Tierleid im Stall: Reicht das Kontrollsystem aus?
Tierrechtler haben in einer Schweinezucht im Kreis Rotenburg eklatante Verstöße gegen das Tierschutzgesetz aufgedeckt. Foto: Team Tierschutz
Zwei gravierende Fälle von mutmaßlichem Tierleid in landwirtschaftlichen Betrieben sorgen derzeit in der Region für Ermittlungen – und werfen ein Schlaglicht auf die Frage, wie wirksam die amtlichen Kontrollen im Tierschutz sind.
Zwischen verkohlten Balken, Asche und den leblosen Körpern verendeter Artgenossen hocken Hühner, die Tage, vielleicht Wochen in den Trümmern ausharren mussten. Was nach einem Horrorszenario klingt, soll im Heidekreis Realität gewesen sein: Nach einem Stallbrand bei Bad Fallingbostel Ende Juni mit mehr als 10.000 toten Tieren soll ein Teil der überlebenden Hennen nicht geborgen worden sein – so lautet jedenfalls der Vorwurf von Tierschutzaktivisten. 200 Tiere vegetierten demnach in der Ruine eines Bio-Betriebs an der A7 dahin, ehe einige von ihnen schließlich befreit wurden. Der Betreiber und der Landkreis widersprechen, verweisen auf Einsturzgefahr. Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelt.
Nur wenige Kilometer weiter, im benachbarten Landkreis Rotenburg, waren kurz zuvor Bilder aufgetaucht, die selbst erfahrene Tierschützer erschüttern: blutige Verletzungen, sterbende Ferkel, Muttersauen, denen in Fixierung Körperteile abgebissen werden. Samara Eckardt vom „Team Tierschutz“ hatte fast drei Jahre verdeckt in einem Helvesieker Ferkelerzeugerbetrieb gearbeitet – und mehr als 30.000 Bild- und Videoaufnahmen gesammelt. Sie dokumentierte massive Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Neben einer Strafanzeige gegen die Betreiber laufen Ermittlungen auch gegen den zuständigen Tierarzt.
Solche Enthüllungen befeuern eine Grundsatzdebatte: Wie verlässlich schützt das bestehende Kontrollsystem die rund 700 Millionen Nutztiere in Deutschland? Laut Veterinäramt Heidekreis werden risikobehaftete Betriebe engmaschiger überwacht, Kontrollen seien „grundsätzlich unangekündigt“. NGOs halten dagegen: In der Praxis erfolgten viele Überprüfungen angekündigt, Missstände würden so vorübergehend kaschiert. „Das Problem ist systematisch, nicht zufällig“, sagt Eckardt. „Wenn Veterinäre konsequent handeln würden, müssten viele Betriebe schließen.“
Dem Bild, dass es vornehmlich NGOs gelinge, Missstände aufzudecken, bevor Behörden eingreifen, widerspricht Dr. Ulrike Kümmel, Veterinärin des Heidekreises: „Tierschutzverstöße werden in der Regel ohne Mitwirkung von Tierschutzorganisationen durch die Veterinärbehörden festgestellt und geahndet.“
Anbindehaltung bleibt erlaubt
CSU-Chef Markus Söder formulierte bei der Vorstellung von Alois Rainer als neuer Bundeslandwirtschaftsminister bewusst provokant: „Statt dem grünen, veganen Özdemir kommt jetzt der schwarze Metzger. Jetzt gibt es wieder Leberkäs statt Tofutümelei.“ Kritiker befürchten nun, dass Rainer Tierschutzbestimmungen zurückdrehen könnte. Der gelernte Metzgermeister Rainer steht im starken Kontrast zu seinem Vorgänger Cem Özdemir (Grüne), der als Vegetarier und Verfechter ökologischer Landwirtschaft bekannt war. Zu seinen ersten Entscheidungen gehörte, das von der Ampelregierung ab 2035 geplante Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern zu kippen. Bei dieser Haltungsform werden Rinder mit Halsgurten oder Ketten an einem festen Platz fixiert. Die Tiere können sich weder frei bewegen noch umdrehen und verbringen ihr gesamtes Leben in dieser Position – meist im Stall. Befürworter verweisen auf geringeren Platzbedarf und eine einfachere Betreuung, Kritiker sehen darin eine besonders tierschutzwidrige Praxis, die natürliche Bewegungs- und Sozialbedürfnisse massiv einschränkt. In Deutschland ist die dauerhafte Anbindehaltung bislang erlaubt. Innerhalb der Bevölkerung findet die Praktik derweil wenig Anklang. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag von Foodwatch aus 2024 ergab: 84 Prozent der Deutschen sind gegen das dauerhafte Festbinden der Tiere.