Mehr Schutz für Prostituierte

Das Urteil der Bundestagsfraktion von CDU und CSU fiel eindeutig aus. „Mit dem 2017 in Kraft getretenem Prostituiertenschutzgesetz wurden neue Schutzvorschriften eingeführt, die die tatsächliche Situation der betroffenen Frauen verbessern sollte. Der erhoffte Erfolg ist allerdings nicht eingetreten“, heißt es in ihrem parlamentarischen Antrag „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen“ aus dem Februar 2024. Die Unionsparteien forderten die Scholz-Regierung und den Bundestag auf, eine Freierstrafbarkeit nach dem „Nordischen Modell“ einzuführen, also den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten. Unterzeichnet ist der Antrag von Friedrich Merz und Alexander Dobrindt, heute Kanzler und Innenminister.

Beim Thema Prostitution tun sich ungewöhnliche Allianzen auf. Konservative und viele linke Feministinnen wollen das Prostituiertenschutzgesetz (ProSchG) kippen und den Sexkauf ächten, wie es Schweden und Frankreich vormachen. Der deutsche Weg einer umfassenden Legalisierung sei gescheitert, ist man sich einig. Munition haben sich die Verbotsbefürworter, die es quer durch alle Parteien gibt, wohl auch von der im Auftrag des Bundesministeriums für Frauen in Auftrag gegebenen umfassenden wissenschaftlichen Evaluierung des Gesetzes erhofft. Aber der nach drei Jahren nun vorliegende und dem Bundestag übermittelte Abschlussbericht des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) fällt anders aus, als viele erwartet haben dürften. Ist das umstrittene Gesetz am Ende doch besser als sein Ruf? Und was bedeutet das speziell für die sogenannten Lovemobile, die das Bild des Prostitutionsgewerbes im Heidekreis stark prägen?

Prostitution unter dem Schutz der Verfassung

Das KFN führt zunächst aus, dass selbstbestimmte Prostitution eine grundgesetzlich geschützte Tätigkeit sei und es keine wissenschaftlich validen Belegen dafür gebe, dass die Legalisierung und stärkere Sichtbarmachung von Prostitution die Nachfrage stimuliere und Zwangsprostitution sowie den Menschenhandel fördere. „Das ProstSchG hat Stärken“, lautet das Fazit der empirischen Untersuchung, für die mehr als 2300 Prostituierte, 800 Behördenmitarbeiter, 3400 Freier und 280 Gewerbetreibende befragt worden sind.

Das Gesetz habe auch seine Schwächen, räumt die Studie ein. Diese seien aber „weitgehend behebbar“, sodass in den Regelungen zur käuflichen Liebe „vor allem Potenzial“ liege. „Während der laufenden Evaluation konnte man an verschiedenen Stellen lesen, das ProstSchG sei gescheitert. Dieser Einschätzung können die Autorinnen und Autoren des Abschlussberichts auf Basis ihrer Untersuchung nicht zustimmen“, heißt es im Schlusswort der 615 Seiten langen Ausführungen. „Im Ergebnis sprechen sehr deutliche Anhaltspunkte dafür, dass das Unterziel – Sicherstellung der Mindestanforderungen an Arbeitsbedingungen in Prostitutionsgewerben (Prostitutionsstätten und Prostitutionsfahrzeuge), weitgehend erreicht wurde.“

Allerdings blieben Lovemobile auch für die Forscher aus Hannover letztlich eine Blackbox. „Ähnlich belastbare Aussagen zur Umsetzung der Mindestanforderungen“ wie für konventionellen Prostitutionsstätten könnten für das kleine Sondersegment des Rotlichtgewerbes nicht getroffen werden, räumt die Studie ein. Ganze drei Betreiber von Prostitutionsfahrzeugen haben sich zur Umsetzung der gesetzlichen Mindestanforderungen befragen lassen. Und behördlich erfasste Daten zur Überwachung von Prostitutionsfahrzeugen seien so rar, „dass sie aus Datenschutzgründen vom Statistischen Bundesamt geheim gehalten werden“.

Rund 19 Lovemobile stehen im Heidekreis

Recherchen im Heidekreis legen aber nahe, dass das ProSchG auch im Bereich der Lovemobile durchaus wirkt, auch wenn der oft schäbige Anblick der betagten Wohnwagen mit den rosa Herzchen das nicht unbedingt vermuten lässt. Seit Einführung des Gesetzes 2017 ereignete sich im Bereich der Polizeiinspektion Heidekreis im Kontext von Wohnwagenprostitution maximal eine Sexual- oder Raubstraftat pro Jahr. Verstöße gegen das ProstSchG waren in diesem Zeitraum nicht zu verzeichnen, so Polizeisprecher Dennis Frede.

Aktuell stehen im Heidekreis durchschnittlich rund 19 zugelassene Lovemobile, teilt die Pressestelle des Landkreises mit, ihre Zahl sei seit vielen Jahren relativ konstant. Hygiene und Sicherheit hätten sich seit Inkrafttreten des ProSchG deutlich verbessert. Nach Erlass der Durchführungsverordnung 2019 „wurden viele Mindestanforderungen detaillierter und strenger festgelegt“, erklärt die Kreisverwaltung als zuständige Ordnungsbehörde. Der Landkreis sei im Rahmen der Erlaubniserteilung und regelmäßiger Kontrollen bestrebt, die Arbeitsbedingungen in den Lovemobilen weiter zu verbessern beziehungsweise erreichte Standards zu halten.

Betriebserlaubnisse würden grundsätzlich für höchstens drei Jahre erteilt, danach ist ein neuer Antrag und eine erneute Überprüfung fällig. Festgestellte Mängel würden in der Regel umgehend durch die Betreiber korrigiert. Der Verwaltungsaufwand für das ProstSchG ist nicht zu unterschätzen. Er umfasst laut Kreisverwaltung das Anmelde- und Erlaubnisverfahren, Gesundheitsberatung, Kontrollen im Außendienst, Ordnungswidrigkeitenverfahren inklusive Ahndungen, Klageverfahren und den fachlichen Austausch mit anderen Behörden.

Im Paragraf 7 des am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Prostituiertenschutzgesetzes werden erstmals verbindliche Mindeststandards für Prostitutionsfahrzeuge festgelegt. Demnach müssen Lovemobile „über einen für das vorgesehene Betriebskonzept ausreichend großen Innenraum und über eine hierfür angemessene Innenausstattung verfügen sowie nach Ausstattung und Beschaffenheit den zum Schutz der dort tätigen Prostituierten erforderlichen allgemeinen Anforderungen genügen“. Türen müssen „jederzeit von innen geöffnet werden können“ und technische Vorkehrungen gewährleisten, dass in Notfällen zuverlässig Hilfe alarmiert werden kann. Zudem ist eine „angemessene sanitäre Ausstattung“ vorgeschrieben.