlott öffentlich an weiteren Stücken.

Schließlich erläuterte Jens Gussek, der das Institut für Künstlerische Keramik und Glas der Hochschule Koblenz leitet, was die Jury an dem Werk von Simone Fezer besonders beeindruckt hat. Auf der Wiese vor der St. Urbani Kirche hatte sie ein korrespondierendes Werk aufgestellt mit dem Titel „High“ und „Low“. Insbesondere „High“ überzeugte die Jury. „Einerseits ist sie sehr professionell und dem Material zugewandt, andererseits geht sie erstaunlich frei und frech damit um“, erklärte Gussek dem Publikum.

Was das Werk konkret darstellt, bleibe bewusst offen: etwas Kreatürliches, etwas Wachsendes, vielleicht auch etwas Gegensätzliches, spüre der Betrachter. Gerade diese Mehrdeutigkeit sei eine Qualität, die zum Nachdenken anrege. „Es ist eine Arbeit, die nicht unbedingt auf den ersten Blick gefällt, und gerade das macht sie sympathisch“, so der Experte. Fezer hat nach 2008 und 2016 bereits zum dritten Mal einen der Hauptpreise erhalten.

Den weiteren Hauptpreis gewann Anda Munkevicas Installation „The River“, die Thierry Boissel vorstellte, der seit 1991 die Studienwerkstatt für Glasmalerei, Licht und Mosaik an der Akademie der Bildenden Künste München leitet. Nach seinen Worten sei das Urteil der Jury einstimmig und ohne Diskussion ausgefallen. Die Arbeit beeindrucke  durch ihre Sensibilität: „Sie kann, je nach Licht, Wetter oder Blickwinkel, fast unsichtbar wirken. Ihre poetische Kraft entfaltet sich im Wechselspiel von Reflexionen und Transparenz“, erklärte Boissel. Hinzu komme die außergewöhnliche technische Meisterschaft. Denn Munkevica müsse eigens einen überdimensionalen Glasofen konstruiert haben, um die großformatigen Glasplatten in der gewünschten Form zu biegen: „Eine logistische und handwerkliche Herausforderung“, die die Jury tief beeindruckte. Die Künstlerin war leider nicht anwesend.

Mit „High“ und „The River“ sind damit in Munster zwei Werke, die kaum gegensätzlicher sein könnten: das eine frech und experimentell, das andere sensibel und poetisch. Gemeinsam aber zeigen sie mit allen anderen Werken die gesamte Vielfalt und Ausdruckskraft zeitgenössischer Glaskunst.

Bis zum 13. September geöffnet

Die Glasausstellung in Munster läuft bis zum 13. September. Die Objekte können auch erworben werden, Preislisten sind im gesamten Ausstellungsbereich ausgelegt. Während der Ausstellung ist auch die Glaswerkstatt von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Dort zeigen die Glasbläser Jan Viskocyl und Maximilian Schlott ihr Können. Die Munster Touristik betreibt während der Ausstellung die Galerie an der Örtze als Zweigstelle. Sie dient während des gesamten Ausstellungszeitraums als Treff- und Infopunkt für Fachleute, Künstler und Besucher. Dort gibt es Informationen über die Ausstellung, über Munster und Umgebung. Die Galerie ist täglich ebenfalls von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Zudem gibt es weitere Veranstaltungen und Führungen. Weitere Informationen unter www.glasplastik-und-garten.de.

Anja TrappeKommentieren