Wird die Neubaustrecke zur neuen Y-Trasse?
Der Herbst lässt die Plakate der Bürgerinitiativen alt aussehen, ein Votum aus Berlin zur umstrittenen ICE-Neubaustrecke durch die Lüneburger Heide bringt er entgegen anderslautender Vorhersagen aber nicht. Foto: ari
Schon seit mehr als einem halben Jahrhundert wird über eine neue Bahntrasse zwischen Hannover und Hamburg und Alternativen gestritten. Das endlose Hin und Her bei gleichzeitig immer schlechterem Bahnverkehr auf den stark überlasteten Bestandsstrecken ist zermürbend und stellt der deutschen Verkehrspolitik kein gutes Zeugnis aus. Wenigstens darin dürften sich alle einig sein. Der für 2026 vorgesehene Beginn der Generalsanierung der Bestandsstrecke ist auf 2029 verschoben, und auch die von vielen Beobachtern für diesen Herbst erwartete Entscheidung des Bundes über eine Neubaustrecke (NBS) lässt auf sich warten. Heute tritt in Berlin der Verkehrsausschuss zusammen, aber Hannover-Hamburg steht nicht auf der Tagesordnung.
Die Neubau-Befürworter fühlen sich durch die jüngste Neuberechnung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses durch das Bundesverkehrsministerium bestärkt. „Aus meiner Sicht wird definitiv die Trasse entlang der A7 beziehungsweise B3 eingebracht, weil die gemäß Neuberechnung weiterhin das beste Ergebnis bringt und alle Anforderungen des Deutschlandtakts erfüllt“, erklärt der niedersächsische Landesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Malte Diehl. „Wir gehen von einem Beschluss spätestens Ende des Winters oder Anfang des Frühjahrs aus.“
Klingbeil hält Kurs
Zuletzt konnte man den Eindruck haben, die Geschlossenheit im Widerstand gegen die Bahnpläne ist im Heidekreis zerbrochen. Die Bürgerinitiative Unsynn zeigte sich „stinksauer“ über neue Töne in der Kreispolitik. Doch im Landkreis reagiert man vor allem auf Entwicklungen, die Entscheidungen fallen in Berlin. Von dort tritt der einflussreiche örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil Spekulationen entgegen, er habe sich angesichts gewisser Zugeständnisse an die Region mit dem Neubau abgefunden. „Ich plädiere dafür, dass wir den weiteren Bedarf nach der Generalsanierung unter Beteiligung der Öffentlichkeit beraten“, setzt er weiter auf den Faktor Zeit. Offenbar ist er entschlossen, seine Leute abermals gegen einen Neubau in Stellung zu bringen. Er werde dazu „den Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag suchen“, kündigt er an. Es klingt ein bisschen wie eine Drohung, auch in Richtung des Verkehrsministeriums.
Dass ein Beschluss für den Neubau doch noch scheitern könnte, mag auch Pro Bahn nicht völlig ausschließen. Das wäre dann aber „nur durch unsachgemäßen, populistischen Lobbyismus auf Bundesebene durch Herrn Klingbeil und die niedersächsische Landesregierung zur eigenen Gesichtswahrung zu erklären“, schimpft Landeschef Diehl.
Y-Trasse: 25 Jahre Planung für die Tonne
Die Hänepartie weckt Erinnerungen an die sogenannte Y-Trasse. „Das haben wir bei der Y-Trasse alles schon einmal erlebt“, bemerkte Peter Dörsam bereits 2022 in einem Interview mit der Böhme-Zeitung. „Die bestand auf dem Papier 25 Jahre und hat in dieser Zeit andere Planungen blockiert“, warnte der Beiratssprecher Alpha E und Bürgermeister der Samtgemeinde Tostedt vor alten Fehlern. Konsequenz aus dem Planungsdesaster rund um die Y-Trasse war das Dialogforum Schiene-Nord und das dort erarbeitete Ausbau-vor-Neubau-Konzept Alpha E – das dann aber ebenfalls verschleppt und nie umgesetzt wurde. Droht der Neubaustrecke nun das gleiche Schicksal wie der Y-Trasse, behält Dörsam mit seiner Vorahnung recht? Dass sich manche an das Trauerspiel um die Y-Trasse erinnert fühlen, sei nachvollziehbar, findet Neubaubefürworter Diehl. Die Vorplanung sei aber diesmal viel genauer, merkt er an. „Das vom Tisch zu wischen, ist hoffentlich unmöglich.“