Bürger planen mit, aber was bleibt am Ende davon übrig?
Wie soll der Georges-Lemoine-Platz in Soltau attraktiver werden? Zahlreiche Ideen gab es bereits. Jetzt soll ein Architektenwettbewerb auch dazu konkrete Ergebnisse liefern. Foto: at
2018 fiel in Soltau der Startschuss für die Weiterentwicklung der Innenstadt. Unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, der Politik und eines Planungsbüros wurde ein integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) erarbeitet, das der Stadtrat 2019 verabschiedete. Zwei Jahre später wurde Soltau auf dieser Grundlage in das Städtebauförderprogramm „Lebendige Zentren“ aufgenommen.
Im Rahmen dieses Programms war die Bevölkerung erneut gefragt. In Workshops konnten die Bürger ihre Vorstellungen zur Gestaltung der Fußgängerzone und des Rathausquartiers einbringen. Diese Ideen wiederum wurden von Planungsbüros mit eigenen Vorschlägen ergänzt. Daraus wurden die sogenannten Rahmenpläne entwickelt.
Wann rollt der Bagger?
Wann der erste Bagger in der Marktstraße anrückt, ist bis jetzt nicht abzusehen. Die Planungen sind nicht abgeschlossen. In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause beschloss der Stadtrat, einen „freiraumplanerischen Architektenwettbewerb" für die Fußgängerzone und die anliegenden Bereiche auszuschreiben. Geplante Dauer des Wettbewerbs: gut ein Jahr.
Sind damit alle bisherigen Vorschläge aus Workshops und von beauftragten Planungsbüros hinfällig? Nein, betont Daniel Gebelein, der bei der Verwaltung als Stabsstellenleiter die strategischen Entwicklungsziele Soltaus mitverantwortet. „Wir erfinden nichts neu“, stellt er klar.
Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung und die daraus entstandenen Rahmenpläne bildeten die Grundlage für den Wettbewerb. „Die Beteiligung war nicht umsonst.“ Der 2019 angeschobene Prozess laufe kontinuierlich weiter.
Das seien zudem die Bedingungen, die die Stadt einhalten müsse, um Fördermittel von Bund und Land zu erhalten. Die Stadt rechnet aktuell mit Gesamtkosten in Höhe von rund 8,73 Millionen Euro.
Kommunen mit Wettbewerbsidee erfolgreich
Viele Kommunen hätten bereits erfolgreich vergleichbare Wettbewerbe durchgeführt, so Gebelein. Der Vorteil sei zudem eine unabhängige Jury, bestehend aus Vertretern von Rat, Verwaltung sowie externen Fachleuten aus Architektur und Wissenschaft, die die eingereichten Entwürfe fundiert bewerten und zwischen Machbarem und bloßer Wunschvorstellung unterscheiden könnten.
Gleichzeitig könne man im Rahmen des Wettbewerbs nachjustieren, weitere Ideen und neue Impulse aufnehmen, die bislang noch nicht bedacht wurden. „Wir rechnen mit einem Riesenmehrwert durch innovative Ideen.“ Das hätten auch Erfahrungen aus anderen Städten gezeigt.
Prozesse könnten verschlankt werden
Gleichwohl räumt Gebelein ein, dass manche bürokratischen Prozesse in dem Fördermittelverfahren verschlankt werden könnten. Letztlich habe die Corona-Pandemie aber auch den Zeitplan der Stadt Soltau merklich verzögert. Ohne diese Verzögerung wäre man möglicherweise ein bis zwei Jahr weiter. Klar sei aber auch: Die Beteiligungen der Bevölkerung seien nicht nur sinnvoll, sondern eine zentrale Voraussetzung für den Erhalt von Fördermitteln.
Dank der Städtebauförderung soll auch die Marktstraße attraktiver werden. Foto: at
Eine grüne Oase in der Burg
Auch wenn das Ergebnis des freiraumplanerischen Realisierungswettbewerbs für die Soltauer Innenstadt erst in gut einem Jahr erwartet wird, greifen bereits erste Maßnahmen. „Wir wollen zeigen: Es geht los“, betont Soltaus Bürgermeister Karsten Brockmann. Man höre natürlich auch in der Verwaltung, dass sich der Prozess um die Neugestaltung bereits lange hinziehe. „Das verstehe ich auch. Aber es wird in den nächsten Jahren sehr viel passieren“, verspricht er.
Zunächst geht es daher um den Bereich der Burg. Dort hat die Stadt drei leerstehende und stark sanierungsbedürftige Gebäude erworben, die abgerissen werden sollen. Die Bauten sind in einem derart schlechten Zustand, dass eine Sanierung wirtschaftlich nicht vertretbar wäre. Ein privater Investor habe sich über die Jahre nicht gefunden. Um mögliche Schäden an Nachbargebäuden zu dokumentieren, wird zunächst ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet.
Kleine Insel im Grünen
Wie die Fläche künftig genutzt werde, sei noch offen. Eine Brache soll dort aber nicht entstehen. Stattdessen soll das Areal vorerst als gestalteter Freiraum genutzt werden, mit einfachen Mitteln vielleicht eine kleine „Insel“ mitten in der Stadt entstehen, so Brockmann. Auch kleinere Veranstaltungen seien denkbar. Langfristig könnte die Fläche unbebaut bleiben, um dort das Wasser „erlebbar“ zu machen. Das wäre eine grüne Oase in der Innenstadt, so Stabsstellenleiter Daniel Gebelein.
Ob das möglich ist, hängt auch vom Fließgewässerkonzept ab, das derzeit erarbeitet wird. „Es soll aufzeigen, wie Soltau und die Böhme ökologisch aufgewertet und erlebbar gemacht werden können“, erklärt Gesa Pröhl aus der Stadtverwaltung. Ein Konzept soll bis Ende des Jahres vorliegen.
Machbarkeitsstudie greift nicht
Basierend auf einer Machbarkeitsstudie hatte es bereits recht konkrete Pläne für die Burg gegeben. Diese stießen allerdings auf heftige Kritik der Anlieger, die sich übergangen fühlten. Damals war zudem auch ein weiterer Standort für das Jugendzentrum Youze im Gespräch. Diese Idee wurde inzwischen verworfen. Zudem hat die Stadt zwischenzeitlich auch den Hof Mühlenstraße 22 erworben, wo möglicherweise die Bedarfe von Vereinen oder Künstlern eher befriedigt werden können. Dass die Stadt keine eigenen Wohnungen bauen kann, weil es dafür keine Fördermittel gibt, erschwere die Entwicklung.
Trotzdem war die frühere Machbarkeitsstudie laut Gebelein nicht umsonst: „Wir wissen jetzt, wohin die Reise gehen soll. Und das kann sich über die Freiraumplanung weiter konkretisieren.“ Auch gastronomisch würde ein neu gestalteter Burgbereich gut funktionieren, ist Brockmann überzeugt.
Raum der Ruhe, Lebensader und Gastronomie
Insgesamt sieht die Verwaltung den Bereich der Burg als einen Raum der Ruhe, möglicherweise auch fürs Wohnen geeignet, während die Marktstraße selbst mit dem Handel die Lebensader, der Hagen für die Gastronomie Schwerpunkt werden soll. „Eine Innenstadt lebt vom Nutzungsmix“, sagt Brockmann. Dazu gehöre es, die zweite Reihe hinter der Marktstraße mitzudenken.
Wichtig sei vor allem, Versiegelung zu vermeiden und grüne Inseln zu schaffen. „Innenstadtentwicklung muss heute auch auf Klimafolgen reagieren, Hitze und Starkregen eingeschlossen“, so Pröhl. Solche Aspekte flössen auch in die Aufgabenstellung für den Architektenwettbewerb ein.
Private können profitieren
2027 soll die Innenstadtsanierung nach einem langen Prozess starten, erklären Daniel Gebelein (von links), Karsten Brockmann und Gesa Pröhl. Foto: at
Von der Städtebauförderng können auch private Eigentümer profitieren. Allerdings, so Gebelein, sei die Resonanz noch verhalten. „Es könnten mehr sein.“ Dazu verweist er auf die städtische Webseite, auf der die Vorteile durch einen Zuschuss und durch Steuererleichterungen erläutert werden.
Möglicherweise könnten mit der geplanten Neufassung der Gestaltungssatzung auch energetische Maßnahmen besser greifen, etwa um Photovoltaik und Dachbegrünung zu ermöglichen. „Dann hoffen wir, dass es mehr Interessenten gibt.“
Ein weiteres Thema, das eng mit der Innenstadtentwicklung verbunden ist, ist die Frage nach zusätzlichem Wohnraum. Die Lage sei aber komplex: „Wohnen und Handel in der Innenstadt konkurrieren miteinander“, erläutert Brockmann. Zwar gebe es Projekte, bei denen Wohnen in den oberen Geschossen denkbar sei – etwa an der Marktstraße –, doch die Umsetzung sei herausfordernd, insbesondere wegen Lärmschutzbestimmungen.
Auch neue Wege vom Böhmepark bis in den Breidingsgarten sollen die Innenstadt künftig stärker vernetzen. Diese Maßnahmen sollen über das Programm „Resiliente Innenstadt“ finanziert werden.
Herausforderungen vielschichtig
Die Herausforderungen für die Stadtentwicklung seien vielschichtig, erklären Brockmann, Gebelein und Pröhl im Gespräch. Es gelte, verschiedene Förderprogramme, rechtliche Anforderungen und Interessen von Investoren, Eigentümern und Politik zusammenzubringen. „Wir haben gute Gespräche geführt. Aber es dauert eben, bis aus Plänen Realität wird“, sagt Gebelein.
Trotz der Herausforderungen gebe es einen roten Faden: „Wir fangen jetzt mit der Burg an. In einem Jahr liegt das Ergebnis des Wettbewerbs vor, und dann geht’s richtig los. Gebaut wird 2027.“