Rat fordert Schutz vor Bahn
Lärmschutzwände als Preis für gute Anbindung? Die aktuellen Planungen der Bahn sehen massive Eingriffe in das Stadtbild von Munster vor.
Selten hat ein Thema in der Munsteraner Stadtpolitik so viele Details und Auswirkungen zugleich berührt wie der Ausbau der Amerikalinie. Bei der jüngsten Ratssitzung am Donnerstagabend stellten Stadtplaner Stephan Fähndrich und die Verwaltung die Positionen der Stadt gegenüber der Deutschen Bahn vor – und die Ratsmitglieder beschlossen den Forderungskatalog nach intensiver Diskussion bei nur einer Enthaltung einstimmig.
„Eine gute Schienenanbindung mit verlässlichen schnellen Verbindungen in Oberzentren ist nur möglich mit einer gut ausgebauten Infrastruktur“, betonte Fähndrich eingangs. Eine moderne Bahnlinie sei nicht nur wichtig für die Lebensqualität im ländlichen Raum, sondern auch Voraussetzung für die Ansiedlung von Unternehmen und die Bindung von Arbeitsplätzen. „Es geht auch um Chancen im Tourismus und nicht zuletzt um eine Alternative zum motorisierten Individualverkehr“, so der Stadtplaner.
Doch die Vorteile haben eine Kehrseite. Denn die aktuellen Planungen der Bahn sehen massive Eingriffe in das Stadtbild vor: Die Zahl der Züge soll bis 2030 von derzeit 23 auf 70 pro Tag steigen, davon 20 in der Nacht. „Besonders problematisch sind die geplanten Lärmschutzwände von bis zu fünf Metern Höhe“, erklärte Fähndrich. „Das beeinträchtigt Siedlungsstrukturen, Stadtentwicklungsmöglichkeiten und Lebensqualität.“
Die Ratsmitglieder machten deutlich, dass Munster nicht nur Zuschauerin der Planungen bleiben will. Im verabschiedeten Katalog finden sich zentrale Forderungen: So pocht die Stadt auf die Einhaltung der strengeren WHO-Leitlinien zum Umgebungslärm, auf aktiven statt passiven Lärmschutz sowie auf den Schutz auch kleinerer Wohnnutzungen. „Wir wollen uns nicht mit neuen Fenstern abspeisen lassen, wenn es bessere Lösungen direkt an der Strecke gibt.“
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Verkehrssicherheit. Besonders die Bahnübergänge an der Breloher Straße und der Soltauer Straße sorgen für Sorgenfalten. „Wenn beide Schranken gleichzeitig geschlossen sind, ist Breloh abgeschnitten – auch für Rettungsfahrzeuge“, warnte Fähndrich. Deshalb fordert die Stadt mindestens eine höhenungleiche Querung, also eine Unter- oder Überführung.
Auch die Stadtentwicklung spielt eine Rolle: Der Bahnhof Munster soll nicht nur Haltepunkt, sondern auch Begegnungsbahnhof bleiben. Gleichzeitig mahnt die Stadt, mögliche Reaktivierungen von Bahnstrecken – etwa nach Beckedorf – bei den Planungen mitzudenken.
In der Diskussion war zudem spürbar, dass die Ratsmitglieder die emotionale Dimension des Themas erkannten. „Wir alle wollen die Vorteile einer besseren Schienenanbindung nutzen“, hieß es, „aber nicht um den Preis, dass ganze Ortsteile von Betonwänden eingekesselt werden.“
Stefan Sorge (Munster Union) kritisierte in der Ratssitzung den Forderungskatalog der Stadt Munster zur Amerikalinie als unvollständig. Aus seiner Sicht werde die Bundeswehr als größter Heeresstandort Deutschlands darin kaum berücksichtigt, obwohl sie ein zentraler Akteur am Ort sei. Sorge bemängelte zudem, dass Soltau in seinem Katalog wesentlich ausführlicher sei und die Bürgerbeteiligung dort deutlich früher begonnen habe. Er forderte einen engeren Schulterschluss mit der Bundeswehr und mehr Gewicht für deren Belange in den städtischen Forderungen.
Bürgermeister Ulf-Marcus Grube erwiderte, dass die jetzt ehemalige Wehrbeauftragte Dr. Eva Högl zu diesem Thema angesprochen wurde. Da gebe es eine klare Forderung, dass die Bahn hier etwas leiste, damit die Bundeswehr im größten Heeresstandort weitermachen könne.
Der Antrag der CDU-Fraktion auf eine Resolution gegen den Hausärztemangel ist im Rat gescheitert. Bei fünf Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen fand das Papier keine Mehrheit. Stattdessen folgten die Ratsmitglieder einstimmig der Empfehlung, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe „örtliche Ärzteversorgung“ einzusetzen.
Sarah Kauffeld (CDU) warb für Zustimmung: „Der zunehmende Ärztemangel, gerade in ländlichen Regionen, ist eine der größten Herausforderungen. Wir hoffen, dass wir heute gemeinsam an einem Strang ziehen.“
SPD-Fraktionschef Dr. Detlef Rogosch setzte jedoch einen anderen Akzent: „Wir hätten uns ein gemeinsames Verfahren mit allen Fraktionen gewünscht. Eine Arbeitsgruppe ist der richtige Weg, um tragfähige Lösungen zu erarbeiten.“
Auch Ingmar Großmann (FDP/WGM) zeigte sich skeptisch: „Eine Resolution ist nur eine Willenserklärung, die nichts bewegt. Aber eine Arbeitsgruppe lohnt sich – da bin ich dabei.“ Mit dem Beschluss liegt der Fokus nun auf konkreter Zusammenarbeit statt auf einer symbolischen Resolution.
Gleich zu Beginn der jüngsten Ratssitzung griff Ratsvorsitzender Gerd Engel einen Punkt vor: Er verlas eine schriftliche Erklärung von Ratsherr Felix Friese, der sich für seine Äußerungen in der Sitzung vom 19. Juni entschuldigte. „Meine Bewertung des Verhaltens der Munster Union war überzogen. Dass ich die Munster Union mit einer undemokratischen Partei aus dem Reichstag verglich, ist falsch“, so Friese.
Engel ergänzte, er habe das damalige Protokoll sowie die Tonaufzeichnung geprüft. Aufgrund der getätigten Aussagen sprach er Friese eine offizielle Rüge nach Paragraf 14 der Geschäftsordnung aus. Er wie auch die Mehrheit der Fraktionen im Rat bezeichneten den Zeitpunkt der Entschuldigung als „zu spät“.