Wo Tiger mit Ziegen kuscheln

Regina Hamza mit Tochter Jessica können auch gut mit „normalen“ Tieren wie Landschildkröten, die sie in die Pflege nehmen, doch ihre erfolgreiche Sozialisierung von Raubtieren mit potenziellen Beutetieren ist eher ungewöhnlich.

Hodenhagen. In einem der vielen Gehege auf dem Privatgrundstück von Regina Hamza in Hodenhagen lässt sich Känguru Louis nur mit viel gutem Zureden und trockenem Brot auf eine Begegnung ein. Es ist nass und auch die sommerlichen Temperaturen lassen zu wünschen übrig. Louis zeigt sich nicht nur unwillig, sondern auch wenig zutraulich. Bei Känguru Skippy sei das anders gewesen, berichtet Regina Hamza – wie in allen Fällen, in denen die Tiere von klein auf bei Familie Hamza sozialisiert worden sind.

Wenn der Amurleopard mit dem Kaninchen kuschelt ...

Regina Hamzas Mann Hansi, der einst als „Elefanten-Junge“ aus Sri Lanka gekommen war, hatte sich mit Ausbildung und Studium bis zum Tierinspektor ins Management des Serengeti-Parks Hodenhagen hochgearbeitet. Tiere, die von ihren Eltern verstoßen wurden, rettete er und übergab sie zum Teil seiner Frau. Als 2011 bekannt wurde, dass Regina Hamza einen verstoßenen schwarzen Amurleopard aufzog, dessen bester Freund ein Kaninchen war, rissen sich die Medien um die außergewöhnliche Pflegefamilie. Leopard und Kaninchen wie Geschwister – geht das? „Ja, das geht!“, sagt Jessica Hamza, Tochter des Ehepaars.

Kuscheln mit dem Raubtier

Schon als Kind hat Jessica es mit ungewöhnlichen Tieren zu tun gehabt und etwa Hyänenhunde mit der Flasche großgezogen.

Das schwarze Leopardenbaby, das „Paulchen“ getauft wurde, wurde „nach elf, zwölf Tagen vom Gesäuge weggekratzt“ und hatte schon Entzündungen. „Mit der Umstellung auf einen Kunstsauger habe ich mich richtig abgequält, bei glühender Hitze damals“, erzählt Regina Hamza. Es habe schließlich geklappt. Allerdings nur mit einem Trick, um der Einsamkeit vorzubeugen. „Ich habe immer viel mit Kaninchen gemacht und habe vom Zoo-Geschäft ein kleines Zwergkaninchen geholt und beide Tiere auf meinen Schoß genommen“. Das sei aber nicht gut gegangen, da sich die Tiere nicht mochten. Das Kaninchen überlebte den Versuch, musste aber für einen Tausch zurück zur Zoo-Handlung. „Ich habe aber nicht gewagt, zu sagen, was der Hintergrund ist“, lacht Hamza. Mit dem zweiten Kaninchen habe es dann aber geklappt, der Leopard und das Kaninchen wurden beste Freunde. Als der Leopard mit fester Nahrung anfing, hat Hamza zunächst Rinderhack angeboten. „Da hat das Kaninchen dann Rinderhack gefressen. Später kam Hähnchenbrustfilet dazu“, berichtet Hamza über die ungewöhnliche Tiergemeinschaft. Der Leopard habe selbstverständlich auch Karotten und Kohlrabi-Blätter getestet. „Da hat er sich aber geschüttelt und es wieder ausgespuckt“, lacht Hamza. Die Trennung der beiden Freunde nach neun Monaten sei für alle Beteiligten hart gewesen. Der Leopard kam natürlich zurück in den Serengeti-Park. Als er nichts fressen wollte, habe sie mit dem Kaninchen zu Besuch kommen und ihn mit Fleischportionen wieder aufpäppeln müssen. „Paulchen“ ist nach einem Hüftschaden im vergangenen Jahren gestorben.

Ungewöhnliche Tierpaare waren bei Familie Hamza die Regel

Später kamen noch Straußenvögel dazu, oder das ungewöhnliche Tierpärchen mit Tiger „Max“ und Ziege „Maggie“. Ein anderes Familienmitglied war das Lama „Pontus“, das aus reiner Liebe Jessica in den Nacken gespuckt hat. Bei Hamza suchten sich Hund und Vogel oder Katze und Kaninchen gemeinsame Schlafplätze. Tiere zu trennen, um ihnen ein artgerechtes Leben zu ermöglichen, sei in regelrechten Stress ausgeartet. Ein befreundetes Hund-Kaninchen-Paar wurde beispielsweise getrennt, damit das Kaninchen im Freien leben konnte. Draußen hat sich der Nager durch den Draht gebissen und drinnen der Hund alles eingepieselt, bis die beiden wieder zusammengeführt worden waren.

Hyänenhunde mit der Flasche groß gezogen

Jessica ist mit diesen ungewöhnlichen Pflegetieren groß geworden. „Für uns war das völlig normal“, erzählt sie aus ihrer Kindheit. Ihr erstes Pflegekind sei ein Affe gewesen, später hat sie gemeinsam mit Schwester Nilufa zwei Hyänenhunde mit der Flasche aufgezogen. Ihre Lieblingstiere sind aber eigentlich Gänse. „Ich wollte immer mit den Gänsen fliegen“, schwärmt die junge Frau.

Beste Freunde: Bisweilen gibt es bei Hamzas auch Dreierkonstellationen, etwa Hund, Kaninchen und Vogel, die unzertrennlich sind.

Inzwischen ist es im Hause Hamza ruhiger geworden. Hansi Hamza verstarb vor ein paar Jahren an Krebs. Tochter Jessica (39) und inzwischen auch schon ihr Sohn sind ins ehrenamtliche Pflegegeschäft fest eingestiegen. Sie wohnen nur wenige Meter entfernt. „Wir machen das in dritter Generation“, sagt Jessica nicht ohne Stolz. Das hat selbstverständlich Folgen. Während andere in Urlaub fliegen, müssen Hamzas schon sehr viel organisieren, um eine Abwesenheit zu ermöglichen. Abgesehen davon: Die Tierarztkosten sind beträchtlich. Ist früher der Serengeti-Park für das Futter aufgekommen, müssen Hamzas das und die gerade erst gestiegenen Tierarzthonorare selbst finanzieren. Immerhin: Regina Hamza hat in Haus und Garten rund 80 Tiere. Alle haben ihre abgegrenzten Lebensräume. Da kommt einiges zusammen. Hühner, Enten und weitere Vogelarten, Land- und Wasserschildkröten, zwei Affen, Gespensterschrecken und Riesenschnecken. Die Zeit der Raubkatzen ist erst einmal vorbei, der Serengeti-Park hat seine Aufzucht begrenzt.

Ehrenamtliche Tierpflege in dritter Generation

Doch Jessicas Sohn hat dann selbst mit der Aufzucht von Geflügel begonnen. Wie schon seine Mutter hat er mit dem Brüten experimentiert. Eine auf ihn geprägte Gans hat ihn sogar zur Grundschule begleitet, ist ihm zunächst hinterhergelaufen, später ihm hinterher geflogen.

Noch immer werden Tiere in Pappkartons bei Hamzas abgegeben. Die ehrenamtliche Pflege des tierischen Familienzuwachses hört also wohl auch in Zukunft nicht auf.