„Ein heuchlerischer Antrag“
Besonderer Anlass oder Alltag? Im Kreistag ging es jüngst um den angemessenen Umgang mit der Deutschlandfahne. Foto: Adobe Stock
Mancher schob es im Nachgang augenzwinkernd auf die Hitze. Jedenfalls begann die Sitzung des Kreistages am Freitagnachmittag ungewöhnlich: mit fraktionsübergreifendem Gesang, einem kleinen Geburtstagsständchen für Silke Thorey-Elbers. Die Kreistagsvorsitzende aus den Reihen der CDU übte auch an ihrem persönlichen Ehrentag ihr öffentliches Ehrenamt aus. Soviel Engagement war den Abgeordneten allemal ein schiefes, aber herzliches „Happy Birthday to you“ wert.
Dabei wäre es wohl eine lässliche Sünde gewesen, die Sitzung zu schwänzen. Vier das Heidekreis-Klinikum (HKK) betreffende Punkte waren kurzfristig von der Tagesordnung genommen worden, die im Anschluss an die Sitzung vorgesehene nichtöffentliche HKK-Gesellschafterversammlung abgesagt. Hintergrund ist die Krankmeldung des Wirtschaftsprüfers, auf dessen Mitwirkung laut Landrat Jens Grote nicht verzichtet werden konnte. Lediglich bei den schriftlichen Anfragen, dem letzten Tagesordnungspunkt vor der Schließung der Sitzung, kam das kommunalpolitische Großthema zur Sprache. Grote beantwortete einen Fragenkatalog der SPD-Fraktion, in dem es um den Rückgang stationärer Fallzahlen und das steigende Defizit des Klinikbetriebs geht. Grote bemühte sich dabei, den Eindruck einer bedrohlichen Negativentwicklung zu zerstreuen. Medizinische Versorgungszentren seien „häufig defizitär“, der Blick allein auf Fallzahlen sei zu eng.
Maximal provokante Antragsbegründung
Zupass kam die um ihren inhaltlich relevantesten Teil gebrachte Kreistagssitzung der AfD-Fraktion, die dadurch freie Bühne für eine von der Partei bundesweit betriebene Kampagne hatte. Landauf, landab versucht die AfD, sich durch Anträge auf Dauerbeflaggung insbesondere vor Schulen und Behörden als patriotisch und verfassungstreu darzustellen. Die vom Verfassungsschutz beobachtete Rechtspartei wirft den demokratischen Parteien bei Ablehnung des Antrags regelmäßig mangelnde Achtung vor der Deutschlandfahne vor. Eine Strategie, die aus Sicht der AfD nun auch im Kreistag des Heidekreises gut funktioniert haben dürfte.
Ihr redegewandter Fraktionsvorsitzender Alfred Dannenberg jedenfalls hatte sichtlich Freude daran, den Flaggen-Antrag maximal provokativ zu begründen. Selbst ein Hinweis auf die Regenbogenfahne und der Begriff „Stolzmonat“, mit dem Rechtsextreme versuchen, den Pride Month der queeren Community zu kapern und lächerlich zu machen, durfte nicht fehlen. Tägliches Hissen der Deutschlandfahne würde der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken, argumentierte Dannenberg treuherzig und skizzierte einen Heidekreis, der mit der Annahme des AfD-Antrags zum „Pionier in Niedersachsen“ werden könnte.
Warnung vor Banalisierung nationaler Symbolik
Dazu kam es nicht, die anderen Fraktionen lehnten den Antrag erwartungsgemäß ab. Landrat Grote verwahrte sich in seiner Replik dagegen, sich seine Liebe zu Hymne und Flagge absprechen zu lassen. Dauerbeflaggung würde die Fahne als besonderes nationales Symbol banalisieren. Der AfD gab er unter Verweis auf deren Kampf gegen die deutsche Erinnerungskultur und relativierende Äußerungen zur NS-Zeit den Rat, lieber das Grundgesetz zu respektieren, statt überall im Land identische Anträge zur Deutschlandfahne zu stellen. CDU-Fraktionschef Torsten Söder sprach vom „heuchlerischen Antrag“ einer AfD, die sich „als Hüterin des Zusammenhalts“ inszeniere, tatsächlich aber nicht das Allgemeinwohl im Blick habe und die Werte, für die Schwarz-Rot-Gold historisch stehe, ablehne. „Wir werden nicht zulassen, dass eine rechtsextreme Partei sich der Fahne bemächtigt.