Das „Herz“ macht Soltaus Sozialdemokraten Sorgen

„Wir würden gerne hier bleiben“: Co-Vorsitzender Birhat Kaçar vor dem Gebäudetrakt, den der
SPD-Ortsverein Soltau seit 25 Jahren als Roten Bahnhof nutzt. Foto: vo

Der Rote Bahnhof hat Jubiläum. Seit 25 Jahren ist der etwa 90 Quadratmeter große Trakt am Rand des 1873 errichteten Bahnhofsgebäudes das Domizil der Soltauer Sozialdemokraten. Seit dem 16. Juli 2000. Dieses Datum steht auf einem Metallschild, in dem der Ortsverein 13 namentlich aufgeführten Frauen und Männern dankt, die mit weiteren Spendern und Unterstützern dazu beitrugen, aus der früheren Gepäckhalle eine Bürgerbegegnungsstätte und die Heimat der Soltauer SPD zu machen – „unser Herz“, wie es Co-Ortsvereinsvorsitzender Birhat Kaçar kürzlich bei der Jahresversammlung formulierte. Als Anlass zum Feiern sehen die Sozialdemokraten das aber nicht. Im Gegenteil, sie treibt die Sorge um, wie es mit dem Roten Bahnhof weitergehen soll. Von einem Damoklesschwert war bei der Versammlung die Rede.

Da sind zum einen die Kosten. Die Miete, das räumt Kaçar ein, sei günstig. Da habe der Vermieter eine höhere Forderung angekündigt. Dazu sei man grundsätzlich auch bereit. Doch dann brauche man die Garantie, länger hier bleiben zu können. „Denn wir müssen was machen.“ Dem SPD-Trakt sind, wie dem gesamten Bahnhofsgebäude und dem Umfeld, die Jahre anzusehen. Es brauche Farbe, anderes Mobiliar und weitere Modernisierungen bei der Einrichtung. Das kostet Geld. Bevor man das in die Hand nehmen könne, brauche man die Sicherheit eines längerfristigen Mietvertrags. „Seit zwei Jahren warten wir auf einen neuen Vertrag.“ Damit tue sich der Eigentümer schwer, spricht Kaçar von einem „Vermieter, der nicht weiß, was er will“.

Eigentümer würde Bahnhofsimmobilie am liebsten wieder loswerden

Erster Vermieter war seinerzeit die Deutsche Bahn. Eigentümer ist heute ein Hamburger Unternehmerehepaar, das den Bahnhof 2014 zu einem Schnäppchenpreis erworben hat – mit einer Reihe weiterer Bahnhöfe, die das ehemalige Staatsunternehmen loswerden wollte. Von den meisten habe es sich mittlerweile wieder getrennt. „Jetzt haben wir noch drei Bahnhöfe.“ Der Soltauer sei der größte.

Den würde man man auch gerne verkaufen. Seit einigen Jahren wird der Bahnhof schon zum Kauf angeboten. Es habe diverse Anfragen und Angebote gegeben, die hätten aber nicht den Preisvorstellungen entsprochen. Einen langfristigen Mietvertrag mit dem SPD-Ortsverein, etwa über fünf Jahre, lehnt die Unternehmerin nach eigener Aussage ab.

Eine komplizierte Situation für den Ortsverein. Seine Aufgabe als Vorsitzender sei es, die Mitglieder zu informieren, sagt Kaçar, für den der Rote Bahnhof die politische Heimat darstellt: „Hier bin ich 2013 in die Partei eingetreten.“ Ein Umzug würde weh tun, auch weil es schwierig sein dürfte, etwas Adäquates in so einer Lage in Soltau zu finden, vom Mietpreis einmal abgesehen. Das wolle man mit aller Macht vermeiden. „Aber wir dürfen die Augen nicht vor der Realität verschließen.

Wohnungen dürfen nicht vermietet werden

Die Namen von 13 Frauen und Männern, die im Jahr 2000 mit weiteren Unterstützern und Spendern dazu beigetragen haben, den Seitentrakt des Bahnhofsgebäudes zum Zentrum des SPD-Ortsvereins Soltau zu machen, sind alphabetisch auf der erwähnten Metalltafel aufgelistet. Etliche gehören der Partei oder jedenfalls dem Ortsverein nicht mehr an, sie sind ausgetreten, weggezogen, verstorben. Gleichwohl hat das Schild seinen Platz im Roten Bahnhof, weil es einen wichtigen Moment in der Historie der regionalen SPD, insbesondere des Ortsvereins markiert, wie ein Eintrag auf der Homepage dokumentiert: „Der Rote Bahnhof ist das Herz der Soltauer Sozialdemokratinnen und -demokraten.“

Wie es weitergeht, ob das Herz des Ortsvereins auch künftig hier schlagen wird? Da warte man auf Signale des Vermieters, sagt Co-Vorsitzender Birhat Kaçar. Am Anfang war es die Deutsche Bahn, mit der Mietvertrag um die Jahrtausendwende geschlossen wurde. 2014 gab es einen Wechsel: Ein Hamburger Unternehmerpaar hatte bei einer telefonischen Versteigerung unter anderem den Zuschlag für das Soltauer Objekt erhalten, für einen Schnäppchenpreis. Die neuen Eigentümer hatte zunächst angekündigt, den oberen Bereich des Gebäudes mit etwa 20 Zimmern ausbauen und zum Teil einer Hotelkette aus weiteren Bahnhöfen machen zu wollen. „Wir haben alles erneuert, komplett umgebaut, Gas- und Wasserleitungen, Bäder und die Fassade“, berichtete die Eigentümerin seinerzeit in einem Gespräch mit der Böhme-Zeitung (BZ vom 16. Februar 2019). Am Ende wurden es Wohnungen, die nach der Fertigstellung vermietet wurden. „Die wurden gern genommen, weil sie günstig waren“.

Dann kam Post vom Landkreis mit einer unerfreulichen Nachricht: Eine Vermietung von Wohnraum sei in der Gewerbeimmobilie nicht zulässig – verbunden mit der Aufforderung, diese Nutzung zu beenden. Die Mietverträge wurden gekündigt. 14 Apartments und zwei große Wohnungen stehen seitdem leer, über sechs Jahre schon.

Nicht betroffen waren die weiteren Mieter, damals unter anderem die Bahnagentur sowie der von der SPD als Roter Bahnhof genutzte seitliche Bereich. Im Erdgeschoss des Bahnhofsgebäudes befindet sich heute ein sogenannter E-Kiosk, der ohne Personal im 24/7-Betrieb geöffnet ist.

Am liebsten würde man die Immobilie verkaufen, sagt die Hamburger Unternehmerin. Weil eine Vermietung der Wohnungen in der Gewerbeimmobilie nicht möglich sei, hätten Interessenten abgewinkt. Eine andere Idee sei gewesen, ein Hotel auf dem Bahnhof zu bauen. Doch auch durch diese Rechnung hätten die Behörden einen Strich gemacht.

Mit dem Vorstand des SPD-Ortsvereins habe man Gespräche geführt, bei denen es um die Miete ging, die „viel zu niedrig“ sei. Das sei schon einige Zeit her. Auf die Frage, wie es denn mit der längeren Laufzeit des Mietvertrags aussehe, die der Ortsverein sich wünsche, um Planungssicherheit zu haben, antwortet sie ausweichend: „Wir machen Verträge eigentlich immer nur über ein oder zwei Jahre.“