Express-Halt in Soltau: Große Chancen, große Zweifel

Nahe Harber und des Outlet-Centers hat die Bahn im Zuge der Planungen für die Neubaustrecke zwischen Hamburg und Hanover einen Bahnhof für einen Regionalexpress vorgesehen und das Vorhaben bereits auf ihrer Internetseite visualisiert.

Die Deutsche Bahn bewirbt die geplante Neubaustrecke Hamburg–Hannover als doppelten Gewinn: schnellere Fernzüge zwischen den Metropolen und bessere Anbindungen für die Region.

Doch während in Soltau und Bergen die Hoffnung auf neue Bahnhöfe mit schnellen Verbindungen in die Großstädte wächst, hält sich die Begeisterung im niedersächsischen Verkehrsministerium in Grenzen. Die Zweifel betreffen vor allem die Finanzierung – und die Glaubwürdigkeit der Bahn.

Auf Nachfragen betont ein Sprecher der Deutschen Bahn, dass die versprochenen Fahrzeiten ab Soltau von 30 Minuten nach Hamburg und 40 Minuten nach Hannover nicht durch zusätzliche ICE-Halte erreicht werden sollen, sondern durch einen schnellen Regionalexpress. Dieser soll stündlich verkehren, bis zu 200 Stundenkilometer schnell sein und dabei neue Stationen eben in Soltau – genauer den Bahnhof „Soltauer Heide“ östlich des Designer Outlets – und Bergen anfahren.

Geplant sind nach Berechnungen eines Bundesgutachters 16 Zugpaare pro Tag, gezogen von lokbespannten Zügen mit sieben Wagen. Der Gutachter habe die Verkehrsnachfragen auf Basis des vorgegebenen Prognosehorizonts 2030 ausgewertet.

Die Bahn verspricht einen deutlichen Standortvorteil durch die Halte. Sie seien am Ende Teil der Gesamtkosten für die Neubaustrecke. Die Idee sei, die ohnehin zu bauenden Überholbahnhöfe künftig für den Nahverkehr zu nutzen. Ob weitere optionale Haltepunkte auf dieser Grundlage in Bispingen, Wietzendorf oder aber Ramelsloh oder Evendorf realistisch seien, sei Sache der Region beziehungsweise der Aufgabenträger.

Laut Bahn sind in der Vorplanung die Kosten zur Neubaustrecke inklusive der Kosten für die Nahverkehrshalte in Soltau und Bergen berücksichtigt. Details zu Umfang, Ausgestaltung, Finanzierung des Bahnhofs sowie die Bestellung der Nahverkehrsleistungen durch das Land Niedersachsen seien Bestandteil der weiteren Planungsphasen.

Ein virtueller Blick vom Bahnhof auf die Gleisanlagen.

Aus Landessicht ist die Kostenübernahme ungeklärt

Auch aus diesem Grund bewertet das Verkehrsministerium in Hannover die Pläne deutlich skeptischer. Vor allem die Kosten sind aus Sicht des Landes problematisch. Um Regionalzüge auf der Neubaustrecke fahren zu lassen, wären nicht nur Bahnhöfe nötig, sondern auch Anpassungen an der Strecke sowie spezielle Fahrzeuge, die Hochgeschwindigkeit fahren können. Diese Investitionen seien nach Kenntnis des Landes im Finanzierungsrahmen des Bundes für das Bedarfsplanprojekt nicht enthalten.

Das bedeutet: Land und Kommunen müssten Infrastrukturkosten, Fahrzeuge und den Betrieb dauerhaft tragen. Da Nahverkehr nicht eigenwirtschaftlich läuft, wären die Belastungen erheblich. Die Bestellung entsprechender Verkehre werde „derzeit als unrealistisch einzuschätzen“, so das Land.

Ob der Bund im parlamentarischen Verfahren bereit wäre, Teile dieser Kosten zu übernehmen, sei nach heutigem Stand unbekannt. Gespräche dazu seien mit dem Land Niedersachsen nicht geführt worden.

Überhaupt die Kommunikation:  Während die Bahn in der BZ-Anfrage betont, das Land Niedersachsen regelmäßig über die aktuellen Planungsstände unterrichtet zu haben, erklärt wiederum das Verkehrsministerium, dass ein offizielles Nahverkehrskonzept bislang nicht vorliege. Lediglich im Rahmen der Fortschreibung des Deutschlandtakts hätten Gutachter 2024 vorgeschlagen, stündlich einen Regionalzug über die Neubaustrecke zu führen.

Die genauere Lagebeschreibung des geplanten Bahnhofs, den das Land für nicht realistisch hält.

Mangelnde Transparenz beklagt

Insgesamt beklagt man in Hannover die mangelnde Transparenz: Nach dem Ende des Dialogforums Schiene Nord seien die geplanten „Runden Tische“ eingestellt worden, seither gebe es keinen strukturierten Austausch.

Viele zentrale Fragen wie etwa zu den tatsächlichen Kosten der Vorzugsvariante seien selbst dem Land nicht zugänglich. Überraschend sei zudem gewesen, dass sogar landeseigene Streckenabschnitte der Ost-Niedersachsen GmbH (Sinon, früher OHE) überplant worden seien, ohne das Land vorab zu informieren.

Ob die Bahnhöfe in Soltau und Bergen tatsächlich gebaut werden, entscheidet sich voraussichtlich erst im parlamentarischen Verfahren.  Das ist der nächste Schritt, der Bundestag soll eine politische Grundsatzentscheidung zur Fortführung des Projektes treffen. In dem Rahmen der parlamentarischen Befassung kann der Bundestag auch über die Finanzierung von sogenannten Kernforderungen aus der Region entscheiden.

Für das Land wäre es erst in dem Rahmen denkbar, Investitionskosten für zusätzliche Haltepunkte in das Bundesprojekt einzubeziehen. Voraussetzung sei allerdings, dass das Nutzen-Kosten-Verhältnis bei mindestens 1,0 bleibe – aktuell liegt es mit 1,02 knapp darüber.

Noch vager ist die Zukunft weiterer, von der Bahn als „optional“ bezeichneten Halte wie in Bispingen oder Wietzendorf. Nach Einschätzung des Ministeriums stehen deren Chancen schlecht: Neben fehlenden Finanzierungsquellen gäbe es auch fahrplantechnische Probleme.

Schon heute zeige der Deutschlandtakt, dass ein Express-Regionalzug mit zusätzlichen Halten kaum noch die geplanten Fahrzeiten einhalten könnte, ohne den Fernverkehr zu behindern. Die ICE-Züge müssten ein Zeitfenster einhalten.

Zeitplan mit zusätzlichen Halten nicht einzuhalten

Das bedeute, dass der Express-Regionalzug mit zwei zusätzlichen Halten zwischen Celle und Harburg die gleiche Fahrzeit zwischen Hannover und Hamburg haben soll wie ein Fernzug, der nur in Celle und Harburg hält. Daher müssten die eingesetzten Regionalzüge extrem leistungsfähig sein, um die Zeit einzuhalten.

Zusätzliche Halte würden sich daher im Fahrplan kaum noch unterbringen lassen. Es sei denn, so erläutert der Sprecher, es würden extra Überholbahnhöfe gebaut, was wiederum zusätzliche Kosten verursachen würde.

Freie Fahrt für den ICE während der Expressverkehr am Bahnhof Soltauer Heide hält, so die grafische Vorstellung der Bahn.

Fünf Kilometer bis Harber

Zudem führt das Verkehrsministerium aus, dass der Halt für Soltau eine bessere Anbindung suggeriert. Tatsächlich liege der Bahnhof „Soltauer Heide“ in Harber aber rund fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Ein Umstieg zur bestehenden Amerikalinie sei nicht vorgesehen, Fahrgäste müssten auf Bus oder Shuttle umsteigen. Ob das noch einen Zeitvorteil bringt, sei fraglich.

Ähnliche Probleme sieht Hannover bei weiteren Orten wie Uelzen, Celle oder Lüneburg, die in Bahnunterlagen als Profiteure auftauchen – ohne dass entsprechende Infrastrukturmaßnahmen geplant oder finanziert wären.

Insgesamt, so heißt es aus Hannover, bestehe die Gefahr, dass durch die Darstellung der DB Erwartungen geweckt werden, die politisch oder finanziell nicht abgesichert seien. Man betrachte die Neubaustrecke auf absehbare Zeit als unrealistisch. Das Land setze sich für einen realisierbaren Deutschlandtakt ein, der für die jetzt lebende Generation auch erlebbar wird.

Der Bahn-Sprecher geht auf den Vorwurf nicht ein, dass die Halte nur Lockangebote an die Region seien: Man habe das Ziel, mit der Neubaustrecke auch den Regionalverkehr zu stärken und den Menschen in der Region bessere Bahnverbindungen anbieten zu können.

Infomarkt der Bahn in Soltau

Im Herbst will die Bahn auf Infomärkten in Soltau, Winsen, Celle und Hannover über ihre Pläne zu einer Neubautrasse zwischen Hamburg und Hannover informieren. Los geht es am Dienstag, 9. September, in Soltau in der Alten Reithalle. Von 12 bis 19 Uhr werden die Ergebnisse der Vorplanung vorgestellt. Entlang von Themeninseln sollen sich Interessierte über die verschiedenen Aspekte der Neubauplanung informieren – ähnlich einem Tag der offenen Tür. Auch wenn das Projekt noch in einer sehr frühen Planungsphase befinde, lasse sich anhand der aktuellen Planungsstandards ein guter erster Eindruck gewinnen, betont das Unternehmen.